Mittel gegen die Sinnkrise

Dornbirner Sparkasse/Matthias Rhomberg
Werner Böhler von der Dornbirner Sparkasse über die Gemeinwohlbilanz des Unternehmens.
In der Dornbirner Sparkasse wurde bereits zum dritten Mal eine Gemeinwohlbilanz erstellt. Warum tun Sie das?
Werner Böhler: Zurückblickend gesehen, hat die Finanzkrise die Initialzündung gegeben. Zur Erklärung: Ich bin in den 70er-Jahren zur Sparkasse gekommen und habe die „Sparkassen-DNA“ richtig inhaliert. Die Bank ist im 19. Jahrhundert gegründet worden, um Gutes zu tun und Gemeinwohl-orientiert zu handeln. Dann wurde aber in der Finanzkrise aufgedeckt, dass sehr weite Teile der Finanzwirtschaft Dinge getan haben, die ich gar nicht gekannt oder für möglich gehalten habe und die womöglich auch ihren Teil dazu beigetragen haben, dass eine weltweite Krise ausgebrochen ist. Das hat eine richtiggehende Sinnkrise ausgelöst.
Inwiefern?
Böhler: Wir haben uns gefragt: Ist womöglich auch unser Geschäftsmodell in Teilbereichen nicht ideal, oder können wir es noch optimieren und verbessern? Da sind wir dann auch auf die Gemeinwohlbilanz gestoßen. Diese bietet die Möglichkeit, sich kritisch mit vielen wesentlichen Fragen und auch mit dem ethischen Finanzmanagement auseinanderzusetzen. Das war dann der Anlass dazu, zu sagen: „Das schauen wir uns näher an“. Nach der Finanzkrise sind wir das Thema dann mit einer Arbeitsgruppe angegangen und sind sehr stolz auf das, was wir bisher erreicht haben.
Zur Person
Werner Böhler wurde 1956 geboren und arbeitet seit 1976 bei der Dornbirner Sparkasse. Bis 1996 hatte er verschiedene Positionen inne (u.a. Leiter Kreditabteilung, Leiter Firmenkundengeschäft Zentrale). Von 1996 bis 2008 war er Mitglied des Vor-standes. Seit 2008 ist er Vorstandsvorsitzender der Dornbirner Sparkasse. Seit dieser Woche ist er auch Obmann der Sparte Bank und Versicherung in der Vorarlberger Wirtschaftskammer.
Das Ergebnis hat sich in jeder einzelnen Gemeinwohlbilanz im Vergleich zur vorigen verbessert.
Böhler: Das ist auch der Gedanke dahinter. Es ist nicht so sehr das Ziel, 500 oder 600 Punkte (von möglichen 1000) zu erreichen, sondern sich jedes Mal aktiv mit den Dingen zu befassen und sich zu verbessern. Auch im ideologischen Sinn. Wenn wir hier Arbeitsgruppen einsetzen, dann strahlt das auf das gesamte Haus aus. Die Menschen befassen sich mit den Themen, die bei der Gemeinwohlbilanz im Mittelpunkt stehen. Und einiges davon nehmen sie auch in die eigene Familie und den Freundeskreis mit. Es wird über ökologisches Verhalten, Stärkung der Regionalität und ethische Zusammenhänge diskutiert. Das ist der Sinn der Sache.
Muss man es auch als kontinuierlichen Prozess sehen?
Böhler: Ja, es ist ein Prozess, bei dem man anfängt, sich mit den Themen zu befassen, in der Diskussion weiterkommt und dann beginnt zu selektieren. Damit meine ich, dass man gewisse Dinge, die man in der Vergangenheit getan hat, ohne groß nachzudenken, verbessern oder sogar ganz abschaffen möchte. Das geht so weit, dass man sagt: Mit Personen, die diese ethischen Grundprinzipien nicht einhalten, wollen wir gar keine Geschäfte machen. Man verzichtet bewusst auf Ertrag, wobei sich daraus keine Einbußen ergeben. Denn es gibt auf der anderen Seite auch Menschen, die sagen: „Mit euch möchten wir weiter Geschäfte machen, denn eure Philosophie gefällt uns“.
Spüren Sie in der Bevölkerung ein stärkeres Bewusstsein für das Thema Nachhaltigkeit?
Böhler: Das spüren wir massiv, und ich denke, durch die Corona-Krise wird es einen weiteren Schub geben.
Wie wichtig ist das Thema Nachhaltigkeit im Bankwesen?
