Ein Montafoner, der in den Ukraine-Krieg zog

Der 40-Jährige mit dem Kampfnamen „Phoenix“ über die Suche zu sich selbst, Drohnenangriffe und seine Ernüchterung.
Tausende Ausländer kämpfen als freiwillige “Legionäre” in der Ukraine. Unter ihnen ein 40-Jährige Montafoner. Warum er in den Krieg gezogen ist und was er dort erlebt hat, erzählte er der NEUE am Sonntag. Mit Fotos hat er kein Problem, seinen Namen will er zu seinem Schutz nicht in der Zeitung lesen.
Wie kommt man auf die Idee, als Österreicher in den Ukraine-Krieg zu ziehen?
Phoenix: Meine Frau hat mich nach sechs Jahren Ehe verlassen. Das kam sehr überraschend für mich. Wir lebten in Deutschland bei ihrer Familie und ich stand praktisch auf der Straße. Geld hatte ich auch keines, da wir vorher ein halbes Jahr in Thailand waren. Ich suchte nach Möglichkeiten und irgendwann ist mir die Ukraine in den Sinn gekommen. Man wusste ja aus den Medien, dass da auch ausländische Kämpfer hingehen. Ich habe mich dann im Internet umgeschaut und eine Gruppe gefunden. Nebenher erkundigte mich nach Tierschutzorganisationen, daraus wurde aber nichts. Irgendwann musste eine Lösung her. Da dachte ich mir: Warum nicht die Ukraine, zu Verlieren habe ich eh nichts mehr. Ich wollte wieder zu mir selbst finden und natürlich auch helfen.
Sie wollten im Krieg zu sich selbst finden, verstehe ich das richtig?
Phoenix: Ja, irgendwie schon. Es hat halt alles zusammengespielt. Das emotionale Tief, der Helferinstinkt, der Gedanke, etwas Gutes tun zu wollen.
Haben Sie denn wieder zu sich selbst gefunden?
Phoenix: Ja, schon. Man lernt, das Leben wieder zu schätzen. Das sind Extremsituationen, die man nicht nachvollziehen kann, wenn man sie nicht erlebt hat. Wir wurden permanent bombardiert. Und die Zivilbevölkerung hat nichts mehr. Kein Wasser, kein Strom. Da merkt man, was für Luxusprobleme wir hier haben.

Was haben Ihre Verwandten und Bekannten dazu gesagt?
Phoenix: Es gab geteilte Meinungen. Die einen fanden es toll. Die anderen haben versucht, mich davon abzuhalten.
Haben Sie militärische Vorerfahrung?
Phoenix: Nein, ich habe nur den Grundwehrdienst absolviert und das ist schon eine Zeit her. Und ich haben zehn Jahre Airsoft im Verein gespielt (Anm.: Taktisches Geländespiel, bei dem mit Softairwaffen ausgerüstete Teams gegeneinander antreten).
Zur Person
Der 40-jährige Montafoner, der in der Ukraine den Kampfnamen „Phoenix“ trug, möchte seinen echten Namen nicht in der Zeitung lesen. Phoenix kämpfte von Anfang Dezember bis Anfang Februar in einer Einheit von ausländischen Kämpfern im Ukrainekrieg. Stationiert war er in der strategisch wichtigen Stadt Lyman, die Anfang Oktober 2022 von der Ukraine zurückerobert worden war.
Haben die Ukrainer überhaupt nach militärischer Vorerfahrung gefragt?
Phoenix: Nein, das war denen komplett egal. Du kriegst da auch keine Ausbildung oder so. Man drückt dir eine AK-74 (Anm.: Maschinenpistole) in die Hand und das war´s. Wir haben glücklicherweise jemanden kennengelernt, der einen privaten Schießstand hat. Da sind wir dann drei- oder viermal zum Schießtraining hin und lernten auch, wie man die Waffe zerlegt und reinigt.
Wer ist wir?
Phoenix: In der Gruppe waren vier Deutsche, ein Schweizer und ich.
Was war das für eine Einheit, in der sie da waren? Gehörten Sie der “Internationalen Legion der Territorialverteidigung der Ukraine” an.
Phoenix: Nein. Korrupte Kommandeure der Legion haben im Sommer Waffen und Munition im Wert von mehreren Millionen unterschlagen und am Schwarzmarkt verkauft. Damit wollte ich nichts zu tun haben. Es gibt auch andere Einheiten. Den Namen meiner Einheit kann ich nicht nennen. Sie war meines Wissens aber kein Teil der ukrainischen Armee. Wir wollten eine Einheit, die etwas bewirkt und wirklich hilft. Dass es am Ende auch anders war, wussten wir vorher nicht
Was waren da noch für Leute in der Einheit, woher kamen die?
Phoenix: Das war sehr bunt gemischt. Sehr viele Kolumbianer, aber auch Spanier, Franzosen, Engländer, Amerikaner, Kanadier, Männer aus Litauen und sogar Japaner. Gerade am Anfang des Krieges kamen viele, die nur ihr Instagram- oder TikTok-Profil pushen wollten. Die glaubten, der Krieg ist eine Art Computerspiel.
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Wo waren Sie stationiert?
Phoenix: Ich war in einer Stellung in der Nähe von Lyman im Osten der Ukraine. Direkt an der Front. Die Stadt wurde im Oktober 2022 von der Ukraine zurückerobert.
Was war Ihre Aufgabe?
Phoenix: Wir hatten den Auftrag, eine ehemalige russische Stellung zu halten. Wenn Fußtruppen vorgerückt wären, hätten wir diese bekämpfen müssen.
Was haben Sie dort erlebt?
Phoenix: Es wurde von früh bis spät hin und her geballert. Die Granaten und Bomben flogen im Sekundentakt durch die Gegend. Und unsere Stellung war genau in der Mitte. Wir haben eigentlich nur gewartet. Wir konnten gar nichts tun.

