Die neue Strategie für Psychiatrie und Sucht

Vorarlbergs Spitäler und der niedergelassene Bereich sollen künftig enger zusammenarbeiten. Die neue Psychiatrie- und Suchtstrategie 2025–2035 des Landes setzt unter anderem auf aufsuchende Angebote, eine rund um die Uhr erreichbare Krisenhotline und mehr Mitsprache von Betroffenen und Angehörigen.
Von Kurt Bereuter
neue-redaktion@neue.at
Das Vorarlberger Psychiatriekonzept „2015 – 2025“ ist Geschichte und wurde bislang nicht in allen Punkten umgesetzt. Zehn Jahre war Zeit, jetzt wurde eine geänderte Strategie für die psychiatrische Versorgung im Land von Landesrätin Martina Rüscher und ihren Mitarbeitern und einem externen wissenschaftlichen Berater vorgestellt, der die Strategieentwicklung über eineinhalb Jahre lang begleitete. Eingebunden waren mehr als 100 Experten aus den Gesundheitsbereichen, über die Wirtschaft und Bildung, Pflege und Sozialarbeit, Kinder- und Jugendhilfe, aber auch Betroffene und Angehörige in Workshops, Befragungen und Zukunftswerkstätten.
Basisinnovationen
Die Strategie gliedert sich in zwei übergeordnete Basisinnovationen, nämlich die „Entwicklung gemeinsamer Qualitätsstandards“ und die „Stärkung der zentralen Fallsteuerung“. Zur Ausarbeitung der Qualitätsstandards wird eine Arbeitsgruppe eingerichtet, die aus dem Helfersystem, Betroffener und deren Angehörigen bestehen soll. Die zentrale Fallsteuerung soll etabliert werden und der systematischen Koordination von Dienstleistungen dienen. Sie soll Übergänge zwischen den Angeboten erleichtern und eine kontinuierliche Begleitung gewährleisten, um „Drehtüreffekte“ und unklare Zuständigkeiten deutlich zu reduzieren. Wer diese Fallsteuerung übernimmt, ist noch unklar, das „könnten alle machen“. Wie die Verantwortung nicht verloren geht, muss noch geklärt werden.
Die Umsetzung beginnt 2026
Es gibt sieben Entwicklungsfelder in der neuen Strategie mit 42 konkreten Maßnahmen, deren weitere Konkretisierung noch aussteht und umgesetzt werden sollen diese in den nächsten zehn Jahren. Betont wurde immer wieder, dass die Umsetzung nur gemeinsam und im Miteinander mit den Trägern – im ambulanten und stationären Bereich – erreicht werden kann. Wobei wir wieder bei der Pressekonferenz der Sozialeinrichtungen zurück sind. Dort wird das „Gemeinsame“ und das „Miteinander“ gegenwärtig in Frage gestellt, bzw. vermisst. So wie im „Vorarlberger Psychiatriekonzept 2015 bis 2025“, fehlen auch in der neuen Strategie Terminisierungen von einzelnen angedachten Entwicklungsschritten – es seien jetzt zehn Jahre Zeit für die Umsetzung. Das galt schon vor zehn Jahren – und umgesetzt wurden bis heute nicht alle damals anvisierten Entwicklungsprojekte. Diese finden sich nun in der neuen Strategie wieder und sollen in den nächsten zehn Jahren umgesetzt werden.

Aufsuchende Notfallhilfe
Offen blieb beispielsweise der letzte Punkt „10“: „Aufsuchende Krisen- und Notfallhilfe außerhalb normaler Dienstzeiten.“ Dieser findet sich nun dafür an erster Stelle als „Entwicklungsfeld 1“ unter dem Titel „Integrierte Versorgungsstruktur“, bei dem die „Aufsuchende Akutbehandlung – Erwachsene (Home Treatment)“ an erster Stelle steht, genauso wie die „Einführung der ambulanten Versorgung“ und der „Aufbau einer Krisenhotline“ im Rahmen des Projektes der Nationalen Krisenhotline.
Kinder- und Jugendpsychiatrie
Positiv fällt die „Integrative psychiatrische Versorgung von Kindern und Jugendlichen“ auf. Dort soll es zu einer „Stärkung der zentralen Steuerung durch die Koordination“ – wer immer das sein wird – und zur „Einführung einer Hilfeplanstruktur“ und u. a. zu einer „Aufsuchenden (Akut-)Behandlung – Kinder und Jugendliche (Home-Treatment)“ kommen. Das kann einer gewünschten Entstigmatisierung, oder Stigmatisierungsvermeidung durchaus dienlich sein.
“Landespsychiatriebeirat neu”
Der Landespsychiatriebeirat der Vorarlberger Landesregierung, in dem neben den Systempartnern auch die Menschen mit Psychiatrieerfahrung und deren Angehörige vertreten sind, wurde 2003 eingeführt und hatte sich bewährt. Nun soll dieser neu aufgestellt werden und der Information und Beratung der Landespolitik hinsichtlich Umsetzung der neuen „Vorarlberger Psychiatrie- und Suchtstrategie 2025 – 2035“ dienen. In Zukunft soll dieser in drei Strukturen arbeiten. Einer „Steuerungskommission“ unter dem Vorsitz der Landesrätin für Soziales und Gesundheit, einer „Psychiatrie- und Suchtkonferenz“ und „Begleitgruppen der Psychiatrie- und Suchtkoordination“. In der Steuerungskommission sind Betroffene und deren Angehörige nicht vertreten, sondern Entscheidungsträger finanzierender Instanzen und Vertretern des Amtes der Vorarlberger Landesregierung. Dieser neu aufgestellte Landespsychiatriebeirat wird zu Beginn die Priorisierung geplanten Maßnahmen sowie die Festlegung der Verantwortlichkeiten für die Strategieumsetzung festlegen. Was also die neue „Psychiatrie- und Suchtstrategie 2025 – 2035“ wert ist, kann erst in Zukunft in der Realität abgelesen werden. Vorläufig ist es ein Plan und ein Bekenntnis, „zu einer Gesellschaft, die sich um das Wohlbefinden und die Gesundheit aller ihrer Mitglieder kümmert“, wie es im Vorwort heißt. Noch sei sehr vieles unklar, werde erst entwickelt und werde bei der Umsetzung sichtbar, schloss die Pressekonferenz.