Kultur

Regionale Kunst als Büroschmuck

31.10.2023 • 23:00 Uhr / 5 Minuten Lesezeit
Der Vetter Pharma Standort in Rankweil <span class="copyright">Wolfgang Ölz</span>
Der Vetter Pharma Standort in Rankweil Wolfgang Ölz

Seit 2009 baut Kirsten Helfrich eine Kunstsammlung für Vetter Pharma auf. Zunächst am Stammsitz in Ravensburg. Seit 2016 auch in Rankweil, wo das Sammlungsinteresse der regionalen Vorarlberger Kunst gilt.

Kirsten Helfrich ist im Land als Miss Kunstvermittlung des Kunsthauses Bregenz ein Begriff. Sie ist auch selbst als Künstlerin tätig und hat etwa für die Kunst Vorarlberg in Feldkirch berührende, im Gedächtnis bleibende Installationen geschaffen. Als Kunst-Ankäuferin des Landes Vorarlberg hat sie das Kaufen von Kunst geübt. Nun kann sie das bei Vetter Pharma fortsetzen.

Kirsten Helfrich mit Ilse Aberer  <span class="copyright">Wolfgang Ölz</span>
Kirsten Helfrich mit Ilse Aberer Wolfgang Ölz

Entscheidung für regionale Kunst

Beim Land und auch bei Vetter Pharma ist die sogenannte Flachware, die als „Büroschmuck“ dient, Hauptgegenstand der Sammlungstätigkeit. Hin und wieder gibt es schon was Dreidimensionales, aber in einem modernen Büro stören Skulpturen die Putzroboter. Da ist ein Bild an der Wand einfacher zu handeln. Die Entscheidung für regionale Kunst ist jedenfalls lobenswert. Große Namen, bei denen man auf einen Wertzuwachs spekuliert, werden nicht angestrebt, sondern das kulturelle Umland der Standorte, sei es nun in Vorarlberg oder in Oberschwaben, gestärkt und gute Künstler der Region angekauft, nicht nur ausgestellt. Der über 10.000 Quadratmeter große Standort von Vetter Pharma beim Autobahnanschluss Rankweil hat 62 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, zum Teil arbeiten dort auch Vorarlberger Arbeitnehmerinnen. Hier in Rankweil werden kleine Mengen innovativer Medikamente für klinische Studien von Pharma- und Biotechunternehmen hergestellt. Nach erfolgreicher Zulassung produziert Vetter die Medikamente in hoher Stückzahl an Standorten im nahen Ravensburg und Langenargen in Deutschland.

Bianca Tschaikner <span class="copyright">Wolfgang Ölz</span>
Bianca Tschaikner Wolfgang Ölz

Gut fürs Arbeitsklima

Die kluge Auswahl der Vorarlberger Künstlerinnen und Künstler gibt dem „hochmodernen pharmazeutischen Standort“ so etwas wie eine Seele. Auch wenn Udo J. Vetter, der Sohn des Gründers Helmut Vetter, etwas flapsig davon spricht, dass man seine Religion am Empfang abgeben müsse, weil bei Vetter herrsche die Religion Qualität, ist es doch die Kunst, die doch ihre Wurzeln aus dem Kult hat, die das Arbeitsklima bei der aseptischen Abfüllung von Arzneimitteln entscheidend heben kann. Die Räume werden mit Kunst nicht nur verschönert, Kunst ist ein elementares Bedürfnis des Menschen und somit sehr gut fürs Betriebsklima. Jedenfalls kann man die (privaten) Käufer im Land an einer Hand abzählen, wie Marbod Fritsch beim Presserundgang anmerkt: Dornbirner Sparkasse, Illwerke, Otten – viel mehr sind es nicht. Fritsch, der soeben ein veritables Künstlerbuch herausgebracht hat, ist durch explosive Liniengeflechte vertreten. Das Auseinanderdriften der Form sucht nach dem Unpräzisen, ein Gegenteil dessen, was Vetter Pharma will: Präzision und Sicherheit wie in der Raumfahrttechnik.

Ilse Aberer <span class="copyright">Wolfgang Ölz</span>
Ilse Aberer Wolfgang Ölz

Entspannende Formen

Ilse Aberer ist eine renommierte Künstlerin im Land. Sie ist der konkreten Kunst zuzuordnen. Seit Jahren arbeitet sie mit der geometrischen Form des Quadrates. Dazu gibt es im Eingangsbereich eine farbenfrohe Reihe aus Ausschnitten von Quadraten. In einem Besprechungszimmer hängt ein Werk aus einer früheren Phase: Kreisausschnitte formen sich zu einem harmonischen Gebilde. Der Kreis war wie das Quadrat ein wichtigr Bestandteil ihrer Arbeit. Hier, wo Strategien beraten werden und miteinander diskutiert wird, kann die Form entspannend wirken.

Bianca Tschaikner ist durch ihre bunten Illustrationen vertreten. Die Erläuterungen zur Vorarlberger Mentalität (spära, körig tua, schaffa schaffa, …) passen gut in das Unternehmen mit Stammsitz in Ravensburg, weil die alemannischen Schwaben von ihrem Lebensstil her dem Vorarlberger way of life sehr vergleichbar sind. Allerdings ist bei der künstlerischen Verbreitung solcher Klischees wenig Platz für die Wirklichkeit, wie sie sich tatsächlich darstellt. Die verkappte bäuerliche Lebensart mit latenter Tendenz zur Verklärung des eigenen Bodens und Feindlichkeit gegenüber allem Andersartigen wird hier zu einem soziologischen Befund, über den sich maximal Schmunzeln, aber nicht ernsthaft reflektieren lässt. Weitere Künstlerinnen und Künstler, die angekauft wurden, sind etwa Miriam Prantl oder Manfred Egender. Insgesamt umfasst die Sammlung 1000 Werke. 1950 als Apotheke gegründet, ist Vetter heute ein Weltmarktführer bei der keimfreien Abfüllung von Medizin in Spritzen. Der Ankauf von regionaler Kunst ist eine gute Sache. ­Vorarlberger private und öffentliche gesellschaftliche Player sollen sich daran ein Beispiel nehmen.

Von Wolfgang Ölz