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“Hausfrauen, Manager, Schichtarbeiter”

28.01.2023 • 17:37 Uhr / 11 Minuten Lesezeit
Rudolf Salzgeber leitet die Landesverkehrsabteilung bei der Landespolizeidirektion Vorarlberg. <span class="copyright">Hartinger</span>
Rudolf Salzgeber leitet die Landesverkehrsabteilung bei der Landespolizeidirektion Vorarlberg. Hartinger

Verkehrspolizei-Chef über Drogenkontrollen im Berufsverkehr.

Im vergangenen Jahr wurden in Vorarlberg allein von der Bundespolizei 50 Prozent mehr Geschwindigkeits-Beanstandungen registriert? Was sind die Gründe für den massiven Anstieg?

Rudolf Salzgeber: Der Großteil ist sicher darauf zurückzuführen, dass wir mehr Geräte haben – mit teilweise neuerster Technologie. Diese können in beide Richtungen messen und mehrere Autos gleichzeitig erfassen. Zudem überwachen wir verstärkt den Verkehr in den Straßentunneln.  

Das heißt, dass die nicht unbedingt mehr Autofahrer als früher unterwegs sind, sondern einfach mehr erwischt werden.

Salzgeber: Ganz klar, das ist den moderneren Geräten geschuldet.  Wenn ein Gerät in beide Richtungen misst, müsste dort theoretisch die doppelte Anzahl an Beanstandungen anfallen. Das sehen wir auch in den Auswertungen.

Was sagen sie denn jenen Menschen, die das als reine Abzocke bezeichnen?

Salzgeber: Gegen diesen Vorwurf verwehre ich mich. Erstens: Die Standorte sind gut gewählt. Zweitens: Autofahrer, die bei uns geblitzt werden, sind deutlich zu schnell unterwegs. Wir haben eine der größten Toleranzen in ganz Österreich. Grundsätzlich möchte ich festhalten, dass wir Tempomessungen nur auf dem höherrangigen Straßennetz und nur auf Landesstraßen bzw. ehemaligen Bundesstraßen durchführen. Wir haben einen Drei-Stufenplan für Radarstandorte. Da muss begründet werden, warum der jeweilige Straßenabschnitt für Messungen geeignet ist. Überwacht wird dort, wo massive Übertretungen registriert wurden oder gehäuft Unfälle stattfinden. Schutzwürdige Örtlichkeiten wie Fußgängerübergänge stehen ebenfalls im Fokus.  

"Hausfrauen, Manager, Schichtarbeiter"
Blitzer auf der S16: Der betreffende Lenker fuhr 174 statt 80 km/h. Hartinger/Polizei

Wirkliche Raser machen wahrscheinlich nur einen kleinen Teil der Anzeigen aus. Wen würden sie denn eigentlich als Raser bezeichnen?

Salzgeber: Seit letztem Herbst gibt es in Österreich den Raser-Tatbestand. Der gilt, wenn man innerorts 40 km/h und außerorts 50 km/h zu schnell unterwegs ist. Da kommt es dann auch zu einer Führerscheinabnahme. Die große Masse ist das nicht, das stimmt. Die meisten sind 15 bis 20 km/h zu schnell.

Es gibt sie auch bei uns, die notorischen Raser.

Rudolf Salzgeber, Leiter der Landesverkehrsabteilung

Was halten sie von der geplanten Raserpaket-Erweiterung, die unter anderem die Beschlagnahme des Autos vorsieht? 

Salzgeber: Wenn sie richtig angewendet wird, sicherlich eine gute Maßnahme. Denn es gibt sie auch bei uns, die notorischen Raser. Einige davon fahren ohne Führerschein, weil ihnen der schon öfter abgenommen wurde. Oft stehen sie auch unter Drogeneinfluss. Unlängst hatten wir einen Fall in Hard. Da war der Lenker innerorts mit 150 km/h unterwegs, obwohl er ein paar Tage zuvor seinen Führerschein abgeben musste. Beide Male stand er unter Drogeneinfluss. Da würde es schon helfen, wenn das Auto weg wäre.

Warum überwacht die Polizei jetzt verstärkt Tunnel?

Salzgeber: Wir haben festgestellt, dass die Geschwindigkeiten dort kontinuierlich gestiegen sind. Das ist brandgefährlich. Wenn in einem Tunnel ein Unfall passiert, kommt es zum Rückstau und man kann nicht ausweichen. Von einem möglichen Brand will ich erst gar nicht reden. Wir mussten da was unternehmen und die Ergebnisse geben uns recht. Es gibt massive Überschreitungen. Und es gibt Rennen. Unlängst hatten wir zwei Autos im Tunnel, die innerhalb einer Sekunde mit mehr als 200 Stundenkilometern gemessen wurden. 

