Das Burgtheater gastierte im Festspielhaus

„Die gefesselte Phantasie“ war am Osterwochenende im Festspielhaus zu sehen.
Die farbigen Linien des Bodens rollen nach hinten und verlieren sich im schwarzen Bühnenhorizont. Ein bunter Haufen unterschiedlicher Gestalten wuselt dem Publikum entgegen und auch über die Bühnenränder hinaus.
Schnell wird der Heruntergefallene von der Gruppe hochgezogen. Im „allerliebsten Garten“ der Hermione scheint alles durcheinandergewürfelt. Würgend kommen die Wörter heraus. „Die Zauberschwestern müssen fallen“ und die Königin Hermione (Maria Happel) selbst kümmert sich darum. Langsam und höchst unglamourös kommt sie aus den goldenen Zacken des Bühnenbildes hereingetrudelt. Es ist Zeit für Verderben und Krieg. Später liegen die bösen schlangenhaften Zauberschwestern (Sarah Viktoria Frick und Elisa Plüss) trotzig auf dem Boden, seit einem Jahr plagt sich Hermione schon mit ihnen herum. Aber „Nein, Mann, sie wollen noch nicht gehen.“ Ein Narr springt über sie hinweg.

Erschöpfte Phantasie
Rhythmus, Überzeichnung und Witz bestimmen die Texte. Trotzdem mangelt es gerade an der Vorstellungskraft der dichtenden Inselbewohner, die im Wettstreit um die Königin Hermione mit „reichen Gefühlen“ und „kräftigen Gedanken“ um ihr Herz kämpfen sollen. Einen „würdigen Partner“ soll Hermione heiraten, um das Orakel Apollos zu erfüllen und Flora von den Zauberschwestern zu befreien. Doch die Phantasie (Tim Werths) ist erschöpft und gefesselt von den Zauberschwestern zu keiner Inspiration zu gebrauchen.
Wenn sich aber einer auf seine Phantasie verlassen kann, dann der Regisseur und Bühnenbildner Herbert Fritsch, dem bei der Inszenierung alle möglichen Verrücktheiten in die Hände fielen. Aus Ferdinand Raimunds „Die gefesselte Phantasie“ hat Fritsch eine schrille und überzeichnete Slapstick-Komödie gezaubert und dabei die Grenzen der Inszenierung ausgetestet. Der Sinn ergibt sich aus dem Wahnsinn. Quatsch, Blödeleien und Gags rücken in den Vordergrund. Nicht nur der Narr darf in seiner Absurdität glänzen, auch alle anderen Rollen hat Fritsch mit grotesker Kreativität ausgestattet, wo sie mit gelungenen Sprachspielereien, gemeinschaftlichem „Oh“ und „Ah“ und übertriebenem Gehabe wie ein Schwarm überdrehter Möwen zusammenkleben und als Sänger, Tänzer, Clowns oder mit Instrumenten bewaffnet ein einmaliges Theatererlebnis schaffen.
Im Duell der Dialekte
Der von Hermione ins Visier genommene Hirte Amphio (Bless Amada) präsentiert seine Reime, während um ihn herum ein Chor aus blökenden Lämmern krabbelt, mitten im Gedicht stehen sie auf und gehen. Währenddessen trottet Hermione unbeeindruckt im Hintergrund vorbei und die Zauberschwestern zappeln als geheime Agenten hängend in der Luft. Es sind die vielen humoristischen Details, welche das Stück zusammenhalten.
Körpereinsatz
Für reichlich Szenenapplaus sorgt beispielsweise auch der Narr (Markus Scheumann) der sein Gedicht mit viel Körpereinsatz vorwärts und rückwärts (!) zum Besten gibt. Nachtigall, der vertrottelte Harfenist aus Wien (Sebastian Wendelin) besticht durch seine Wandelbarkeit, ebenso die gesamten Inselbewohner, wenn sie mühelos zwischen den Rollen und Dialekten hin und her wechseln.
Ganz im Gegensatz zu allen anderen Figuren erscheint die Phantasie selbst nicht bunt und schrill, sondern ganz bizarr im Anzug, überlanger Krawatte und Aktentasche. Gekonnt nutzt Tim Werths seine langen Beine, und schreitet mit großen Schritten gegen die Wände, hüpft abwechselnd links und rechts auf der Bühne herum und pendelt im Ticktack der vergehenden Zeit. Im letzten Moment wird der von Hermione geliebte Amphio bei der Befreiung der Phantasie kräftig durchgeschüttelt und kann nun doch noch mit dem Kontrahenten Nachtigall (von den Zauberschwestern in goldene Montur getaucht) poetisch duellieren.
Gastspiel des Burgtheaters im Rahmen der Bregenzer Festspiele.