Reifenspuren und verborgene Welten

Das Künstlerhaus Bregenz zeigt zwei neue Ausstellungen von Hubert Dobler und „The Lala International Art Collective“.
Hubert Dobler hat sein Kunstwerk im Künstlerhaus Bregenz auf dem Boden gemalt – oder eigentlich malen lassen von einer künstlerischen Akteurin in Motorradgestalt, die selbst als Teil des Werks im Erdgeschoss zu sehen ist und mit einem durch die Wand gehenden Lenker für das ultimative Freiheitsgefühl steht.
Abdrücke
„Motorräder gehören ins Museum“, sagt Dobler. Er selbst sei mit dem Fahrrad da. Seit über zwanzig Jahren beschäftige er sich mit den „Spuren, die wir hinterlassen.“ Er möchte die unsichtbaren Abdrücke der Mobilität ins Bewusstsein rücken und „die Straße nach innen bringen.“ Die Malerei aus abgeriebenem Reifengummi mache sichtbar, was auf der Autobahn verschwindet. „Das sind Spuren, die wir im Alltag machen und die in einer komprimierten Form visuell sichtbar werden. So schaut das im Prinzip aus, wenn die Judy herumfährt – hier oder in der Landschaft.“

Mit viel Energie und durchgedrehten Reifen hat Judy Kreise gezeichnet, die den Außenraum mit dem Innenraum verbinden und schon beim Betreten des Künstlerhauses die Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Um in die Räume des Palais zu gelangen, geraten die Besucherinnen und Besucher in direkten Fußkontakt mit der Reifenmalerei. „Jeder der hereinkommt, macht auch Spuren.“, eine Erfahrung, die Dobler als interaktiven Teil der Ausstellung mitgedacht hat.
Dobler spielt mit dem ökologischen Bewusstsein der Menschen, aber auch mit der physischen Kraft der Maschinen selbst, die er in seinen Experimenten vom üblichen Zweck befreit. Seine Installationen drehen sich abstrakt um die Fragen nach Mobilität, Fortschritt und Freiheit und tatsächlich um sich selbst. Die Videos davon sind im Keller zu sehen.

Feministischer Ansatz
Einen völligen Kontrast dazu bietet die Gruppenausstellung in den oberen Stockwerken. Unter dem Titel „What this awl means“ hat das vor drei Jahren gegründete Frauenkunstkollektiv The LaLa international art collective eine Wanderausstellung konzipiert, die in ganz unterschiedlichen Zugängen Geschichten verborgener (Traum)-Welten erzählt und jeweils auch einen Blick auf lokale Künstlerinnen der Vergangenheit wirft.
„Wenn wir an einem Ort eine Ausstellungsmöglichkeit fürs Kollektiv haben, dann gehen wir in die Museen und suchen uns verstorbene Künstlerinnen, die uns inspirieren“, beschreibt die Künstlerin Ulli Knall, die im Archiv des Vorarlberg Museum nach den Werken verstorbener Künstlerinnen suchte. Zusammen mit den anderen Mitgliederinnen des Kollektivs Christiane Bergelt, Liz Elton, Vanessa Mitter und Paige Perkins seien dann im Zoom-Meeting die vier Künstlerinnen Flora Bilgeri, Mila Bjelik-Stöhr, Anne Marie Jehle und Gesine Probst-Bösch ausgewählt worden – Künstlerinnen, die zu ihren Lebzeiten kaum Erfolg und Ausstellungsmöglichkeiten gehabt hätten.

Vergänglichkeit
Es sei schwierig gewesen, überhaupt Informationen über die verstorbenen Künstlerinnen zu bekommen. „Das steht nirgendwo im Internet, aber Gesine Probst-Bösch hat einen Tag vor ihrer Soloausstellung Selbstmord begangen.“ Über die schicksalshaften Ereignisse in den Leben der Künstlerinnen gäbe es keine Biografien oder Wikipedia-Einträge, das erfahre man dann nur, wenn man Menschen trifft, die das miterlebt haben, beschreibt Ulli Knall. „Wir haben versucht, die Ausstellung so zu hängen, dass Bezüge zwischen den einzelnen Künstlerinnen vorkommen.“ Auf ganz unterschiedlichen Weisen näherte sich das Künstlerinnenkollektiv in ihren Werken der Vergangenheit und den Erkenntnissen ihrer weiblichen Vorgänger an.

Liz Elton präsentiert Fotos von Biomüllabfällen und Installationen aus organischen Materialien mit beschränkter Lebensdauer. In Flora Bilgeris Werken geht’s um die Gegenüberstellung mit dem Tod. Paige Perkins beschäftigt sich in ihren surrealistisch anmutenden Werken mit Geistwesen, Wahnvorstellungen und dem Unterbewusstsein. Christiane Bergelt verhandelt in abstrakten Arbeiten Körper und Materie. Vanessa Mitters Werke sind voll und gestisch und stellen die weibliche Erfahrung in den Mittelpunkt. Von Mila Bjelik-Stöhr ist ein Selbstportrait zu sehen. Gesine Probst-Bösch ist mit stark abstrahierten Figurationen vertreten und Anne Marie Jehle konfrontiert in feministischen Arbeiten mit der Tatsache, dass Frauen damals kaum Chancen hatten, in der Kunstwelt ernst genommen zu werden.

Ulli Knall selbst bewegt sich – wie sie sagt – „an der Schnittkante zum Kitsch“. Hinter niedlichen pastellfarbenen Porzellanobjekten verbergen sich makabere Figuren, die eine friedliche, naturbehaftete Fantasiewelt mit abstoßenden Elementen bereichern. „Das ist für mich ein ehrlicher Ausdruck von der Realität des Menschseins, weil die Natur und unser Dasein nicht immer nur schön sind.“, beschreibt Knall.
Berufsvereinigung bildender Künstlerinnen und Künstler: Hubert Dobler und „What this awl means“: Bis 19. November, Künstlerhaus Palais Thurn & Taxis, Bregenz.