Klimafreundliches Fliegen ist noch in weiter Ferne

Umweltversprechen von Fluglinien geraten zunehmend ins Visier von Konstarsumentenschützern.
Inzwischen ist es auch gerichtlich festgehalten: Die AUA muss künftig darauf verzichten, mit klimaneutralen Flügen zu werben. Das entsprechende Urteil des Landesgerichts Korneuburg gegen die Airline hatte, wie berichtet, der Verein für Konsumenteninformation (VKI) erwirkt, nachdem die AUA ihre Flugverbindung nach Venedig als CO₂-neutral angepriesen hatte. Passagiere konnten für die Verbindung zwar gegen einen Aufpreis von 50 Prozent eine Nachhaltigkeitsoption mit synthetischem Treibstoff (SAF) buchen. Der maximal erlaubte Beimischungsgrad von SAF, der nicht auf fossilen Energieträgern basiert, liegt laut VKI allerdings bei nur fünf Prozent, im Fall der AUA seien es sogar nur 0,4 Prozent.
Keine Einzelfälle
Von tatsächlicher CO₂-Neutralität also keine Spur. Dennoch handelt es sich bei dem jüngsten Urteil um keinen Einzelfall. Fluglinien rund um die Welt werben inzwischen mit klimaneutralen, grünen oder nachhaltigen Programmen, um das Fliegen auch für umweltbewusstere Passagiere attraktiv zu halten. Immer öfter gehen Konsumenten- und Klimaschützer gegen diese Art der Werbung vor. Im Vorjahr klagten Umweltaktivisten die niederländische Fluglinie KLM wegen Greenwashings, heuer reichten Verbraucherschützer aus 19 europäischen Ländern bei der EU-Kommission Beschwerde gegen 17 Airlines wegen mutmaßlicher Täuschung mit Angaben zu Umwelt- und Klimaschutz ein. Die US-Linie Delta Airlines ist indes mit einer Sammelklage über eine Milliarde Dollar konfrontiert. Die Gesellschaft hatte behauptet, die “weltweit erste CO₂-neutrale Fluglinie” zu sein. Für Kritiker eine unhaltbare Aussage.
Treibhausgase einsparen
Wie viele andere Fluggesellschaften begründet Delta Airlines die Eigendarstellung als klimafreundlich nicht nur mit der Beimengung von synthetischem Treibstoff, sondern primär mit Kompensationsprojekten. Die Idee dahinter: Ein Teil jener Treibhausgase, die die Flugzeuge ausstoßen, wird andernorts wieder eingespart – etwa über die Installation moderner Kochöfen in Ghana oder Regenwald-Aufforstungen in Brasilien. Das Problem: Immer mehr stellt sich heraus, dass viele dieser Kompensationsprojekte in der Realität den Erwartungen bei Weitem nicht gerecht werden.
So schätzt eine Studie der ETH Zürich und der Universität Cambridge, dass von allen existierenden CO₂-Kompensationsprojekten, in die westliche Unternehmen und Private jedes Jahr Milliarden pumpen, am Ende nur rund zwölf Prozent wirklich Emissionen reduzieren. Als besonders kritisch schätzen Forscher die Wirkung von Waldschutz- und Aufforstungsinitiativen ein. Nutzbringend fürs Klima sind diese freiwilligen Projekte nur dann, wenn sie Waldflächen schützen oder vergrößern, die ohne aktives Zutun verschwunden oder eben nicht gewachsen wären. Genau da liegen Erzählung und Wirklichkeit aber oft weit auseinander, wie heuer eine groß angelegte Recherche mehrerer europäischer Zeitungen zeigte.
Forscher sind kritisch
Um festzustellen, wie viel CO₂ durch ein Kompensationsprojekt tatsächlich eingespart wird, gibt es Zertifizierungsagenturen. Die mit Abstand größte, die US-Organisation Verra, agiere bei den Berechnungen laut der monatelangen Recherche der Journalisten aber äußerst großzügig. 90 Prozent aller von Verra zertifizierten Waldschutzprojekte seien fürs Klima wertlos, so die Bilanz, die sich auch auf zwei wissenschaftliche Studien zu den konkreten Projekten stützt.
