Auch ein schiefes Lächeln ist ein Lächeln

Heidi Salmhofer mit ihrer Kolumne in der NEUE am Sonntag.
Maria Theresia, Franz Josef, Ludwig XIV … keiner dieser herrschenden Persönlichkeiten wurde mit einem freundlichen Lächeln portraitiert. Alle gucken sie uns etwas lebensunfroh an. Nicht ein Zähnchen sieht man aufblitzen. Lächeln galt als unschicklich und dürfte etwa mit dem noch heute weit verbreiteten „Hasenohren-Schmäh“ auf Familienfotos gleichzusetzen gewesen sein. Lächeln war doof.
Diese Mode hat sich auch noch in den Anfängen der Fotografie gezeigt und vermittelt uns heute Bilder einer unfröhlichen Vergangenheit. Der Brauch des „ernsten Foto-Gesichtes“ hatte natürlich auch seine Vorteile. Wir wissen, wie schwer es ist, ein natürliches Lächeln für ein Fotoshooting auf Dauer beizubehalten. Wenn ein Foto bis zu mehrere Stunden benötigte, versuchte man besser, nicht zu lächeln. Das Ergebnis wäre wohl mehr als erschreckend ausgefallen. Jedenfalls, Frau Salmhofer hat zu diesem Phänomen noch eine zusätzliche Theorie. Diese kam mir letztens, als ich meine Töchter vom Kieferorthopäden abholte. Zack, war sie da, die Hypothese zum verlorenen Lächeln!
Die Zähne sind schuld. An allem! Auch daran, dass Freundlichkeit bis heute noch immer gegen den Ruf ankämpfen muss, ein Sinnbild für Schwäche zu sein. Ich hatte eine Zahnspange. Ohne Zahnspange würde ich Bugs Bunny erhebliche Konkurrenz beim Möhrenknabbern machen. Meine Kinder hatten ebenso schiefe Zähne und fast jeder zweite Mensch (40 Prozent liest man) ebenso ein eher ungerades Kauwerk. Gerade und weiße Zähne galten aber schon im Mittelalter als Schönheitsideal.
Dem „Makel“ der Krummheit wirkte man also am besten entgegen, indem man sein Gebiss nicht der Öffentlichkeit preisgab. Also verunglimpfte man das Lächeln. Selbst die Kirche hat dabei mitgemacht und proklamiert, dass das Lachen wohl eher dem Teufel zuzuordnen sei. Somit sind in der Bibel auch wenige witzige Stellen zu finden. Auch die Päpste, Bischöfe und Pfarrer waren vor schiefen Zähnen nicht gefeit. Ich gehe aber schwer davon aus, dass unter Freunden, in der Familie und unter Liebenden herzlich und viel und mit Freude gelacht wurde. Denn auch ein schiefes Lächeln ist ein Lächeln, das die Augen glänzen lässt. Und wir sollten anfangen, dem Lächeln wieder die Stärke zurückzugeben, die es verdient. Man stelle sich vor, Staatsoberhäupter würden sich ehrlich anlächeln, was bliebe uns alles erspart! Wenn es den Herrschaften leichter fällt, ich würde auch Steuern für Politiker-Zahnspangen zahlen. Cheese!
Heidi Salmhofer ist freiberufliche Theatermacherin und Journalistin. Sie lebt als alleinerziehende Mutter mit ihren Töchtern in Hohenems.