Bohrmaschinen und WC-Papier

Die virtuelle Ausstellung „brauchen“ präsentiert über 70 Werke.
Brauchen oder nicht brauchen – das ist eine von vielen Fragen, die in der virtuellen Ausstellung „brauchen“ der Berufsvereinigung Bildender Künstlerinnen und Künstler Vorarlbergs verhandelt werden. Über 70 Kreative haben sich dem Thema gewidmet, und präsentieren ihre teilweise brandneuen Arbeiten auf der Homepage der Vereinigung. Anlass, gerade über das Brauchen nachzudenken gab die aktuelle Situation in der Corona-Krise. Die Präsidentin der Vereinigung Maria Simma-Keller hatte den Künstlern dabei bewusst die thematische Breite belassen, und in den Arbeiten zeigen sich auch sehr unterschiedliche Ansätze. Die Kunstschaffenden selbst sollen mit der Ausstellung gestärkt werden – sie erhalten für ihren Beitrag jedenfalls ein Honorar. Die Werke sind auch zu erwerben.
Politisches
Alphabetisch gereiht, kann der „Besucher“ die Beiträge der einzelnen Künstler und Kollektive anklicken. Zu Beginn gibt es gleich mehrere Arbeiten mit Text zu sehen, die in der Schau überhaupt stark vertreten sind. „Wenn wir kein Brot mehr haben holen wir uns eure Kuchen“ – dieser mit einer Sprühschablone gestaltete Spruch ist die Arbeit von Maria Anwander: das in eine politische Drohung umfunktionierte berühmte, aber falsche Zitat von Marie Antoinette.

Ruben Aubrecht arbeitet noch reduzierter: „Das braucht wirklich niemand“ steht mit Schreibmaschine auf ein Papier in Größe A4 geschrieben. Die Serie umfasst 20 Blätter, die um jeweils null Euro plus Versandkosten zu haben sind – da ist der Preis wohl ein Hinweis auf die Thematik dieses Werks. Heide C. Heimböck wirft in ähnlicher Form die Frage der Systemrelevanz der Kunst auf. Christian Helbock zeigt uns die E-Mail, in welcher er über die Ablehnung seines Härtefallfonds-Antrages informiert wurde. Peter Lederer lässt uns auf einem Druck lesen: „Wenn die Leute Kunst brauchen zahlen sie dafür“.
Gabriela Klocker alias frauklocker zeigt in einem Video, was uns bei erotischen Cyber-Treffen möglicherweise fehlen könnte: der Tonfall. Die Arbeit „sensafünfundvierzig“ besteht aus visuellem Found-Footage-Material sowie monoton vorgetragenen Worte einer digitalen Sprachassistentin, die anonyme heiße Chats verliest. Auch Hubert Dobler zeigt eine Videoarbeit: In „Readyforbattle3“ kämpfen zwei ineinander gehakte Bohrmaschinen miteinander. Artist in Residence Evamaria Müller präsentiert in einem neuen Video am Fluss Ill aufgenommene Sounds.

Aktualität
Spannend ist in dieser Schau unter anderem, wie ältere Werke durch die Corona-Krise überraschend an Aktualität gewinnen konnten. Philipp Preuss etwa zeichnete 2011 die Prägungen auf WC-Papier nach („Brian Cameo: Four Treasures of Beauty“). Gunnar Tschabrunns buntes malerisches Treiben, in dem er die monumentale Aufführung von Mahlers Achter im Festspielhaus 2019 festhielt, erinnert uns daran, was uns heute fehlt. In Maro Zinks aktueller Fotoserie „missing but not missed“ ist es hingegen die Leerstelle, die sichtbar gemacht wird: Spuren von Bildern an leeren Wänden verweisen auf das, was nicht mehr da ist. Und Soundkünstler Karl Salzmann nimmt die Leere als Ausgangspunkt, um Neues zu gestalten.
Während man sich bei dieser Schau einfach durchklicken kann, kann die Ausstellung im Künstlerhaus wieder besucht werden. Infos gibt es unter kuenstlerhaus-bregenz.at.