Kultur

Mit Champagner und Dosenbier durch die Nacht

07.08.2021 • 09:00 Uhr / 6 Minuten Lesezeit
Eine tolle Ensemble-Leistung der ersten "Lohn der Nacht"-Inszenierung.<span class="copyright"> Dietmar Stiplovsek</span>
Eine tolle Ensemble-Leistung der ersten "Lohn der Nacht"-Inszenierung. Dietmar Stiplovsek

Geglückte Uraufführung – mehr Schärfe hätte es gebraucht.

In der Nacht, in dieser eigenartigen Zwischenwelt zwischen dem Gestern und der Zukunft, da treffen sich die unterschiedlichsten Gestalten, sie geraten aneinander oder gehen aneinander vorbei. Sie sind unbedarft oder verzweifeln, kämpfen oder geben auf. Was von der Nacht übrig bleibt, wenn die Straßen gereinigt sind und ein neuer Tag beginnt, was also der Lohn der Nacht ist, das bleibt unklar. In diesem Kosmos hat der Wiener Autor Bernhard Studlar ein dreieckiges Ereignisfeld abgesteckt: eine Brücke, eine Kreuzung, ein Opernhaus. Und in der Mitte das Zentrum, die Oase aller Nachtschwärmer – die „Wurst Insel“. Was sich dort so alles abspielt, dem konnte das Premierenpublikum von „Lohn der Nacht“ am Donnerstag im Theater Kosmos beiwohnen, und auch wenn das Stück hier und da noch mehr scharfen Senf vertragen hätte, gab es im Anschluss viel Applaus für die Darbietung.

Oase aller Nachtschwärmer: die "Wurst Insel". <span class="copyright">Bregenzer Festspiele/Anja Köhler</span>
Oase aller Nachtschwärmer: die "Wurst Insel". Bregenzer Festspiele/Anja Köhler

Die Mutter der Nacht ist Carla, die Hüterin des Würstelstands, die von Lilly Prohaska verkörpert wird. Ihre philosophischen Weisheiten kombiniert sie mit praktischem Wissen („Die Käsekrainer ist das Kokain des Volkes“). Carla verpflegt die Gestrandeten mit Hotdogs und Dosenbier, auch die Figuren dieses Stücks schauen gelegentlich vorbei. Die Diva (Zeynep Buyraç) bereitet sich aber zuerst in ihrer Garderobe auf ihr großes Comeback vor. Nach über einem Jahr Babypause wird sie wieder auf der Bühne stehen, sie gibt die „Butterfly“, und sie ist nervös. Da muss das junge Kindermädchen Billie (Lara Sienczak) als Blitzableiter herhalten. Danach macht sie sich zu einer Reise durch die Nacht auf.

Bier im Tütü

Immer wieder wechselt der Ort des Geschehens, die Handlungsstränge lösen sich ab und überlappen sich teilweise: Wenn sich in der Nacht „Möglichkeitsräume“ (Carla) auftun, dann entscheidet oft der Zufall, wer sich trifft. Da begegnen sich etwa ein Polizist (Till Frühwald) und der Fußballstar Mimo (Luka Vlatkovic) bei einer Fahrzeugkontrolle. Der Polizist ist ein großer Fan, er lässt sich von Mimo beschwatzen, willigt in einen unsauberen Deal ein und lässt sich kaufen – was natürlich Konsequenzen mit sich trägt. Mit etwas ganz anderem zu kämpfen hat der „Kopf“ genannte Mann (Marcus Thill), der am Geländer der Brücke steht und zögert. Sein einziger Gefährte in dieser Situation ist das personifizierte Bier (wieder Frühwald), das, mit Tütü und Schlauch-Kapperl ausgestattet, nicht gerade die besten Ratschläge auf Lager hat.

Zum Stück

„Lohn der Nacht“ von Bernhard Studlar ist im Rahmen der Bregenzer Festspiele noch heute um 20 Uhr im Theater Kosmos in Bregenz zu sehen. Im September kommt das Werk auf den Kosmos-Spielplan, und wandert danach nach Linz, Graz, Wien und Klagenfurt.

Die Diva gerät mächtig ins Strudeln, nachdem sie einen fulminanten Auftritt hingelegt hat. Ein Mäzen (Thill) lädt sie zur intimen Afterparty ein, um ihr ein unglaubliches Angebot zu machen: Sie soll nur noch für ihn allein auftreten, womit ihre Existenz für immer gesichert wäre, anstatt dass sie einer unsicheren Zukunft auf dem freien Markt entgegenblickt. Es gibt eine Auseinandersetzung, ein Champagnerglas wird zur Waffe. Viel schlimmer noch aber trifft die Diva die Entführung der Tochter: ein etwas eigenwilliges Element dieser Geschichte. Das Kindermädchen Billie hatte vor dieser Tat noch ein Stelldichein mit Mimo. Der einfach gestrickte Fußballer kommt gut an beim Publikum, wobei auch er ein dunkles Kapitel aus der Vergangenheit mit sich trägt.

<strong>Zeynep Buyrac</strong>. <span class="copyright">Dietmar Stiplovsek</span>
Zeynep Buyrac. Dietmar Stiplovsek

Wie ein gut geöltes Zahnwerk funktioniert das Ensemble. In der Inszenierung von Jana Vetten sind die Darsteller auch immer wieder als Kollektiv tätig, was die ganze Sache sehr bereichert. Doch auch die Einzelperformances begeistern: Buyraç ist genau die Richtige für die Diva, Vlatkovic sorgt für viele witzige Momente, Frühwald zeigt sich vielseitig, Sienczak versorgt das Publikum mit jugendlicher Spritzigkeit, und Prohaska spielt Carla sehr souverän und glaubwürdig. Studlar bringt sie alle in klug gestalteten Szenen unter, seine Sprache ist spielerisch, intelligent und humorvoll. Ein bisschen mehr Schärfe hätte es aber noch vertragen: Ja, die Arroganz des Kapitals trifft die Figuren teilweise sehr direkt, doch die politische Dimension der Materie hätte noch mehr zugespitzt werden können.

Schöne Bilder

Oder es liegt an der Inszenierung von Vetten, die mit Ausstatterin Eugenia Leis für schöne Bilder und für einen kurzweiligen Ablauf sorgt. Doch vielleicht hätte es hier klarere Konturen gebraucht. Dennoch ist der Abend sehr gelungen, und das Stück wird hoffentlich auch nach seiner Bundesländer-Tour oft aufgeführt.