Leben und Tod am seidenen Faden

Die Uraufführung von „All You Can Be!“ am Landestheater begeisterte.
Das Theater ist eine Welt der doppelten Böden und Gleichzeitigkeiten: der Schauspieler und die Rolle, die Puppenspielerin und die Puppe, und die Puppe, die sowohl tot als auch lebendig ist. Das nervigste in dieser Theaterwelt müssen wohl die Darsteller aus Fleisch und Blut sein: Stets stellen sie sich eitel in die Bühnenmitte, und dann verlieren sie auch noch die Kontrolle über Körper und Gesicht, weil immer wieder ein Gefühl die Anmut des Spiels vereitelt. „Alle Lebendige sollte von der Bühne verbannt werden“, sagt folgerichtig die grün bemalte Marionette auf der Bühne. Die Figuren in „All You Can Be! Eurydike und Orpheus“ begeistern das Publikum in diesem eigentümlichen Spiel mit mehreren Ebenen auf einzigartige Weise. Mit einem Mix aus Humor, Musik, virtuosem Körpereinsatz und Puppenkunst lassen Max Merker, Aaron Hitz, sowie Clara Gil die Zuschauer nicht zuletzt darüber nachdenken, was es denn nun eigentlich bedeutet, lebendig zu sein.

Die grüngesichtige Menschen-Marionette (Regisseur Max Merker) geht mit seinem Kollegen (Aaron Hitz) in der Probenpause gerne einen Kaffee trinken. Man kann sich schon denken, was da gespielt wird: Der eine spielt den „Türsteher“, der andere ist offenbar Orpheus, der seine Geliebte aus der „anderen Welt“ holen will. Der eine stakst, geführt an den Fäden, hin und her, der andere wirkt in der Rede zwar unsicher – als singender Orpheus mit seiner „Laute“ (laute Gitarre) haut er aber den „Türsteher“ aus den Socken: erste Hürde geschafft. Mit dem Fährmann geht es über den Styx, wo Orpheus im Western-artigen „Subterranean“ landet.
Poetisch
Das muss sie wohl sein, diese mysteriöse Unterwelt, die aber gar nicht so öde und tot wirkt, der riesige wandernde Kaktus zumindest wirkt ziemlich lebendig. Schließlich findet Orpheus seine Liebe, das Ende bleibt aber undurchsichtig – wer ist am Ende tot, wer lebt? Poetisch und melancholisch ist der Grundton, wenn die Welt der Toten mit ihren Schatten, Geistern, mit ihrer grenzenlosen Fantasie reicher und vitaler wirkt als die schnöde Realität. Schließlich kommt auch die Puppenmacherin Gil zu Wort und gibt einen berührenden Einblick in ihre Arbeit, bevor sich Eurydike in den Mittelpunkt stellt. Sie ist die Personifikation dieses Oszillierens zwischen Leblos- und Lebhaftigkeit.

Eines der faszinierendsten Vermögen einer Komödie ist es, die Zuschauer mit so einfachen Mitteln zum Lachen zu bringen. Richtig gemacht, kann ein simpler Wortwitz ein ganzes Publikum amüsieren. Merker und Hitz sind Meister der körperbetonten Schauspielkunst, Gil verschafft mit ihrer Puppe dem Stück eine weitere zauberhafte Dimension. Da weiß man wirklich nicht mehr, wer besser spielt, die Darsteller oder die toten, lebendigen Puppen. Es ist kein Stück über Orpheus und Eurydike, sondern über das Theater, das Leben und die Liebe. Nicht ganz „zum sterben schön“, aber äußerst klug, berührend, sehenswert.
Termine bis 20. Oktober: www.landestheater.org.
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