Kultur

Rudolf Buchbinders Herzensprojekt

14.10.2020 • 20:16 Uhr / 4 Minuten Lesezeit
Wird heuer für sein Lebenswerk ausgezeichnet: Rudolf Buchbinder. <span class="copyright">APA</span>
Wird heuer für sein Lebenswerk ausgezeichnet: Rudolf Buchbinder. APA

Der Pianist widmet sich gleich mehrfach den Diabelli-Variationen.

Die Diabelli-Variationen op. 120 von Ludwig van Beethoven durchziehen das Leben des österreichischen Pianisten Rudolf Buchbinder seit 60 Jahren wie ein Leitmotiv. Zur Wiederkehr des 250. Geburtstags hat sich Buchbinder einem besonderen Herzensanliegen gewidmet: Einerseits legt er beim Label Universal/Deutsche Grammophon eine neue Einspielung der Diabelli-Variationen vor, zum anderen vertieft er die lebenslange Beschäftigung mit diesem Variationswerk in einem Buch: „Der letzte Walzer“ ist nach Gesprächen des Pianisten mit dem Musikpublizisten Axel Brüggemann aufgezeichnet. Zum dritten, und das ist das Besondere an diesem „The Diabelli Project“, hat Buchbinder zeitgenössische Komponisten beauftragt, jeweils eine weitere Variation zu schaffen.

Kleinod

Der Wiener Verleger Anton Diabelli hatte ja seinerzeit 50 Komponisten eines „Vaterländischen Künstlervereins“ aufgefordert, eine Variation zu einem von ihm vorgelegten Thema für einen Sammelband beizusteuern: unter ihnen Carl Czerny, Franz Xaver Mozart (der Sohn von W.A. Mozart), der damals 11-jährige Franz Liszt, der Virtuose Ignaz Moscheles oder Franz Schubert, um einige zu nennen. Auch die Einzelvariationen dieser Komponisten hat Buchbinder auf seiner Doppel-CD einge­spielt, kundig legt er im Buch die Querverbindungen unter den heimischen Vertretern dar. Aus den sprudelnden, brummigen oder galanten Stücken ragt die einzige in Moll gehaltene, innige Variation von Schubert heraus: In Wort und Ton hegt der Pianist eine besondere Empathie für dieses Kleinod, während manche der anderen Variationen eher leichtgewichtig in den Ohren klingen.

Buchbinder beim Meisterkonzert im Jänner. <span class="copyright">Udo Mittelberger</span>
Buchbinder beim Meisterkonzert im Jänner. Udo Mittelberger

Diabelli hatte natürlich auch Beethoven, den berühmtesten Komponisten Wiens, um einen Beitrag gebeten. Dem war das Thema zunächst zu simpel erschienen („ein Schusterfleck“), dann aber machte er sich daran, den Walzer von allen Seiten zu beleuchten, auseinanderzunehmen und wieder neu zusammenzusetzen: Letztlich wurden es 33 Variationen, geschaffen im Zeitraum von einigen Jahren, reich an Verbindungen zu den eigenen Werken und zu denen von Mozart und J.S. Bach.

Persönlicher Einblick

In 33 Kapiteln – also der Anzahl der Variationen entsprechend – liefern uns Buchbinder und Brüggemann ein farbiges Bild der Beethovenzeit, von der Arbeitsweise des Komponisten, die sich besonders bei Ansicht des Autographs mit seinen wilden Korrekturen offenbart, oder den Lebensumständen im Wien der 1820er Jahre. Buchbinder fertigt keine musikwissenschaftlichen Analysen der einzelnen Variationen an, sondern gewährt einen sehr persönlichen, facettenreichen Einblick in ein Meisterwerk und seinen pianistischen Zugang. Interessant ist auch die Begegnung mit den Komponisten unserer Tage, die immer auch Gäste von Buchbinders Festival in Grafenegg waren. Die Kompositionen von Rodion Shchedrin, Toshio Hosokawa, Max Richter oder Jörg Widmann lassen den Diabelli-Walzer nochmals auf unterschiedlichste Weise lebendig werden und scheinen das persönliche Verhältnis zum Interpreten Buchbinder zu spiegeln.

Beethovens 33 Variationen, dazu elf zeitgenössische Sichtweisen und acht Beispiele aus der Beethovenzeit sorgen, pianistisch natürlich souverän und vielgestaltig aufgenommen, dafür, dass einen das Diabelli-Thema so bald nicht wieder loslässt! Zusammen ergibt sich eine große Referenz vor dem Jubilar Beethoven.

Katharina von Glasenapp

Zum Hören und Lesen

Das Buch: Rudolf Buchbinder. Der letzte Walzer. 33 Geschichten über Beethoven, Diabelli und das Klavierspielen. Amalthea Signum Verlag Wien, 192 Seiten, 25 Euro.

Die CD: Rudolf Buchbinder. The Diabelli Project. Deutsche Grammophon, 00289 483 7707.