Kultur

Wo Vorarlberger Namen herkommen

20.11.2023 • 20:28 Uhr / 6 Minuten Lesezeit
Hubert Allgäuer bei der Präsentation des etymologischen Lexikons der Vorarlberger Familiennamen in Hohenems. <span class="copyright">(C) Stiplovsek Dietmar</span>
Hubert Allgäuer bei der Präsentation des etymologischen Lexikons der Vorarlberger Familiennamen in Hohenems. (C) Stiplovsek Dietmar

Die Bedeutung von 17.734 Vorarlberger Familiennamen hat der Sprachforscher Hubert Allgäuer in seinem neuen Werk erforscht.

Im Bregenzerwald heißen besonders viele Leute Fink oder Feu(e)rstein, die meisten „Dürr“ sind in Alberschwende zu Hause und generell der häufigste Familienname in Vorarl­berg ist „Müller“ und wird hier genau 2159 Mal verwendet, sofern der Namensforscher Hubert Allgäuer niemanden übersehen hat. „Früher gab es einfach Mühlen, Mühlen, nochmals Mühlen, deswegen ist der Name häufig und er wird noch lange, lange Zeit häufig bleiben, obwohl der Beruf eigentlich fast ausgestorben ist“, erläutert Allgäuer die Herkunft und Verbreitung der Familiennamen.

Die richtigen Deutungen

Bei gängigen Berufsnamen wie Jäger, Fischer, Schneider oder eben Müller sei es überhaupt kein Problem, die Bedeutung herauszufinden. Anders sei es bei jenen Namen, die den Leuten meistens unbekannt sind und etymologisch völlig falsch gedeutet werden. Der rätoromanische Name Barbisch werde bei uns nicht einmal richtig betont. „Es heißt Barb-i-sch“ (mit Betonung auf dem i) und bedeute nicht „Barbier“, wie man in den Büchern im Montafon nachlesen kann, sondern gehe auf das rätoromanische barbeisch für „Witter“ zurück, erklärt Allgäuer. Auch die Interpretation „Frühaufsteher“ des Namens „Baldauf“ sei in fast allen Büchern falsch. Im Interview beschreibt der Namensforscher, wie er die richtige Deutung herausgefunden habe: „Unsere Namen gehen zurück auf das Mittelhochdeutsche. Im Mittelhochdeutschen gibt es das Adjektiv bald und das heißt mutig, kühn. Es gibt den urkundlichen Beleg für „Baldolf.“ Der zweite Teil ist nichts anderes als ein verschobenes oder verschrobenes Wolf. Der Baldauf ist nicht, wie in einigen Büchern steht, ein Frühaufsteher, sondern der mutige Wolf.“

Etymologisches Lexikon der Vorarlberger Familiennamen
Etymologisches Lexikon der Vorarlberger Familiennamen

Mehrere Möglichkeiten

Wer wissen will, woher der eigene Familienname kommt und welche Bedeutung er ursprünglich hatte, kann das in den beiden „drei Kilo Sechzig schweren Bänden“ des etymologischen Lexikons nachlesen, die kürzlich erschienen sind. Darin hat Allgäuer auf 1521 Seiten insgesamt 17.734 Namen erfasst und auf ihre Bedeutung zurückgeführt. „Es gibt Namen, da habe ich mehr als eine Seite gebraucht, um die verschiedenen Möglichkeiten zu erklären“, beschreibt Allgäuer, der teilweise pro Namen mehrere verschiedene Etymologien untergebracht und auch solche hineingeschrieben hat, von denen er nichts halte. Zwischen den Zeilen könne man dann lesen, dass die Bedeutung sehr fraglich oder laut Autor sowieso unwahrscheinlich sei.

Wie Allgäuer beschreibt, hätten die Leute bei unverständlichen Wörtern die Namen einfach an bekanntere herangeschoben. „Das nennt man Volks-Etymologie.“ Zum Teil seien die Geistlichen bemüht gewesen, die Mundartformen ins Hochdeutsche zu übertragen. „Manchmal ist es gelungen und manchmal ging es daneben.“ So habe es um die Geburtszeit von Mozart herum den Namen „Khuene“ und „Kühni“ in allen Schreibformen gegeben, was auf „Konrad“ zurückgeht. Mitte des 18. Jahrhunderts habe ein Geistlicher aus Lustenau die Namen durch „König“ ersetzt. „Das heißt, König ist ein sehr häufiger Name in Lustenau.“

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(C) Stiplovsek Dietmar

Aus Unwissenheit

Begonnen habe das Projekt mit dem etymologischen Familiennamenbuch Rankweil. „Ich bin draufgekommen, dass viele keine Ahnung davon haben, was ihre Namen bedeuteten.“ Von den 3000 Rankweiler Nachnamen habe er 2500 im Buch ausführlich behandelt. In den fünfeinhalb Jahren Arbeitszeit, die er für das „Etymologisches Lexikon der Vorarlberger Familiennamen“ gebraucht habe, seien ihm viele überraschende Details untergekommen. „Wenn ich zurückblicke, habe ich mich eigentlich immer dafür interessiert. Woher kommen diese Dinge und was bedeuten sie grundsätzlich. Ich möchte auch den Leuten weitergeben, was ihr Name bedeutet.“ Manche Bedeutungen seien sehr negativ, das stehe natürlich auch drin.

Recherchiert hat Allgäuer vor allem in Büchern, etwa in dem neunbändigen Werk von Werner Vogt oder in Kirchenmatriken, wo man die Namen „in allen möglichen und fast unmöglichen Schreibvarianten findet“. Die ältesten urkundlichen Belege konnte er auf die Zeit um 1300 zurückführen. „Man konnte auch bei uns anfangs die Nachnamen wählen – für kurze Zeit. Etwa um 1500 war die Zweinamigkeit gang und gäbe. Wenn die urkundlichen Belege erst bei 1600, 1700 beginnen, dann waren es meistens Zuwanderer.“

Wie weit sich Namen im Laufe der Zeit von ihrer ursprünglichen Form verändert haben, sehe man beispielsweise an den 230 unterschiedlichen Varianten, die es in Vorarlberg von „Johann“ gibt – einem der vielen „Heiligennamen“, die genauso als Familiennamen verwendet werden. An einem österreichweiten Lexikon werde Hubert Allgäuer nicht arbeiten: „Unmöglich!“ Sein nächstes Projekt sei noch geheim, aber der Forscher sei bereits am Sammeln der Literatur.