Tunnelunfälle sind äußerst gefährlich.  Die Polizei will diese mit allen Mitteln verhindern. <span class="copyright">Shourot</span>
Tunnelunfälle sind äußerst gefährlich. Die Polizei will diese mit allen Mitteln verhindern. Shourot

Finden sie die Strafhöhen für Geschwindigkeitsübertretungen ausreichend?

Salzgeber: Früher war es sehr günstig. Allerdings hat das Land Vorarlberg im Zuge des Raserpakets Anpassungen vorgenommen. Die Strafen wurden massiv erhöht, zum Teil haben sie sich verdoppelt und verdreifacht. Bis das bei den Menschen da draußen ankommt, wird es aber noch ein Weilchen dauern. Momentan wird das Schnellfahren noch als Kavaliersdelikt angesehen. Da gibt es auch Untersuchungen dazu. Österreich ist europaweit das einzige Land, in dem das Schnellfahren kein Vormerkdelikt ist. Ich weiß nicht, welche Lobby da dahintersteckt.

Deutlich mehr Temposünder und Drogenlenker erwischt

Schon vor einigen Jahren fing die Bundespolizei damit an, ihre veralteten Radargeräte sukzessive mit neuer Lasertechnik auszutauschen. Die Aufrüstung schlägt sich deutlich in der Zahl der Beanstandungen nieder (siehe unten). So verzeichnete die Bundespolizei im vergangenen Jahr allein bei den Anzeigen, die aufgrund von Messungen mit stationären und mobilen Radar- und Lasergeräten anfielen, einen Zuwachs von 62 Prozent. Anstiege gab es aber auch bei den Dränglern (plus 90 Prozent) und Gurtmuffeln (plus 30 Prozent). Drogenlenker sind ebenfalls auf dem Vormarsch (2021: 244, 2022; 512). Grund für das Anzeigenplus bei den Drogenlenkern sind besser geschulte Beamten und eine engere Kooperation mit Ärzten. Großkontrollen finden mittlerweile auch im Berufsverkehr statt und bringen teils erschreckende Ergebnisse (siehe Interview)

Der Großteil der Strafgelder geht an den jeweiligen Straßenerhalter, also an Land oder Gemeinden oder – wenn es die Autobahn oder Schnellstraße betrifft – an die Asfinag. „Blitzt“ die Bundespolizei, kommen 20 Prozent dem Innenministerium zugute – außer bei Verwaltungsübertretungen auf Straßen in Gemeinden mit weniger als 10.000 Einwohnern, in diesen Fällen bleibt die volle Summe der Kommune. Auch Strafbeträge nach dem Kraftfahrgesetz (Handy am Steuer) gehen direkt an die Gemeinden und Städte.

"Hausfrauen, Manager, Schichtarbeiter"

In der Schweiz landen Raser teilweise vor Gericht. Was halten Sie davon?

Salzgeber: Das machen schon einige europäische Staaten so.  Das hätte dann natürlich eine andere Gewichtung wie eine Verwaltungsstrafe. Bei uns ist das wie gesagt noch ein Kavaliersdelikt. Da fehlt das Unrechtsbewusstsein. Beim Alkohol hat sich das mittlerweile geändert. Da stellen wir eine Verhaltensänderung fest.

Was sind die Hauptunfallursachen im Straßenverkehr?

Salzgeber: Mit Abstand am meisten Unfall passieren, weil der Lenker abgelenkt ist. Das ist in 30 bis 35 Prozent der Fälle so. Dann kommt die Vorrangverletzung, als drittes die überhöhte Geschwindigkeit. Letztere ist bei den tödlichen Unfällen oft ausschlaggebend. In Vorarlberg allerdings nicht, wir hatten viele einzigartige Unfälle. Ein massives Geschwindigkeitsproblem haben wir bei uns auf jeden Fall nicht, zumal wir österreichweit die niedrigsten Tempolimits haben.

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In Vorarlberg gelten viele verschiedene tempolimits. Zu viele, sagt der oberste Verkehrspolizist Rudolf Salzgeber. APA

Haben wir in Vorarlberg zu viele verschiedene Tempolimits?