Dementsprechend kritisch sehen viele Forscher CO₂-Kompensationen von Unternehmen wie etwa Fluggesellschaften. “Wenn es in einem Unternehmen nicht und nur schwer vermeidbare Emissionen gibt, sollten diese nicht durch sehr günstige und oftmals problematische Zertifikate ausgeglichen werden”, sagt Hannes Böttcher, Forscher am Öko-Institut Berlin. Dadurch gehe jeglicher Anreiz zur weiteren Vermeidung verloren. “Die Klimakompensation sollte auf keinen Fall dazu genutzt werden, klimaschädliche Geschäftsmodelle länger aufrechtzuerhalten.”
Fazit: Flüge schaden dem Klima
Klimaschädlich ist der Flugverkehr bis dato auf alle Fälle. Global gehen bislang rund 2,5 Prozent aller CO₂-Emissionen auf das Konto der Airlines – Tendenz wachsend. Doch könnte sich das in Zukunft nicht ändern, wenn mehr SAF, also synthetischer Kraftstoff, auf dem Markt ist? Der Branchenverband IATA setzt jedenfalls massiv auf diesen Hebel und stellt eine tatsächliche Klimaneutralität bis 2050 in Aussicht. Experten und auch Teile der Branche selbst sind allerdings skeptisch. So bezweifelt die Bostoner Unternehmensberater-Firma Bain, dass das Klimaziel der Flugbranche erreicht werden kann, zumal die Airlines gleichzeitig eine globale jährliche Steigerung des Flugverkehrs um drei Prozent erwarten. “Wir brauchen mehr Ehrlichkeit und den Willen der Industrie zu akzeptieren, dass man neben technischen Innovationen auch die Nachfrage im Luftverkehr senken muss”, meint Cait Hewitt, Strategiedirektorin des britischen Luftfahrt-Umweltverbands AEF, im Gespräch mit der APA.
Das Kernproblem: Synthetische Kraftstoffe müssen energieintensiv aus Wasserstoff und Kohlendioxid hergestellt werden. Die Berater von Bain erwarten bis 2050 eine jährliche Produktion von 135 Millionen Tonnen SAF, womit nur 70 Prozent des Bedarfs der Flugzeuge abgedeckt werden könnten. Das alles gilt auch nur dann, wenn der Luftfahrt weltweiter Vorrang beim grünen Wasserstoff eingeräumt wird. Doch auch Industrie und Schiffsfahrt werden auf den Ausgangsstoff angewiesen sein, zudem mischt auch die Autoindustrie trotz Elektro-Alternative unter dem Schlagwort “Technologieoffenheit” im umkämpften Feld mit.
Erschwerend kommt hinzu, dass die Flugzeuge das Klima nicht nur durch das CO₂ aus den Turbinen anheizen. Mindestens ebenso viel tragen die Kondensstreifen in großer Höhe bei, die sich für sich genommen zwar rasch wieder verflüchtigen, allerdings auch bei der Verwendung von synthetischem Kerosin bei jedem Flug von Neuem entstehen. Wissenschaftler der ETH Zürich kommen darum in einer heuer erschienenen Studie zum Schluss, dass ein klimaneutraler Flugverkehr nur unter der Bedingung verwirklichbar wäre, dass die Passagierzahlen, statt zu steigen, bis 2050 jährlich um 0,8 Prozent sinken.
Werbeverbot
Die teils dreisten Auslegungen der eigenen Umweltfreundlichkeit von Fluglinien, aber auch anderen Unternehmen gehen inzwischen jedenfalls auch der EU-Kommission zu weit. Eine neue Richtlinie soll mit dem Wildwuchs an grünen Versprechungen generell aufräumen und für entsprechende Werbebotschaften strikte Kriterien vorgeben. Der Traum vom grünen Fliegen dürfte damit auch in den Broschüren wieder in etwas weitere Ferne rücken.