Kultur

„Wir haben alle Zeit der Welt“

16.11.2023 • 22:55 Uhr / 5 Minuten Lesezeit
Sha, Nik Bärtsch und Nicolas Stocker, v.l. <span class="copyright">Claude Hofer</span>
Sha, Nik Bärtsch und Nicolas Stocker, v.l. Claude Hofer

Interview. Der Schweizer Jazz-Musiker Nik Bärtsch und seine Band spielen von Samstag bis Sonntag ein 24 Stunden langes Konzert, bei dem das Zeitgefühl im rituellen Zuhören auch verloren ­gehen darf.

Im Rahmen der Montforter Zwischentöne wird die Band „Nik Bärtsch‘s Mobile“ von Samstag 16 Uhr bis Sonntag 16 Uhr ganze 24 Stunden durchgehend im Montforthaus Feldkirch zu erleben sein. Mit ihrer rein akustischen Musik erschafft das Musikertrio Sha (Bassklarinette, Altsaxophon, Perkussion), Nicolas Stocker (Drums, Perkussion) und Nik Bärtsch (Piano, Perkussion) unterstützt von Szenograph Daniel Eaton Klangwelten, die sich entwickeln und entfalten. Die Neue hat mit Nik Bärtsch über dieses besondere Konzert gesprochen.

Das heurige Motto der Montforter Zwischentöne lautet „Was trägt?“. Was trägt Sie?
Nik Bärtsch: Bei diesem speziellen Konzertformat trägt mich die Ruhe und die Zeit, die wir haben, um unsere Musik entwickeln zu können. Wir spielen entlang einer Dramaturgie und haben alle Zeit der Welt, diese zu entwickeln. Es gibt zwar fünf Hauptkonzerte (um 16, 20, 24, 8 und 12 Uhr), in der die ganze Musik verdichtet wird, dazwischen haben wir aber viel Raum, um die Musik zu gestalten und zu verwandeln. Dabei spielen wir alle gemeinsam auf der Bühne, dann wieder im Solo oder im Duo. In einer Welt, in der es oft um kurze Events geht, haben wir uns entschieden, ein rituelles Konzert zu spielen. Die Zuhörer und Zuhörerinnen können sich auf die Musik einlassen, kommen, gehen und sich auch hinlegen. Es kann ein aktives Zuhören sein oder eines im Dösen oder eines, das mit in den Traum einfließt.

Konzertfoto <span class="copyright">Antoinette Berta</span>
Konzertfoto Antoinette Berta

Wie viel ist fix, wie viel improvisiert ihr?
Bärtsch:Unser Konzert ist modular aufgebaut. Wir haben eine Sanduhr auf der Bühne, die vier Stunden läuft, wir unterteilen es also in sechs mal vier Stunden. Das heißt aber nicht, dass sich nach vier Stunden alles wieder identisch wiederholt. Vielmehr werden Motive wieder aufgegriffen, weiterentwickelt und ausgebaut. Wer längere Zeit dabei bleibt, wird dies deutlich hören können. Es gibt dabei aber keinen Zwang, immer neues zu kreieren. Ja natürlich, es wird improvisiert, aber nicht in der klassischen Abfolge des Jazz mit Chorus, Verse und Soloimprovisation. Es ist eine Improvisation im Sinn des Umgangs mit dem Material im Dienste der Dramaturgie.

Welchen Stil spielt ihr?
Bärtsch: Ich würde sagen, es ist Minimal Music mit Groove, verteilt auf lange Dramaturgien, in denen man auch mal das Zeitgefühl verliert. Es wird rhythmisch dichte Stellen geben, ebenso wie meditative Teile. Ich selbst habe den Begriff der Ritual Groove Music für diese musikalische Haltung gewählt, weil das ganze Konzert eine rituelle, spirituelle Note hat – im ganz einfachen und natürlichen Sinne: Menschen kommen friedlich für die Kunst zusammen, verweilen längere Zeit und lassen sich voll und ganz auf die Musik ein. So wie dies auch schon in vielen Jahrhunderten zuvor in verschiedenen Zusammenhängen passiert ist. Es soll ein meditatives Gemeinschaftserlebnis entstehen, das über ein normales Konzert von 90 Minuten hinausgeht.

Wie kann man so lange konzentriert spielen?
Bärtsch: Was uns ausmacht ist, dass wir in diesen 24 Stunden gut aufeinander schauen. Was braucht der andere im Moment? Braucht er eine Pause, einen musikalischen Input oder gerade was zu essen? Wir tragen Sorge füreinander, musikalisch und sozial, das ist uns ganz wichtig. Die Kunst ist, so über diese Zeit auch die Spannung zu halten, damit die Energie im Fluss bleibt. Ich sehe das oft als ein Feuer, zu dem jeder einzelne Sorge trägt, damit es nicht erlischt.

Von Daniel Furxer