Ein Meisterquartett mit neuem Cellisten

Gestern startete das Schubertiade-Festival in Hohenems und zu Gast war das französische Quatuor Ebène mit Werken von Schubert, Haydn und Bartok.
Für fünf Tage kommen die Freundinnen und Freunde von Lied-, Klavier- und Kammermusik im Markus-Sittikus-Saal noch einmal zusammen, um einen letzten Abschnitt des Schubertiade-Festivals zu genießen. Am Donnerstag war das französische Quatuor Ebène mit einem der „Sonnenquartette“ von Haydn, mit dem dritten Quartett von Bartók und dem großen G-Dur-Quartett von Schubert zu Gast und begeisterte mit seiner wie immer ungemein dichten und intensiven Spielweise.
Reibungsloser Wechsel
Raphael Merlin, der langjährige Cellist des Ensembles, ist nunmehr als Dirigent und künstlerischer Leiter des Genfer Kammerorchesters tätig, an seine Stelle ist der junge japanische Cellist Yuya Okamoto getreten, der 2017 den Reine-Elizabeth-Wettbewerb in Brüssel gewann und wohl auch sehr viel Kammermusikerfahrung hat: Der Wechsel scheint ganz und gar reibungslos zu funktionieren, mit großer Konzentration, Achtsamkeit und Musizierfreude haben die Geiger Pierre Colombet und Gabriel Le Magadure und die Bratschistin Marie Chilemme den 29-jährigen Japaner ins Ensemble aufgenommen.

Shigeto Imura
Das zeigt sich gleich in den starken Impulsen, mit denen Haydns g-Moll-Quartett op. 20/3 anhebt und in denen ein stetes Pendeln zwischen Moll und Dur, zwischen hell und dunkel, brummiger und fröhlicher Haltung auffällt: Die Spannung wird ausgereizt, aber nicht überdehnt. Melancholisch, mit einem empathischen Sext-Sprung und feinen Farbwechseln ist das Menuett an zweiter Stelle gefasst, im Trio dominiert Achtelbewegung. Im ausgedehnten langsamen Satz darf die erste Violine aussingen, zart und atmend begleitet von den Unterstimmen, im filigranen Finale tanzt das Quartett auf den Bogenspitzen.
Selten ist bei der Schubertiade ein Werk von Béla Bartók zu hören, es zeigte sich, wie modern die Tonsprache und Instrumentenbehandlung in dessen drittem Quartett aus dem Jahr 1929 ist. Verschiedenste Spieltechniken und Klangfarben, fahles Licht und bohrende Intensität machte das Quatuor Ebène in seiner Interpretation erlebbar. Das dichte durchkomponierte Werk lebte von der großen Bandbreite des Ausdrucks zwischen höchster Expressivität und zerbrechlicher Zartheit. Das Publikum würdigte die Interpretation mit Bravorufen.
Risikofreudige Kollegen
Schuberts großes letztes Quartett in G-Dur D 887 wirkt für sich schon zukunftsweisend in seiner weit gespannten Dynamik, den rauen Spannungsklängen und der manchmal fast verzweifelten Zerrissenheit. Von Bartók her kommend hörte man es von den Ebènes wie ein verwandtes Werk mit sich aufbäumenden Passagen und Brüchen. Im relativ langsamen Tempo des ersten Satzes stimmten Bratsche und Cello ein schwerelos schwingendes Duett an, auch im langsamen Satz entwickelten sich Linien voll Sehnsucht und unendlicher Zartheit. Die vibrierende Energie des Scherzos kontrastierte mit dem selig entrückten Trio-Mittelteil, im Finale ließen sich die Bratschistin und ihre risikofreudigen drei Kollegen vom pulsierenden Drive anstecken. Das französische Meisterquartett wird weiter aufhorchen lassen: auch wenn so eine Übergangsphase spezielle Herausforderungen bietet, trägt die musikantische Leidenschaft über vieles hinweg!
Katharina von Glasenapp