„Es ist ein Herzensprojekt“

Interview. NEOS-Parteigründer Matthias Strolz spricht über sein neues Musikprojekt, die Kooperation mit seinem Partner Kurt Razelli, über das elektronische Konzeptalbum und warum unerwartet viel Gewalt in manchen Texten vorkommt.
Es gibt berühmte Beispiele von Schauspielern oder Kabarettisten, die beschließen Politiker zu werden. Du wählst den umgekehrten Weg und bist jetzt Musiker. Warum?
Matthias Strolz: Weil mein Herz mich dorthin ruft. Ab und zu fragt mich meine Ratio, ob das richtig ist, aber mein Bauch und mein Herz sagen ja, und darum mach ich weiter. Eines ist klar: Die Welt hat nicht auf mich als Künstler gewartet, auf uns als Formation Razelli/Strolz. Es ist ein Herzensprojekt von mir und ich bin ein 50-jähriger Lehrling, der sich langsam an die Musik herantastet. Es macht viel Freude, ist mittlerweile aber auch sehr viel Arbeit, wir gehen das sehr ernsthaft an.
Vor fünf Jahren hast du bereits mit Kurt Razelli das Album „Lost in Space“ aufgenommen. Ist das aktuelle Album „Back to Earth“ das logische Nachfolgealbum?
Strolz: Musikalisch ist es etwas komplett Neues. Von der Geschichte her ist es eine Fortsetzung. Kurt Razelli und ich haben uns kennengelernt, weil er ungefragt meine Parlamentsreden elektronisch geremixt hat. Das hat eine große Resonanz im Netz hervorgerufen. Teil unseres gemeinsamen Albums war dann auch der augenzwinkernde Track „Mein Klostertal“, wo ich über mein „Hood“ rappte. Nach meinem Ausstieg aus der Politik habe ich mich vermehrt um meine Familie gekümmert. Ich hatte also keine Zeit für eine Tour. Das Konzert im Wiener Flex, das sofort ausverkauft war, war die Ausnahme. Siebenhundert Leute und in der ersten Reihe oberkörperfreie Männer mit Europasternen auf der Brust. Damit hatte ich nicht gerechnet. Dieser Auftritt hat mich berührt, aber die Zeit war noch nicht reif für mehr.

Und jetzt ist sie es?
Strolz: Letztes Jahr im Sommer habe ich mich mit Kurt wieder getroffen und wir haben gemerkt. Jetzt machen wir weiter. Wir waren mit unserem ersten Album „Lost in Space“, und sind nun mit dem neuen Album zurück auf der Erde. Wir kommen zurück auf den Planeten und fragen uns: Was ist denn hier los? Die Protagonisten des Albums wollen das Abenteuer Mensch neu schätzen lernen, und auch ich als Musiker bin oft zu Tränen gerührt, wenn ich uns Menschen anschaue. Wir haben die Verbindung zum großen Ganzen verloren, ansonsten könnten wir keinen Panzerkrieg führen. Andererseits sind wir mit so vielen Talenten ausgestattet, die wir für die Gemeinschaft nützen können. Das ist die ambivalente Geschichte, die wir musikalisch erzählen wollen.
„Ich muss siegen“, das erste Video zum neuen Album, ist überraschend gewalttätig, wie passt das zusammen?
Strolz: Der Krieg springt uns Rückkehrern als erstes ins Auge, wenn wir auf die Menschen sehen. Und trotzdem: Ich habe den Krieg in der Ukraine nicht kommen sehen. Irgendwann wird hoffentlich Frieden kommen. Der Überfall von Putin auf die Ukraine hat mir so die Sprache genommen, da musste ich einen Song darüber schreiben. Ja es ist Krieg und ich wollte es auch so benennen. Der Kurt tickt da etwas anders. Er ist für das elektronische zuständig. Meistens wenn ich im Ausland bin, kommen mir nachts die Texte, dann spreche ich sie aufs Handy und schicke sie Kurt. Zwei Wochen später erhalte ich seine musikalische Antwort und dann setzen wir uns ins Studio und basteln weiter. Ich bin Vocalist, ich spreche. Viel singen tue ich ja nicht, weil ich es nicht gut kann. (lacht). Aber ich habe jetzt zu meinem 50er Gesangsgutscheine von meiner Familie geschenkt bekommen.
Was sind die Inhalte des neuen Albums?
Strolz: Die Welt an sich ist momentan sehr bedrückend. Wir haben eine Suchspannung, in der wir aus dem Erdrückenden herauswachsen wollen und Wege aus der depressiven Grundstimmung suchen. Wir wollen Bewältigungsstrategien für unsere Welt. Spiritualität und Psychoanalyse sind zwei große Geschenke an uns, die ich auf diesem Album eingearbeitet habe. Das Wissen, dass wir eingewoben sind in ein Ganzes, das wir mehr sind als einzelne Menschen, leitet uns. Vielleicht habe ich zu viele Bäume umarmt, aber es wäre mal eine Idee, dass sich alle ParlamentspolitikerInnen vor der Sitzung einen Baum im Rathauspark suchen und den umarmen. Diese Sitzung würde anders verlaufen. Geerdeter, gesitteter, gemeinsamer. Ja, es ist auch ein spirituelles Album. Unserer Generation ist die Spiritualität der katholischen Kirche nicht mehr so zugänglich, auch wenn ich noch ein kritisches Mitglied bin. Daher suchen wir andere Eindrücke und Ausdrucksformen. Ich habe für das Album viele Impulse aus Indien mitgenommen.
Am Samstag war ursprünglich ein Konzert im Conrad Sohm in Dornbirn geplant. Warum ist dieses abgesagt worden?
Strolz: Leider mussten wir unsere Konzerte in Dornbirn, Graz und Salzburg absagen, da die Buchungslage so ist, dass wir die Kosten für die Lichtshow und das Technikteam nicht decken konnten. Das Konzert in Innsbruck am Freitag und das in Wien am 30. November werden jedoch stattfinden und wir freuen uns darauf. Weitere Termine für 2024 sind bereits in Planung.
Von Daniel Furxer