Agrar: “Kein Respekt vor fremdem Eigentum”

Streit um Gemeindegut: Internes Schreiben zeigt, dass Agrargemeinschaft Altenstadt nicht verhandeln wird.
Politische Aussendungen, hitzige Debatten bei Stadtvertretungssitzungen, brisante Gutachten: Über die Eigentumsverhältnisse der Agrargemeinschaft Altgemeinde Altenstadt ist schon viel geredet, diskutiert und geschrieben worden. Die Agrargemeinschaft selbst hat sich dabei stets zurückhaltend gegeben. Jetzt macht sie ihren Standpunkt – zumindest gegenüber den Mitgliedern – klar. Das Schreiben von Obmann Robert Ess liegt der NEUE vor. Er findet darin recht deutliche Worte. Man werde sich mit allen rechtstaatlichen Mitteln gegen eine Einmischung von außen wehren, heißt es Ess weist darauf hin, dass sich insbesondere die Grünen, Neos und die SPÖ stark gemacht hätten und versuchen würden, die Eigentümerschaft an unseren Gemeinschaftsbesitz anzuzweifeln.
Angriffe gegen Gutachter
Das von der Stadt in Auftrag gegebene Gutachten, das die Flächen der Agrargemeinschaften Altenstadt, Tosters und Tisis der Stadt Feldkirch zuspricht, bezeichnet der Agrar-Obmann als „verworren“ und „Rundumschlag gegen die gegen die Landesverwaltung und die städtischen Vertreter der letzten Jahrzehnte“. Der emeritierte Universitätsprofessor Siegbert Morscher versuche „krampfhaft ein Bild zu zeichnen“, welches den damals handelnden Personen „die Fähigkeit zur Verhandlung und Vertragserstellung sowie zur korrekten Beurteilung der Rechtslage abspricht“. Alles in allem habe das Gutachten einen „eher bescheidenen Beitrag zur weiteren guten Zusammenarbeit mit der Stadt Feldkirch geliefert“.
Grüne: „Es ist unsere Pflicht, das zu prüfen“
Einigermaßen gelassen reagieren die in dem internen Agrar-Schreiben angesprochenen politischen Fraktionen der Stadt Feldkirch auf die Feststellung, dass sie keinen Respekt vor fremdem Eigentum hätten. Stadtrat Clemens Rauch (Grüne) teilt auf NEUE-Anfrage mit, dass der Verfassungsgerichtshof bereits in mehreren Fällen festgestellt habe, dass Gemeindegut von den Agrargemeinschaften verfassungswidrig vereinnahmt worden sei. Es sei deshalb „die Pflicht der Feldkircher Politik zu prüfen, ob die Agrargemeinschaftsmitglieder auch in Feldkirch gegenüber der restlichen Bevölkerung unrechtmäßig bevorzugt wurden“. Das Gutachten von Professor Morscher liefere jedenfalls Indizien dafür, so Rauch. SPÖ-Vorsitzende Brigitte Baschny ist der Ansicht, dass das Schreiben der Agrar den Eindruck bekräftige, dass sich diese voll im Recht fühle und keinerlei Verhandlungsbereitschaft bestehe. Neos-Stadtvertreter Georg Oberndorfer wollte sich zu dem internen Schreiben der Agrargemeinschaft Altenstadt auf Anfrage nicht äußern.

Auch Agrar schickte Expertisen ans Land
Wie berichtet, hat auch die Agrargemeinschaft rechtliche Beratung in Anspruch genommen. Neben einer Expertise des Rechtsanwalts Wolfgang Blum liegt der Agrargemeinschaft mittlerweile auch ein Gutachten des emeritierten Universitätsprofessors Karl Weber vor. Beide Juristen sehen das Eigentum der Flächen bei der Agrargemeinschaft Altenstadt. Laut Ess wurden beide Gutachten an den zuständigen Landesrat Christian Gantner und die zuständige Abteilung im Amt der Landesregierung weitergeleitet. Weiters hält Ess in dem Schreiben fest, dass das Land Vorarlberg die Sache bereits im Jahr 2009 geprüft habe und keinen Handlungsbedarf gesehen habe.
“Keinen Respekt vor fremdem EIgentum”
Zusammenfassend stellt der Obmann klar, dass die Agrargemeinschaft Altenstadt – und damit mittelbar auch jedes Mitglied – grundbücherlich eingetragene Volleigentümerin ihrer Liegenschaften sei. Man distanziere sich „von Personen und Parteien, die keinen Respekt vor fremdem Eigentum haben“. Die Stadt Feldkirch, so der Agrar-Obmann weiter, sei nie Miteigentümerin der agrarischen Liegenschaften gewesen und könne dies somit auch künftig nicht sein. Ess beruft sich dabei auf den Stadtvereinigungsvertrag aus dem Jahre 1925, die Vereinbarung zwischen der Stadt Feldkirch und der Agrargemeinschaft Altenstadt sowie auf die – seiner Meinung nach – rechtmäßig durchgeführte Hauptteilung im Jahr 1960. Ess erwartet sich deshalb „eine klare Anerkennung“ der Stadt Feldkirch und des Landes zur uneingeschränkten Eigentümerschaft und den daraus resultierenden Substanzerlösen. Ess sieht die Position der Agrargemeinschaft jedenfalls „gut abgesichert“, räumt jedoch ein, dass es zu einer rechtlichen Auseinandersetzung kommen könne, die wie in jedem Fall ein Restrisiko beinhalte.
Für ÖVP „aus jetziger Sicht nachvollziehbar“
Für den Feldkircher Finanzstadtrat Benedikt König (ÖVP) ist es „nachvollziehbar“, dass die Agrargemeinschaft Altenstadt „zum jetzigen Zeitpunkt“ jegliche Verhandlungen mit der Stadt Feldkirch ausschließt. Er ist allerdings auch der Meinung, dass sich das durchaus wieder ändern könne, wenn die zuständige Abteilung beim Land zu einer anderen Auffassung komme. Wie berichtet, hat die Stadt Feldkirch um eine Stellungnahme in der Sache gebeten. König erwartet sich, dass sich das Land inhaltlich mit den Argumenten des von der Stadt beauftragten Gutachters beschäftige.
Professor Siegbert Morscher, der in dem Schreiben der Agrargemeinschaft heftig angegriffen wird, wollte sich auf Anfrage nicht dazu äußern.

Imageschaden
Die politische Diskussion bezeichnet der Agrar-Obmann als „unangenehm“ und schädlich für das Image der Agrargemeinschaft Altenstadt. Daher sei es umso wichtiger, dass sich die Mitglieder mit der Agrargemeinschaft identifizieren und ausreichend informiert sind.
Die Agrargemeinschaft Altenstadt zählt 1153 Mitglieder und 69 Nutzungsberechtigte (Stand April 2022). Auch der Feldkircher Bürgermeister Wolfgang Matt (ÖVP) und Vize-Stadtchef Daniel Allgäuer (FPÖ) sind Agrarmitglieder.


