Lokal

„Zweite Welle möglich, Unsicherheit ist spürbar“

26.06.2020 • 20:00 Uhr / 11 Minuten Lesezeit
„Zweite Welle möglich, Unsicherheit ist spürbar“
HARTINGER

Wallner über den Corona-Krisenplan II und das Mohrenbrauerei-Logo.

Wir sind uns zwar sicher, die Antwort bereits zu kennen, fragen aber trotzdem: Welches Bier bevorzugen Sie?

Markus Wallner: Diese Frage ist leicht zu beantworten. Da ich in Frastanz wohne und es dort eine eigene Brauerei gibt, gilt meine Vorliebe natürlich dem Frastanzer.

Nun hat die Brauerei Frastanz zwar keine Probleme mit ihrem Logo, dem stilisierten Hausberg „Drei Schwestern“, könnte sich aber aufgrund der gleichnamigen Werbebotschafterinnen mit den blonden Zöpfen und kurzen Dirndln einen Sexismus-Vorwurf einhandeln.

Wallner: Das ist eine sehr schwierige Diskussion, die mehrere Ebenen hat. Was die Mohrenbrauerei betrifft – und darauf spielen sie ja an – muss zunächst gesagt werden, dass es sich um ein sehr traditionsreiches und erfolgreiches Unternehmen handelt. Auch das Logo hat eine lange Geschichte. Die Absichten dieses Logos sind sicher nicht die, die da jetzt vermutet werden. Allerdings kann das international anders wahrgenommen werden. Soweit ich vernommen habe, sind nun Überlegungen im Gange, das Logo zu überdenken.

Sollte es Ihrer Meinung nach geändert werden?

Wallner: Ich glaube schon, dass man darüber nachdenken sollte, wie dieses Logo heute wirkt. In der Social-Media-Welt wirkt jedes Unternehmen immer weit über den eigenen unmittelbaren Markt hinaus. Dessen muss man sich bewusst sein. Und ich denke, der Mohrenbrauerei ist das ebenfalls klar.

Da ist herauszuhören, dass Sie für eine Logo-Änderung sind. Ist das richtig?

Wallner: Ich kann absolut verstehen, dass sich die Mohrenbrauerei das ganz gut überlegen muss und nur eine behutsame Entscheidung gefällt werden kann. Auch wenn nichts überstürzt werden sollte, ist es gut, dass die Brauerei einen Prozess gestartet hat.

„Zweite Welle möglich, Unsicherheit ist spürbar“
HARTINGER Markus Wallner im Gespräch mit NEUE-Chefredakteur Sebastian Rauch (Mitte)
und CR-Stellvertreter Jörg Stadler.

Themawechsel: Virologen wie Christian Drosten in Deutschland, aber auch heimische Experten, gehen von einer zweiten Corona-Welle aus. Sie auch?

Wallner: Die warnenden Stimmen der Virologen muss man ernst nehmen. Wir bereiten uns jedenfalls sehr professionell auf eine mögliche zweite Welle vor, um einen weiteren Lockdown möglichst verhindern zu können.

Welche Vorbereitungen werden getroffen?

Wallner: Wir arbeiten im Moment am Krisenplan II. Das ist zum einen eine Auswertung dessen, was wir im Krisenmanagement bisher gemacht haben. Beim ersten Mal mussten wir quasi improvisieren, weil kein Mensch wusste, wie man eigentlich auf eine Pandemie reagieren soll. Bei einer zweiten Welle wird es eine professionelle Krisenstruktur geben, mit klaren Aufgaben, Kompetenzen, Berichtspflichten und Entscheidungswegen. Im Hintergrund erarbeiten wir konkrete Szenarien und Checklisten für verschiedene Einsatzfälle.

Ein Beispiel bitte.

Wallner: Zum Beispiel in der Kinderbetreuung oder im Tourismus. Was tun wir, wenn dort das Virus auftaucht? Da geht es um schnelle Abläufe, Testungen und Absonderungen. Das Ziel muss sein, einen generellen Lockdown zu verhindern. Zudem arbeiten wir Schutzkonzepte aus, etwa für das Poolbar Festival oder die Dornbirner Messe.

