Igor Levit: Ein Pianist, der viel zu erzählen hat

Werke von Brahms, Fred Hersch, Wagner und Liszt waren beim Klavierabend von Igor Levit am Samstag zu hören.
Katharina von Glasenapp
Am zweiten Schubertiadewochenende gab Igor Levit zwei Konzerte. Nach dem dichten Solorecital am Samstagabend beendeten die beiden Klaviertrios von Schubert gemeinsam mit dem Geiger Renaud Capuçon und der Cellistin Julia Hagen die intensive Woche in Schwarzenberg.
Wie immer in seinen Programmen stellt der Pianist interessante Querbeziehungen her, stellt Werke vor, in denen ein anderes Instrument (wie die Orgel bei Brahms) oder die Klangfarben eines Orchesters (Wagners „Tristan“) intendiert sind, die für ihn komponiert sind (Fred Hersch) oder in denen seine pianistische Meisterschaft wie nebenbei präsentiert wird (Liszt). Igor Levit hat viel zu erzählen, in Tönen wie in Worten und Statements.
Mit den Choralvorspielen aus op. 122 von Brahms geht es buchstäblich um die „letzten Dinge“, nicht nur weil sie dessen letzten Kompositionen sind. Ursprünglich für Orgel komponiert, hat sie der Klaviervirtuose Ferruccio Busoni auf das Klavier übertragen, wobei die Vorstellung verschiedener Manuale, Pedale und Register erhalten bleibt. Bei Levit leuchten die Melodiestimmen aus dem dichten Begleitsatz heraus, bald mächtig brausend, bald in Stille versinkend taucht er in diese fast jenseitige Welt.
Keine Grenzen
Spieltechnische Grenzen scheint es für Levit nicht zu geben, immer wieder lotet er sie aus, gibt Aufträge oder spielt Repertoire, das andere Pianisten meiden (man denke an die Werke von Frederic Rzewski oder die „Passacaglia on DSCH“ von Ronald Stevenson, die er auch im Bregenzer Meisterkonzert vorstellte). So beginnen die „Songs without words“ des amerikanischen Jazzpianisten Fred Hersch zwar vergleichsweise harmlos als Verbeugung vor Chopin und Mendelssohn, doch verdichten sie sich immer mehr, klingen archaisch, farbenreich und münden in einem schwungvollen, kontrolliert jazzigen „Choro de Carnaval“ mit brasilianischen Glitzerrhythmen.
Das berühmte Vorspiel zu Wagners „Tristan“, das der ungarische Pianist Zoltan Kocsis auf das Klavier übertragen hat, klingt zunächst wie skelettiert, doch immer mehr Farben und Klangfülle werden hinzugemischt, bis es im Pianissimodunkel verschwindet. Dass die große h-Moll-Sonate von Liszt aus eben diesem dunklen Urgrund aufsteigt und in ihrer bis dahin einzigartigen durchkomponierten Form fiebrig gesteigert wird, macht Levit im direkten Übergang der beiden Werke deutlich.
Schwiegervater Liszt und Schwiegersohn Wagner waren fast gleichaltrig, beide haben auf ihrem Gebiet Musikgeschichte geschrieben. In Igor Levits Interpretation wechseln sich Spannung und Entspannung, Raserei und Innehalten, gläserne Klänge im oberen Register und tosende Urgewalten ab: Die abschließende Fuge ist ebenso fein ziseliert wie in rasendem Tempo durchgehalten, die Modernität von Liszts 1853 entstandener Sonate wird plastisch herausgearbeitet. Zum Abschied kehrte Igor Levit mit einem der späten Intermezzi zu Brahms zurück.
Katharina von Glasenapp