Gab es gefährliche Situationen?
Phoenix: Die Drohnen waren unser größtes Problem. Es gab einen Angriff, bei dem Teile der Stellung zerstört wurden. Es gab auch einen Schwerverletzten. Wir haben dann vergeblich versucht, das Kommando zu erreichen. Zwei Kollegen und ich sind losgelaufen, um Hilfe zu holen. Nach drei Stunden wurden wir von einer ukrainischen Panzereinheit aufgegriffen. Das war recht heikel, weil die uns natürlich nicht kannten. Wir hatten zwar ukrainische Uniformen an, aber das haben die Russen ja teilweise auch. Einer in unserer Gruppe kam aus dem Kosovo und sprach Russisch, was weniger gut war. Insgesamt eine sehr brenzlige Situation. Die hätten uns auch abknallen können.
Warum gab es diesen Drohnenangriff?
Phoenix: Unser Zugführer hat mit einer Javelin (Anm: Panzerabwehrlenkwaffe) auf russische Panzer geschossen, die ein paar Kilometer entfernt auf einem Hügel standen. Normalerweise trifft man mit dem Ding, er leider nicht. Die Russen konnten dann anhand des Rauchschweifs zurückverfolgen, woher die Rakete gekommen war. Eine halbe Stunde später begann der Drohnenangriff. Unsere Bunkeranlage hat glücklicherweise standgehalten, eine andere wurde wie gesagt komplett zerstört.
Haben Sie sich ihren Kriegseinsatz anders vorgestellt?
Phoenix: Naja. Uns wurde es damals so verkauft, dass wir in eine gut gesicherte Stellung auf einer Anhöhe kommen und die Russen unten im Tal stationiert sind. Es war aber genau andersherum. Unsere Stellung war unten im Tal und die Russen waren auf der Anhöhe. Es hieß auch, dass wir bei Evakuierungen dabei sein können. Das durfte ich nur einmal erleben. Das war schon ein sehr tolles Gefühl.

Wie lange waren Sie im Krieg und warum haben sie ihren Dienst schließlich quittiert?
Phoenix: Ich war zwei Monate dort. Von Anfang Dezember bis Anfang Februar. Gegangen bin ich, weil wir – wie vorher geschildert – im Stich gelassen wurden. Dafür riskiere ich nicht mein Leben. Wir waren im Prinzip nur Kanonenfutter.
Wie haben Sie ihre Erlebnisse verarbeitet?
Phoenix: Ich habe keine schlaflosen Nächte. Im Gegenteil. Seit ich in der Ukraine war, schlafe ich besser denn je. Es ist eine große Last von mir abgefallen. Ich sehe jetzt viele Dinge anders und denke mir: Wenn ich das überlebt habe, werde ich alles andere auch überleben.
Was haben sie verdient in der Ukraine?
Phoenix: Wir haben knapp 3000 Euro pro Monat bekommen. Aber davon ist nicht mehr viel übrig. Bis auf Uniform, Helm, Waffe und Schuhe mussten wir uns ja alles selbst besorgen. Und die Reise hat natürlich auch was gekostet. Eigentlich ein Minus-Geschäft.
Was machen Sie jetzt?
Phoenix: Ich bin in Deutschland und habe wieder Arbeit gefunden und auch eine Unterkunft. Ich muss jetzt schauen, dass wieder Geld hereinkommt.
Haben Sie keine Angst, dass man Ihnen bei wegen der Teilnahme an Kampfhandlungen im Ausland die österreichische Staatsbürgerschaft entziehen könnte.
Phoenix: Wenn die Behörden der Meinung sind, dass sie mir lästig tun müssen, weil ich einem anderen Land geholfen habe, sollen sie das machen. Das ist mir egal. Sollen sie doch weiterhin Millionen an Steuergeld hinschicken, obwohl sie nicht wissen, was damit gemacht wird.