„Finger weg vom arbeitsfreien Sonntag“

ÖGB-Chef Reinhard Stemmer lehnt Sonntagsöffnung ab und wirft Neos blinde Markthörigkeit und soziale Kälte vor.
Ein deutliches Nein kommt von der Vorarlberger Gewerkschaft in der Debatte um eine Sonntagsöffnung. „Finger weg vom arbeitsfreien Sonntag im Handel“, formuliert es der Landesvorsitzende des ÖGB Reinhard Stemmer. Die Forderung der Neos nach einer Sonntagsöffnung im Handel ist aus Sicht des Arbeitnehmervertreters „ein Generalangriff auf die Interessen der Handelsbeschäftigten“. Ebenso widerspreche diese klar den Interessen der Mehrheitsbevölkerung.

Die Neos haben ihrerseits einen Antrag im Landtag eingebracht, in dem eine Flexibilisierung der Öffnungszeiten gefordert wird (die NEUE berichtete). In einem ersten Schritt soll es Gemeinden ermöglicht werden, „eventbezogen“ an vier Sonntagen Öffnungen im Einzelhandel zu erlauben. Neos-Nationalratsabgeordneter Gerald Loacker hat dann am Montag bei „Vorarlberg live“ noch einmal nachgelegt. Es gehe darum, dem Handel die Möglichkeit zu geben, am Sonntag aufzusperren, wenn die Nachfrage gegeben sei. Man könne auch im Gesetz festlegen, dass niemand zur Arbeit an diesem Tag gezwungen werden könne.
Recht auf Familienleben
Keine Freude mit den Äußerungen Loackers hatte ÖGB-Chef Stemmer. Der Neos-Nationalratsabgeordnete erweise sich einmal mehr „als Steigbügelhalter der Großkonzerne“ und blitze „mit blinder Markthörigkeit und sozialer Kälte auf“. Das Recht auf Familienleben, Erholung und Freizeit würden durch eine derart arbeitnehmerfeindliche Politik ignoriert und übergangen. Zudem glaubt der Arbeitnehmervertreter, dass von einer Sonntagsöffnung im Handel nur die Großhandelsketten profitieren würden.
Die Haltung des ÖGB zur Sonntagsöffnung sei unverändert, betonte Stemmer. Die bestehenden Regelungen seien ausreichend und Sonntagsarbeit auf dem Rücken der Beschäftigten im Handel werde es mit der Gewerkschaft nicht geben. Die Sonntagsöffnung würde „massive Verschlechterungen“ für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bringen. Dabei gehe es nicht nur um das Familienleben, Erholung und Freizeit, sondern auch um ehrenamtliches Engagement. Dieses werde fast verunmöglicht, meint der ÖGB-Chef. Auch Alleinerziehende stünden „vor einer schier unlösbaren Herausforderung“. Die Sonntagsöffnung ist für Stemmer „ein reines Minderheitenprogramm mit vielen Nachteilen für die breite Masse“.

ÖGB Vorarlberg
Große Betriebe als Profiteure
Der Gewerkschafter wirft den Befürwortern einer Öffnung am Sonntag auch kurzsichtiges Denken vor. Denn die Innenstädte und Zentren würden dadurch keineswegs belebt. Nur weil länger geöffnet sei, könnten die Menschen nicht mehr Geld ausgeben. Auf diese Weise werde nur der Umsatz von Werktagen auf den Sonntag verschoben. Gerade für kleine und mittlere Betriebe sei die Öffnung zudem ein Nachteil. Schließlich könnten sich diese den 100-prozentigen Zuschlag für die Sonntagsarbeit auf Dauer nicht leisten. Dadurch kämen nur die Großen zum Zug.
Um die heimischen Handelsbetriebe im Kampf mit den Online-Riesen zu stärken, sei es besser, Amazon und Co. fair zu besteuern, sagt der ÖGB-Chef. Dies sei nachhaltiger als die Sonntagsöffnung und bringe allen etwas. Der Arbeitnehmervertreter forderte zudem, dass die Verunsicherung der Beschäftigten im Handel „endlich ein Ende haben“ müsse. Den Neos müsse einleuchten, dass auch die Handelsangestellten das Recht darauf hätten, sich wenigstens einmal in der Woche mit der Familie um den Tisch zu versammeln oder ihre Freizeit zu genießen.