Steht der Krisenplan II schon?

Wallner: Wir sind noch mitten drin. Nächste Woche werden wir ihn präsentieren.

Wie wird man in der Husten- und Schnupfenzeit im Herbst vorgehen? Gute Tests dauern derzeit 48 Stunden. Wird man Kindergärten und Schulen für zwei Tage schließen, wenn ein Kind hustet?

Wallner: Wir haben gesehen, dass Schließungen von Kindergärten und Schulen harte Einschnitte für Familien sind. Das muss sich unbedingt in Grenzen halten. Aber klar, im Herbst werden sicher mehr Menschen Symp­tome aufweisen. Dann müssen wir so schnell wie möglich testen und das Virus eingrenzen.

In dem Fall könnten im Herbst wieder Schulen geschlossen werden.

Wallner: Das können wir nicht ausschließen. Aber man muss sicher nicht immer gleich die ganze Schule zusperren. Vielleicht betrifft es nur einzelne Klassen oder Teile davon – je nach Kontaktsituation.

“Das Regierungsprogramm wurde in einer Hochkonjunkturphase geschrieben. Wenn man es liest, denkt man sich: Das war eine gute Zeit.”

Markus Wallner, Landeshauptmann

In dem Fall könnten im Herbst wieder Schulen geschlossen werden.

Wallner: Das können wir nicht ausschließen. Aber man muss sicher nicht immer gleich die ganze Schule zusperren. Vielleicht betrifft es nur einzelne Klassen oder Teile davon – je nach Kontaktsituation.

Bei unserem letzten Gespräch meinten Sie, dass der Koalitionsvertrag überarbeitet werden müsse. Das kam bei den Grünen weniger gut an. Johannes Rauch sagte damals, dass man ja wisse, dass der Landeshauptmann „schnell mal in ein Mikrofon beißt, das gerade um die Ecke kommt“. Wie sieht es mit dem Haussegen aus. Hängt er schief?

Wallner: So schnell geht es nicht. Wir arbeiten jetzt doch schon ein paar Jahre zusammen. Zwischendurch kann es aber zu emotionalen Ausbrüchen kommen. Wir haben uns jedenfalls ausgesprochen in dieser Frage und wissen beide, dass das vorliegende Regierungsprogramm in einer absoluten Hochkonjunkturphase geschrieben wurde. Dort ist von Zielen wie Vollbeschäftigung und keine neuen Schulden die Rede. Wenn man das heute liest, denkt man sich: Das war eine gute Zeit. Da müssen wir jetzt noch einmal über die Bücher.

Bitte etwas konkreter.

Wallner: Wir arbeiten an einem Aufschwung-Programm. Von dem steht kein Wort in der Regierungsvereinbarung, weil es nicht notwendig war. Wir brauchen jetzt mehr Maßnahmen im Bereich der Beschäftigung, und wir müssen die geplanten Investitionen auf ihre Konjunkturwirksamkeit hin prüfen. Auch die Digitalisierung benötigt einen Schub. Und zwar einen deutlich stärkeren als vorgesehen war. Dasselbe gilt für die Regionalentwicklung im Bereich der Landwirtschaft.

Wie beurteilen Sie die derzeitige wirtschaftliche Situation?

Lackner: Die Unsicherheit aufgrund einer möglichen zweiten Welle ist spürbar. Mit Investitionen wird zugewartet. Man merkt das überall, auch beim Konsum. Das ist schlecht für die Wirtschaft. Das Gesundheitssystem war zwar nie angeschlagen, aber wir haben jetzt mit einer veritablen Wirtschaftskrise zu kämpfen – und letztlich auch mit einer ordentlichen Anspannung im Budget.

Wie hoch sind die Einbußen und Mehrausgaben wegen Corona? Und wer soll das alles bezahlen?