Böhler: Es wird ein riesiges Thema werden. Wenn wir uns vor Augen führen, dass die EU vor einem halben Jahr angekündigt hat, viel Geld in den „Green Deal“ und die Nachhaltigkeit investieren zu wollen, dann betrifft das auch die Finanzwelt. Ich finde es sehr gut, dass das Thema nun auch an zentraler Stelle – in der EU – forciert wird. Wenn Corona uns wieder Luft dazu lässt, wird uns das mit voller Wucht treffen. Es werden viele Investitionen, die aufgrund der darniederliegenden Wirtschaft jetzt auch gebraucht werden, in den Bereichen Nachhaltigkeit und Umweltschutz getätigt werden. Das wird eine Wieder-
belebung der Wirtschaft bringen, und das betrifft auch die Banken.
Gemeinwohlbilanz
In der Gemeinwohlbilanz wird der Erfolg eines Unternehmens oder Einrichtung nicht nach finanziellen Maßstäben gemessen. Vielmehr wird anhand einer vorgegebenen Matrix bewertet, welcher Beitrag zur Mehrung des Gemeinwohls geleistet wird. Dabei wird unter anderem beurteilt, welche Auswirkungen die wirtschaftlichen Aktivitäten auf die allgemeine Lebensqualität haben. Ebenso spielt eine Rolle, ob Abläufe in den Unternehmen transparent, solidarisch und demokratisch sind. Es können bis zu 1000 Punkte erreicht werden. Bei der ersten Gemeinwohlbilanz 2014 erreichte die Dornbirner Sparkasse 340 Punkte. Dieses Ergebnis wurde bei der zweiten Untersuchung auf 394 Punkte und nun auf 455 Punkte gesteigert. Weitere Infos: https://web.ecogood.org/
Welche Rolle spielen gerade die Regionalbanken bei der Bewältigung der derzeitigen Krise?
Böhler: Unsere Aufgabe besteht darin, dem Kunden gut zuzuhören, Geduld zu haben, alle Lösungsmöglichkeiten zu kennen und gemeinsam die beste Lösung zu finden. Das ist ein wichtiger Auftrag, den wir zu erfüllen haben. Der anfängliche Zickzackkurs der Bundesregierung hat das aber nicht erleichtert. Schließlich müssen wir die gesetzlichen Rahmenbedingungen beachten – insbesondere Paragraf 39 im Bankwesengesetz, der die Sorgfaltspflicht regelt. Lösungen sind in erster Linie Stundungen, die für uns Banken eine leichte Übung sind. Das zweite sind Überbrückungs- oder Zusatzfinanzierungen, wo es teilweise auch Unterstützung durch die Haftungen des Bundes gibt. Wenn diese nicht gewährt werden, muss mit aller Kraft nach einer Bank-spezifischen Lösung für die Kunden gesucht werden, denn sie sind unverschuldet in diese Situation geraten. Da gilt es, eineinhalb Augen zuzudrücken und gemeinsam nach guten Lösungen zu suchen.
Dennoch wurden nach der Finanzkrise die Regelungen verschärft. Wieviel Spielraum haben Geldinstitute?
Böhler: Der Gesetzgeber hat gewisse Lockerungen getätigt. Zudem hilft es, wenn eine Bundesstelle die Haftung übernimmt. Denn damit ist das Thema Besicherung für die Banken in weiten Teilen gelöst. Die Intention ist, dass in dieser Sondersituation auch Sonderregeln gelten, sodass wir derzeit deutlich mehr Möglichkeiten haben. Die Grenze ist aber immer der Paragraf 39 – sprich die Regelungen zur Sorgfaltspflicht.
Das Image der Banken hat durch die Finanzkrise stark gelitten. Bei der Bewältigung der Corona-Krise arbeiten die Regionalbanken eng mit Privatpersonen, aber auch Unternehmen zusammen. Kann dies das Ansehen wieder stärken?
Böhler: Davon bin ich überzeugt. Unsere Arbeit ist zwar zur Zeit sehr anstrengend, aber im Grunde genommen ist es eine wunderschöne und erfüllende Aufgabe, den Menschen und der Wirtschaft mit großem
Entgegenkommen und Flexibilität wieder auf die Beine zu helfen.
Und entspricht auch dem Gründungsgedanken der Sparkasse.
Böhler: Genau. Die Sparkassen wurden 1819 von einem Pfarrer gegründet, der gesagt hat: „Überall dort, wo eine Sparkasse steht, soll es den Menschen besser gehen, und das sollen sie auch spüren.“ Und das ist auch die Kraft, die das Unternehmen ausmacht. Diesen Gedanken haben wir auch über die Gemeinwohlbilanz wieder neu belebt. Ein krönender Punkt war für uns als Dornbirner Sparkasse, dass wir der Stadt zum 150-jährigen Jubiläum eine neue Bibliothek zur Verfügung stellen konnten. Denn als Bank haben wir uns dazu verpflichtet, Finanzwissen weiterzugeben. Die Bibliothek wiederum ist eine Bildungseinrichtung, die der Öffentlichkeit und vor allem der Jugend zur Verfügung steht. Die Verknüpfung unseres Bildungsauftrages mit dem Gemeinwohl ist daher das Tüpfelchen auf dem i.