Wenn Aschenputtel erwachsen wird

Das Musiktheater Vorarlberg führt Rossinis Aschenputtel-Oper „La Cenerentola“ in moderne Fassung auf. Ein Probenbesuch.
Corinna Scheurle sitzt auf einer karierten Holzwürfeltreppe. Aus völliger innerer Ruhe, singt sie mit in samtige Tiefe ausbalancierter Stimme ihr leidvolles Schicksal hinaus, dass es einen körperlich ergreift. Es ist eine der letzten Proben für Gioachino Rossinis Oper „La Cenerentola“, eine Produktion des Musiktheaters Vorarlberg in der Kulturbühne Ambach. Zentral dabei die Sängerin, in der Rolle des Aschenputtels: „Opernsängerin zu sein, bedeutet nicht immer Glamour und ein schönes Kleid. Wir arbeiten hart dafür, dass es nachher leicht aussieht. Koloratur-Feuerwerke beeindrucken vielleicht, aber es sind die schlichten und ehrlichen Momente, die das Innenleben einer Person zeigen, die wirklich berühren.“

Verwandlung und Verwirrung
Die Erzählung hat in der Opernfassung von Rossini spielerische Verwandlungs- und Verwirrungselemente. Aus dem verlorenen Schuh etwa wird ein Armreif. Die Geschichte geht gut aus, nicht wegen magischer Einmischung, sondern weil Aschenputtel erwachsen wird.

Regisseur Norbert Mladek bemerkt: „Jeder hat es in der Hand, sich zu verwandeln, nicht durch Schnipsen, sondern durch innere Reifung.“ Er sagt über die Oper von Rossini: „Es gibt darin keinen Spielraum für Stillstand.“ Umso wichtiger ist die Ruhe, die Aschenputtel Scheurle durch ihre Innigkeit hineinbringt. Mladek stellt fest: „In dieser Oper gibt es viele Kleinigkeiten. Ich will möglichst viele auf der Bühne sichtbar machen.“ Zehn Probentage bleiben ihm noch dafür, und so steht er während dieser Zeit vor oder auf der Bühne und lässt die Sänger singen und agieren. „Du musst schauen, ob er auf deinen Witz reagiert …“, „du kannst auch ein Geräusch dazu machen, das verträgt’s schon …“ Zum vierten Mal ist Mladek als Regisseur beim mtvo, bei dieser Produktion arbeitet er einmal mehr mit Intendant und Dirigent Nikolaus Netzer zusammen, den er bei ihrer Zusammenarbeit am Landestheater Innsbruck kennen und schätzen gelernt hat. Netzer hält fest: „Die Begegnung von professioneller und nicht-professioneller künstlerischer Energie macht die Arbeit beim Musiktheater Vorarlberg so spannend – hier trifft das Beste aus beiden Welten aufeinander und entfaltet eine einzigartige kreative Dynamik.“ Das ist nützlich, denn die Probenzeit ist mit fünf Wochen knapp bemessen.

„Oper heißt, dass Menschen über Menschen erzählen. Wenn das Stück szenisch und musikalisch zusammenfließt, dann kommen viele Emotionen heraus“, sagt Mladek, der manche Szene herausgenommen hat.
Junge Talente fördern
Er erzählt von der Aufgabe, am mtvo junge Vorarlberger Talente zu fördern. „Die Jungen wollen, dass immer alles gleich perfekt ist. Da muss ich als Regisseur sensibel sein, alles Schritt für Schritt aufbauen und gemeinsam entwickeln. Wenn ein Team auch menschlich passt, ist das natürlich wunderbar.“ Hinter der Bühne singen sie „Happy Birthday“, natürlich mit professionellen Stimmen, denn eine der bösen Schwestern Aschenputtels hat Geburtstag. Die Besungene seufzt: „Ach, ihr seid süß!“, dann geht die Probe weiter.

„Es geht darum, glaubwürdig zu sein. Auf der Bühne kannst du nichts verstecken“, merkt Mladek an. Jetzt steht er oben und diskutiert die gesungene Szene: „Ich hab durch meinen Blick verraten, dass er gleich kommt“, sagt die eine der Schwestern. „Gut, dass du es selber gemerkt hast“, entgegnet der Regisseur. Laurah Maddalena Kasemann begleitet die Proben am E-Piano und Cembalo: „Als Pianistin bin ich viel für mich alleine. Hier habe ich jetzt den Dirigenten, die Sänger, die ganze Inszenierung des Regisseurs, das Zwischenmenschliche. Die Oper ist genial komponiert, ich könnte stundenlang schwelgen.“ Schwelgen tut auch Produktionsleiterin und Präsidentin des Musiktheater Vorarlberg Margit Hinterholzer, wenn sie an die Jugendlichen denkt, die im Ausbildungszentrum Vorarlberg aus 520 Einzelwürfeln das Bühnenbild der magischen Würfel gebaut haben. An die 14 Frauen, die sich als Bräute auf die Bühne stellen. Und an alle anderen Ehrenamtlichen, die Zeit, Expertise und Nerven investieren, damit die Oper „La Cenerentola“ schließlich auf die Bühne kommen kann.
Oper „La Cenerentola“ von Gioachino Rossini, Premiere Freitag, 3. Oktober, 19 Uhr, weitere Aufführungen: Sonntag, 5. Oktober, 17 Uhr, Dienstag, 7. Oktober, 19 Uhr, Donnerstag, 9. Oktober, 19 Uhr, Samstag, 11. Oktober, 19 Uhr. Tickets unter tickets@mtvo.at und 0664-99547851.