Kultur

Wenn Gewissheiten “toter” sind

09.06.2020 • 20:11 Uhr / 5 Minuten Lesezeit
Platzkonzert in der Feldkircher Innenstadt. <span class="copyright">Matthias Rhomberg</span>
Platzkonzert in der Feldkircher Innenstadt. Matthias Rhomberg

Im Juni startet die nächste Ausgabe der Montforter Zwischentöne.

Angesichts der Corona-Krise gehen die Montforter Zwischentöne für die Sommerausgabe verstärkt einer ihrer Kernaufgaben nach: der Suche nach neuen kreativen Formaten. Der bereits vor der Krise gewählte Titel „Umwege nehmen“ passt denn auch zur gegenwärtigen Situation, wie die Anwesenden bei der Programmpräsentation im Großen Saal des Montforthauses feststellten. Darunter befand sich auch Feldkirchs Vizebürgermeis­terin Gudrun Petz-Bechter, die von den Herausforderungen der vergangenen Monate sprach, einem „Umweg ins Unbekannte“. Schwierig sei es nun, von diesem Umweg wieder „zurück auf die Spur“ zu finden.

Edgar Eller, Hans-Joachim Gögl, Folkert Uhde und Gudrun Petz-Bechter. <span class="copyright">Nadine Jochum</span>
Edgar Eller, Hans-Joachim Gögl, Folkert Uhde und Gudrun Petz-Bechter. Nadine Jochum

Die künstlerischen Leiter Folkert Uhde – per Videokonferenz aus Deutschland zugeschaltet – und Hans-Joachim Gögl wollen ebenfalls in diesem Sinne handeln, denn sie möchten mit dem Corona-bedingt angepassten und auf Sommer und Herbst verteilten Programm wieder die Möglichkeit zur Begegnung und zum Diskurs schaffen. Kontakt, Austausch, das Zusammenführen verschiedener Akteure sei zentral für die Reihe, die laut Gögl auf eine „Dramaturgie der Nähe“ aufbaue.

Baumelnde Seelen

In der Corona-Krise wich die Nähe der Dis­tanz, das Gegenüber wurde zur Gefahrenquelle erklärt. Letzteres könnte unterschwellig in den Menschen haften bleiben, wie Gögl befürchtet. Außerdem diagnostizierte er eine „Verdünnung der Erfahrung“ während des Lockdowns.

Auch dabei: Das Kollektiv. <span class="copyright">Victor Marin</span>
Auch dabei: Das Kollektiv. Victor Marin

Bei den kommenden Zwischentönen sind mehrere Erfahrungsmöglichkeiten inbegriffen: Eine zweite Auflage der „Begräbnisse“ der vergangenen Ausgabe findet im virtuellen Raum statt, ein real-physisches Treffen mit Landtagsabgeordneten wird bei einer Spezialform des Salon Paula angeboten. Ein musikalisches Programm im Freien gibt es wiederum bei einem Stadtspaziergang mit mehreren Stationen. Die „Temporäre Universität“ lädt am 1. September zwei gebürtige, international tätige Vorarlberger in ihre Heimat.

“Die Seele baumelt zwar, aber am Strick”.

Folkert Uhde zitiert den Philosophen Thomas Macho

Diesen Februar wurden im Alten Hallenbad die Gewissheiten, die Privatsphäre und die Muße zu Grabe getragen – nichts ahnend, was uns dieses Frühjahr noch bevorstand. Deshalb wurden die drei Trauerrituale einem „Corona-Update“ unterzogen, die Begriffe werden also nochmals im Hinblick auf die Krise überprüft. „Jetzt noch toter!“, heißt es dazu im Begleitheft. Die Veranstaltungen mit Alice Lagaay, Thomas Macho und Peter Schaar werden am 26., 27. und 28. Juni auf dem Streaming-Portal der Homepage übertragen. Die Teilnehmer sind per Videokonferenz verbunden, das musikalische Duo Das Kollektiv liefert Improvisationen. Uhde verriet bereits eine Diagnose des Philosophen Macho: „Die Seele baumelt zwar, aber am Strick.“

Politiker zum Ausleihen

„Ausleihen“ kann man sich beim Salon Paula diesmal auch einen Landtagsabgeordneten. Das Format findet heuer in erweiterter Form statt, neben Musikern und Experten können nämlich auch 25 Politiker aus dem Landtag nach Hause geholt werden. Damit kann in privatem Rahmen eine politische Auseinandersetzung stattfinden: ein Diskurs, der laut Gögl zur Demokratie unabdingbar dazugehört. Auf der Homepage können sich bis zum 30. Juni Interessierte anmelden und ihren Wunsch-Politiker zu sich einladen. Die Gespräche sind auf den Juli und August verteilt.

Salon Paula. <span class="copyright">Victor Marin</span>
Salon Paula. Victor Marin

Am 1. September werden bei der „Temporären Universität“ im Ausland arbeitende Vorarlberger Wissenschaftler nach Feldkirch geholt. Mit dabei sind diesmal der Ökonom Maximilian Hirn, der bei der Weltbank in Washington arbeitet, sowie Bernd Bickel. Die Forschung des „Technik-Oscar“-Preisträgers ist unter anderem verantwortlich für die Mimik des Bösewichtes „Thanos“ im jüngsten „Avengers“-Film.

„Umwege nehmen“. 26. Juni bis 1. September. Infos: www.montforter-zwischentoene.at

Zuvor gibt es am 8. August den Stadtspaziergang: Drei Konzerte mit Ensembles des Symphonieorchesters Vorarlberg – ein Blechbläser-Septett ist dabei – sowie der Band Café Drechsler sind geplant. Das Wiener Trio spielt in einer Kooperation mit dem poolbar-Raumfahrtprogramm auf der Waldbühne neben dem Alten Hallenbad. Die anderen Orte der Platzkonzerte werden ab 1. August auf der Homepage zu finden sein, eine Platzreservierung wird empfohlen.