Besser leben

Bitte einen Dschinn gegen Overthinking

26.02.2023 • 13:47 Uhr / 4 Minuten Lesezeit
<span class="copyright">Neue</span> Kopfkino von Heidi Salmhofer
Neue Kopfkino von Heidi Salmhofer

Heidi Salmhofer mit ihrer Kolumne in der NEUE am Sonntag.

Wenn ich in den Besitz einer kleinen, goldenen Öllampe käme und ich das Bedürfnis hätte, sie glänzend zu schrubben und ihr daraufhin auf wundersame Weise ein Geist – also ein Dschinn oder eine Jeanny – entfleuchen würde, ich sage es gleich, ich wüsste genau, was ich mir wünschen würde. Würde der entfachte Zauber mir eine Wunschäußerung gewähren, einer davon wäre, mein sehr mühsames Overthinking unter Kontrolle zu bekommen. Mein Kopfkino kostet mich Nächte und Nerven und lässt mich innert Minuten um Jahre altern. Ganz besonders lästig ist es, wenn ich anderer Menschen Worte überinterpretiere. Da kann ein kleiner Hinweis via SMS wie „Heidi, nächstes Mal machen wir eine Aussendung ein paar Tage früher“ schnell zu einem „Ich will dich nie wieder sehen, geschweige denn mit dir arbeiten, und überhaupt, finde ich, solltest du dich auf dem schnellsten Wege nach Sibirien begeben. Holzfällerarbeiten und Schneeschaufeln, das wär vielleicht etwas, was du intellektuell noch hinbekommst!“ ausarten. Habe ich keine Möglichkeit, mit dem SMS-Sender nochmals in Kontakt zu treten, um seine tatsächliche Stimmung wahrzunehmen, schaukeln sich meine Gedanken Stunde für Stunde, Tag für Tag in Sphären hoch, die nie zuvor ein Mensch gesehen hat. Captain Kirk wäre begeistert ob dieser neuen Dimensionen, die sich auftun. Schlussendlich zittere ich vor dem nächsten Telefonat und gehe einem Formel-Eins-Fahrer gleich schon einmal die auf mich zukommende Gesprächsstrecke durch. Erwartungshaltung: Heidi, das war unsere letzte Zusammenarbeit. Dann klingelt das Telefon, eine Stimme flötet mir ins Ohr: „Maaa, gut dass du gleich abnimmst. Du, können wir gemeinsam …“, und wir führen logischerweise ein komplett normales, sympathisches, ungestresstes Arbeitsgespräch.

Fazit: Ich bin ein Schwammerl. Manchmal versuche ich, mir das schön zu reden, indem ich mir sage, dass es mir eben wichtig ist, gute Arbeit zu leisten oder respektvoll zu sein oder was auch immer gerade der Anlass meines Ausfluges auf den Planeten der Drama-Queens war. Aber egal wie ich es drehe und wende, grundsätzlich tut es einfach nicht gut, sich immer so zu verkopfen. Deshalb brauche ich einen Dschinn – (und weil ich auch hier gedanklich aussschweife, gerne einen mit Waschbrettbauch), der mir diesen Wunsch erfüllt. Zack! – bin ich nur noch tiefenenspannt. Das wäre es. Oder ich bekomme einfach einen Haufen Geld. Wenn ich mir eine einsame Insel leisten könnte, wär mir das Overthinken auch egal. Wenn ich genauer darüber nachdenke. Gibt es hier irgendwo in der Nähe einen Antiquitätenshop?

Heidi Salmhofer ist Theatermacherin und Journalis­tin. Sie lebt als alleinerziehende Mutter mit ihren Töchtern in Hohenems.

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