Kultur

Sensorisches Erleben auf Pessoas Erde

09.11.2023 • 23:00 Uhr / 5 Minuten Lesezeit
Die Installationen von Solange Pessoa im Kunsthaus Bregenz. <span class="copyright">roland paulitsch</span>
Die Installationen von Solange Pessoa im Kunsthaus Bregenz. roland paulitsch

Das Kunsthaus Bregenz eröffnet heute die neue Ausstellung der brasilianischen Künstlerin Solange Pessoa.

Mit natürlichen Materialien bringt Solange Pessoa eine sensorische Erfahrungswelt ins Kunsthaus Bregenz. Zentraler Bestandteil ihrer Werke ist die Natur in ihrer ursprünglichen Form verbunden mit den geschichtlich inspirierten Einflüssen und fantastischen Elementen, mit welchen Pessoa unbekannte kosmonautische Realitäten darstellt.

Organische Materie

Die Ausstellung ist so organisch, dass es nach Erde riecht, weil der komplette Boden im ersten Stock damit bedeckt ist. Darauf verteilt sind Leinensäcke, die im Raum verstreut und zu Wänden zusammengenäht als atmosphärische Basis dienen für die vielen unterschiedlichen Wurzeln, Samen, Getreide und Gewürze aus Österreich und Brasilien. Symbolisch stehen sie für die guten Beziehungen der beiden Länder und die möglich gewordenen Brasilien-Expeditionen der europäischen Forscher, nachdem die habsburgische Erzherzogin Leopoldine mit dem Kronprinz Pedro I. aus dem portugiesischen Königshaus Braganza verheiratet wurde.

Die 1961 geborene Pessoa stammt aus dem Bundesstaat Minas Gerais, dem seit Kolonialzeiten größten Bergbauzentrum Brasiliens. Dass die Erde aus den Tiefen heraus- und weggenommen werde, habe die Künstlerin auch in ihrer Psyche beschäftigt, weshalb dieser Aspekt auch in ihre Arbeit einfließe. Ein Video im Erdgeschoss zeigt die flüssige Bronze auf schwarzem Sand, womit Pessoa Zustände und Veränderungen der Substanzen fokussiert und einen Bezug zu kosmischen Einflüssen herstellt.

Die brasilianische Künstlerin Solange Pessoa. <span class="copyright">roland paulitsch</span>
Die brasilianische Künstlerin Solange Pessoa. roland paulitsch

Die Erde speichere Erinnerungen und sei das Fundament unseres Daseins, beschreibt Pessoa im Gespräch mit Kub-Direktor Thomas D. Trummer. Als Übersetzer konnte der in Bregenz ansässige Honorarkonsul für Brasilien Lothar Ernest Wolff gewonnen werden. Ein Gefühl für diese Erinnerungen möchte die Künstlerin in ihrer Ausstellung ermöglichen und dabei auch die Ruhe, die Kraft und die Unendlichkeit, die sich in der Erde befinden, zugänglich machen.

Primitive Elemente

Ein Gespür der Weitläufigkeit schafft die Künstlerin auch einen Stock höher, wo jeweils zweiteilige schwarze Objekte den Raum für sich einnehmen. Sie erinnern an Organe aus denen Federn, Wolle, Blätter oder Heu hervorgehen. Tatsächlich handelt es sich um rundlich faltige Bronzeskulpturen überzogen mit schwarzer Patina, an denen Pessoa bereits seit 2012 arbeite. „Erst jetzt ist es mir gelungen, sie fertigzustellen.“ Die Arbeiten seien angelehnt an amorphe Strukturen und eine primitive imaginäre Natur.

Pessoas mythisch-rituelle Arbeiten vermitteln eine eigentümliche rohe Atmosphäre, welche einerseits eine friedliche Seelenruhe ausstrahlt, anderseits aber auch das Makabre und leicht Abstoßende beinhaltet. In ihrer Kunst sei das Gegensätzliche wichtig – vom Lebenszyklus zum Tod und der Kultur in der Natur. Zudem verbindet die Künstlerin die Elemente der Natur auch mit einer übernatürlichen Gedankenwelt und der Unendlichkeit, die in den unbekannten fremd anmutenden Formen zum Ausdruck kommen.

Die Installationen von Solange Pessoa im Kunsthaus Bregenz. <span class="copyright">roland paulitsch</span>
Die Installationen von Solange Pessoa im Kunsthaus Bregenz. roland paulitsch

Animalisch

Eine düstere Installation aus Hühner-, Gänse- und andern Vogelfedern erstreckt sich im oberen Geschoß schwebend über die Decke, wie ein hohler Baum aus einer dystopisch fremden Realität. Durch einen Tunnel darf man in die Dunkelheit blicken. Rund um diese Installation „Miracéus“ hängen an den Wänden schwarz-weiße Ölgemälde mit runden animalischen Formen – Tiere und Wesen aus vergangen Leben, die auf den Bildern in ihren Bewegungen sichtbar geblieben sind. Die Bilder erinnern an die Serie Sonhíferas, die Pessoa unter anderen bei der Biennale 2022 in Venedig präsentiert hat.

Sogar für die Künstlerin selbst sei es „absurd“, dass die großen Ausstellungsobjekte mit den ganzen Federn nun im Kunsthaus sind, aber sie freue sich. Die vielen Materialien ins Kunsthaus zu importieren, sei auch für Trummer ein besonderes Erlebnis gewesen: „Sie müssen bedenken, so etwas kann nur das Kunsthaus Bregenz“, denn gemeinsam mit den natürlichen Materialien (Erde, Pflanzen, Tierisches) bringe man auch „andere Dinge“ wie Bakterien oder Pilze rein – ebenjene invasiven Elemente, vor denen sich andere Häuser und Museen „schützen müssen“.

Die Installationen von Solange Pessoa im Kunsthaus Bregenz. <span class="copyright">roland paulitsch</span>
Die Installationen von Solange Pessoa im Kunsthaus Bregenz. roland paulitsch

Solange Pessoa: Eröffnung heute, 19 Uhr, Kunsthaus Bregenz.