Salzgeber: Meiner Meinung nach schon. In der Schweiz fährt man innerorts 50 und außerhalb 80. In Vorarlberg gibt es viele Wechsel. Das überfordert die Autofahrer. Ich muss auch sagen, dass ich persönlich kein Freund davon bin, wenn im gesamten Ort Tempo 30 gilt. Damit wertet man schutzwürdige Örtlichkeiten wie Schulen eigentlich ab.  Manche Gemeinden übertrieben es maßlos mit den Verordnungen. Das gibt es Bereiche mit Tempo 30 und 40, Fahrradstraßen und Begegnungszonen mit Tempo 20.

In Vorarlberg gab es im vergangenen Jahr 16 tödliche Unfälle, drei mehr als 2021. Welche Schlüsse ziehen Sie daraus?

Salzgeber: Die wenigsten Unfälle wären mit polizeilichen Mitteln zu verhindern gewesen. Jeder Unfall  für sich ist tragisch, aber es zieht sich kein roter Faden durch. Tödliche Unfälle wird es leider immer geben. Glücklicherweise haben in Vorarlberg sehr wenige davon.

E-Bikes, Microscooter, Monowheels: Das Straßenbild wird vielen neuen Mobilitätsformen geprägt. Wie geht die Verkehrspolizei damit um?

Salzgeber: Eine Vielzahl von Verkehrsunfällen passiert mittlerweile mit sogenannten Trendsportgeräten. E-Scooter sind ja zum Teil sehr flott unterwegs. Mittlerweile steht höchstgerichtlich fest, dass es sich dabei um Fahrzeuge im Sinne der Straßenverkehrsordnung handelt. Das ist nicht unwesentlich, weil wir festgestellt haben, dass viele E-Scooterfahrer alkoholisiert unterwegs sind – und teilweise deutlich zu schnell. Wir werden da heuer gezielt Schwerpunkte setzen. Das wird auch S-Pedelecs betreffen (Anm.: S-Pedelec sind schnellere E-Bikes, die rechtlich gesehen als Moped gelten).

Blutabnahme bei Drogenkontrolle. <span class="copyright">Hartinger</span>
Blutabnahme bei Drogenkontrolle. Hartinger

Wie entwickeln sich die Anzeigen gegen Drogenlenker?

Salzgeber: Die Zahlen steigen massiv. Sie verdoppeln sich von Jahr zu Jahr. Wir stellen bei den großen Schwerpunkten fest, dass mittlerweile mehr Fahrzeuglenker unter Drogen stehen als unter Alkoholeinfluss. Der Anstieg ist wahrscheinlich auch dem geschuldet, dass wir sehr viel in Schulungen unserer Beamten investiert haben. Aber wenn wir bei einer Kontrolle an einer Straße acht Drogenlenker erwischen, möchte ich nicht wissen, wie viele Drogenlenker zur selben Zeit in ganz Vorarlberg unterwegs sind. 

Drogenkontrollen finden verstärkt auch im Berufsverkehr statt.

Salzgeber: Die Zeiten der klassischen Polizeischwerpunkte am Freitag- und Samstagabend sind vorbei. Wir machen das jetzt zu jeder Tages- und Nachtzeit, auch am Vormittag. Wir stellen dabei fest, dass die Menschen vor, während und nach der Arbeit verschiedene Drogen konsumieren – und das bei namhaften Betrieben. Cannabis und Kokain werden am häufigsten nachgewiesen, oft auch als Mischkonsum.

Wir erwischen den Manager genauso wie den Schichtarbeiter oder die Hausfrau.

Rudolf Salzgeber, Leiter der Landesverkehrsabteilung
Oberst Rudolf Salzgeber, Leiter der Landesverkehrsabteilung bei der Landespolizeidirektion, im NEUE-am-Sonntag-Interview. <span class="copyright">hartinger</span>
Oberst Rudolf Salzgeber, Leiter der Landesverkehrsabteilung bei der Landespolizeidirektion, im NEUE-am-Sonntag-Interview. hartinger

Und das zieht sich wahrscheinlich durch alle Berufsschichten.

Salzgeber: Ja. Wir erwischen den Manager genauso wie den Schichtarbeiter oder die Hausfrau. Wie gesagt. Egal ob wir am Tag oder in der Nacht kontrollieren: Die Ergebnisse sind fast ident.

Standorte von Polizeikontrollen werden heutzutage schon vielfach in diversen Gruppen einschlägiger Messenger-Dienste gepostet. Wie geht die Polizei damit um?

Salzgeber: Wir kennen die Gruppen natürlich. Da kommen sehr viele Meldungen, auch unrichtige. Da ist jeder dunkle Caddy, der irgendwo am Straßenrand steht, ein Radarauto. So viele haben wir gar nicht (lacht). Der Mehrwert dieser Gruppen ist deshalb fraglich.

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