Kultur

In Kunst verwandeltes Denken

02.06.2020 • 19:24 Uhr / 4 Minuten Lesezeit
Werk von Ilse Aberer. <span class="copyright">Wolfgang Ölz</span>
Werk von Ilse Aberer. Wolfgang Ölz

Nach der Corona-Pause ist die Schau in der Quadrart Dornbirn wieder geöffnet.

Dietmar Guderian gilt in Deutschland als ausgewiesener Experte in Sachen Konkreter Kunst. Die Verbindung von Mathematik und Kunst hat ihn sein Leben lang umgetrieben. In der Konkreten Kunst hat das Wort „Konkret“ laut Guderian die Bedeutung „sachlich überprüfbar und richtig“. In der Ausstellung der Quadrart Dornbirn werden neue, weitgehend im vergangenen Jahrzehnt geschaffene Werke dieser Kunstrichtung gezeigt.

Guderian ist Kurator des Evard-Preises der deutschen Messmer-Stiftung, für den sich alle drei Jahre hunderte, beim letzten Mal 750 Künstler, aus allen Kontinenten bewerben. In Dornbirn zeigt er seine ganz persönlichen Favoriten in der Konkreten Kunst, allen voran die Götznerin Ilse Aberer, die auch als Mitkuratorin bei dieser Schau fungierte. Als Grundfigur für ihre Werke wählt sie die Idealfigur der Konkreten Künstler: das Quadrat mit seinen vier gleichen Seiten, Winkeln und mit vier Symmetrieachsen und seiner ausgewogenen Ruhelage.

Ilse Aberer und Dietmar Guderian.
Ilse Aberer und Dietmar Guderian.

Fibonacci-Folge

Auf zwei gegenüberliegenden Quadratseiten wendet Aberer jeweils das seit Jahrhunderten in der Kunst genutzte Prinzip des Goldenen Schnitts an: Sie verbindet die zwei erhaltenen Goldenen Punkte, zerschneidet das Quadrat längs der Verbindungslinie und erhält zwei gleiche Vierecke. Und dann nimmt sie sich die Freiheit, wie die Künstler der Kunstrichtung Neo-Geo Mitte der 80er-Jahre, die erhaltenen Objekte – hier die zwei gleichen Vierecke – nach ihrem ganz persönlichen ästhetischen Empfinden ohne Rücksicht auf die weiteren Gesetzmäßigkeiten anzuordnen.

Der Ungar Laszlo Otto nutzt für sein Werk die Zahlen der nach Leonardo von Pisa genannten Fibonacci-Folge aus dem Jahre 1202, der damit das Wachstum einer Kaninchenpopulation beschrieb. Der Künstler setzt die ersten Zahlen der Folge 1, 2, 3, 5, 8 in einer logischen Strenge und Perfektion ein, wie sie Guderian nicht einmal in den Ateliers der Altmeister der Konkreten Kunst, wie etwa Max Bill oder Victor Vasarely, gesehen hat.

Erhard Witzel, hier in einer früheren Schau, lädt wieder in seinen Kunstraum. <span class="copyright"> Wolfgang Ölz</span>
Erhard Witzel, hier in einer früheren Schau, lädt wieder in seinen Kunstraum. Wolfgang Ölz

Der gebürtige Siebenbürger Ingo Glass lebt heute in Budapest und steht mit seiner Kunst seit Jahrzehnten im Gegensatz zu den im vergangenen Jahr geehrten Bauhaus-Meistern. Er arbeitet vor allem mit den drei geometrischen Grundformen, übernimmt aber nicht die Farb-Form-Zuordnung der Bauhäusler Quadrat-Rot, Kreis-Blau, Dreieck-Gelb, sondern er entscheidet, dem in seinen Augen dynamischeren Kreis die Farbe Rot zuzuordnen.

Mitarbeit des Betrachters

Konkrete Kunstwerke erfordern häufig, wie die von strenger Ordnung in fast totale Unordnung kippenden Werke der Slowenin Vesna Kovacic, die geis­tige und körperliche Mitarbeit des Betrachters: Der Betrachter muss sich am Bild vorbei bewegen. Damit ihre zunächst verwirrenden Reliefs partiell übergehen in konkrete Kunstwerke, das heißt hier: in „richtige“, geordnete Parallelenbilder, die es dem Betrachter erlauben, ihm Bekanntes zu entdecken und sich so dem Inhalt des Werkes zu nähern.

Guderian destilliert aus der Ausstellung in Dornbirn Grundsätze, die für die Konkrete Kunst im Allgemeinen gelten. Diese Kunstwerke stellen keine realen Situationen oder Gegenstände dar. Sie sind in Kunstwerke übertragene Gedanken, sie sind Produkte logischen Denkens, also mit Hilfe menschlichen Geistes geschaffen. Konkrete Kunstwerke sind logisch und damit für alle Zeit überprüfbar und unabhängig von jedem Trend. Konkrete Kunst ist universal und verbindet in einer globalen Welt unterschiedliche Kulturkreise.

Wolfgang Ölz

Bis 20. Juni im Kunstraum Quadrart in Dornbirn. Ein Besuch ist jederzeit nach telefonischer Vereinbarung möglich. Infos: quadrart-dornbirn.com.