Wallner: Das ist eine gute Frage. Im Moment haben wir mit starken Einbrüchen bei den Einnahmen sowie hohen Krisenbekämpfungskosten zu kämpfen. Wie in ganz Europa geht da auch bei uns eine Schere auf. Wir mussten zur Liquiditätssicherung 50 Millionen Euro an zusätzlichen Schulden aufnehmen. Die Einnahmeneinbrüche werden sich allein im Jahr 2020/21 auf bis zu 100 Millionen Euro belaufen. Ein ausgeglichenes Budget ist damit in die Ferne gerückt. Mit Blick auf den letzten Rechnungsabschluss kann ich aber sagen, dass wir es verkraften werden. Wir stehen nicht mit dem Rücken zur Wand.

Wie sieht es mit dem Feldkircher Stadttunnel aus. Kann das Land dieses 255 bis 265 Millionen Euro teure Projekt überhaupt noch stemmen?

Wallner: Wir sind dabei, alle Infrastrukturprojekte dahingehend zu überprüfen, wann welche Budgetbelastung zu erwarten sein wird. Da steht sehr vieles am Prüfstand. Beim Stadttunnel gibt es vielleicht eine leichte krisenbedingte Verschiebung, aber er wird gebaut. Wir müssen im Genehmigungszeitraum bleiben, den uns der UVP-Bescheid vorgibt.

Können Sie die Kritik und Sorgen der Tunnelgegner bis zu einem gewissen Grad verstehen?

Wallner: Man kann ein Projekt nicht immer wieder von Neuem diskutieren. Die Argumente sind seit Jahren bekannt, sind in allen Verfahren gewürdigt worden, und es gibt höchstgerichtliche Entscheidungen. Mehr muss ich dazu nicht mehr sagen.

Gibt es Projekte, die definitiv ad acta gelegt wurden?

Wallner: Nein, das können wir jetzt noch nicht sagen. Wir haben jedenfalls klar entschieden, den Ausbau der Fachhochschule fortzusetzen. Auch an den Investitionen in die Berufsschulen wird festgehalten. Bei den kommunalen Projekten, an denen wir uns über die Landesförderung beteiligen, sind wir noch nicht so weit. Da müssen wir uns noch mit den Gemeinden abstimmen.

Der Speicherteich Schwarzköpfle hat viele Fragen zur stetigen Expansion von Skigebieten aufgeworfen. Ministerin Leonore Gewessler (Grüne) strebt nun eine Novelle des UVP-Gesetzes an. Welche Schlüsse ziehen Sie aus der Causa, und wie stehen Sie zum Wettrüsten in den Bergen?

Wallner: Wir haben eine klare Tourismusstrategie, die sich von anderen Regionen in Europa unterscheidet. Da geht es nicht ums Wettrüsten oder die Steigerung von Gästezahlen bis ins Unermessliche, sondern um Nachhaltigkeit und Regionalität. Auch im Montafon findet kein grenzenloser Tourismus statt. Meiner Meinung nach wurden von den Gegnern bewusst falsche Argumente ins Treffen geführt. Beim Beschneiungsteich ging es ausschließlich um die Frage, ob man einen höheren Anteil von beschneiten Flächen zulässt. Die Silvretta Montafon steht im Wettbewerb mit anderen Skigebieten, die bis zu 100 Prozent ihrer Flächen beschneien dürfen. Ich habe den Eindruck, dass man sich hier um eine ökologische Lösung bemüht hat. Ich habe mich für dieses Projekt ausgesprochen. Denn: In der Tourismusstrategie haben wir festgelegt, dass wir keine großräumige Erschließung neuer Landschaften wollen, aber Optimierungen in den einzelnen Skigebieten befürworten. Wenn man nun beides nicht zulässt, beginnt man, ein Unternehmen zu schädigen.

Die Grenzen sind wieder offen, der Sommer steht vor der Tür. Wo machen Sie heuer Urlaub?

Wallner: In Vorarlberg. Ich denke, man sollte da mit gutem Beispiel vorangehen. Ich habe aber auch überhaupt keine Lust
wegzufahren. Außerdem sind die Vorbereitungen für den Herbst intensiv.

Von Jörg Stadler und Sebastian Rauch