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Agrar-Obmann: “Lassen uns von der Stadt ganz sicher nicht enteignen”

02.05.2023 • 15:26 Uhr / 8 Minuten Lesezeit
Agrar-Obmann: "Lassen uns von der Stadt ganz sicher nicht enteignen"
Vizebürgermeister Daniel Allgäuer und Robert Ess, Obmann der Agrargemeinschaft Altenstadt.

Bei der Vollversammlung der Agrargemeinschaft Altenstadt kam es zu einem kurzen Schlagabtausch zwischen Feldkirchs Vizebürgermeister Daniel Allgäuer, selbst Agrarmitglied, und Obmann Robert Ess.

Am vergangenen Freitag hielt die Agrargemeinschaft Altgemeinde Altenstadt (AAA) ihre 63. Vollversammlung ab. Etwa 120 Mitglieder – laut Obmann Robert Ess offenbar so viele wie nie zuvor – kamen in den örtlichen Pfarrsaal. Das “große” Interesse (Anm.: Die AAA hat insgesamt 1250 Mitglieder) dürfte wohl dem Tagesordnungspunkt 7 geschuldet gewesen sein.  Unter diesem referierte Rechtsanwalt Wolfgang Blum über die Rechtmäßigkeit der Besitzverhältnisse der AAA. Die NEUE durfte der nicht-öffentlichen Sitzung beiwohnen.

Die Position der Stadt Feldkirch

Kurz zur Vorgeschichte: Die Frage, wem die Erträge aus der Substanz der agrargemeinschaftlichen Grundstücke (Kiesabbau, Wassernutzung, Pachteinnahmen etc.) tatsächlich zustehen, sorgt seit geraumer Zeit nicht nur auf Gemeindeebene für hitzige Debatten. Wie berichtet, lässt die Stadt Feldkirch derzeit eine entsprechende Feststellungsklage ausarbeiten. Sie stützt sich hierbei auf ein privates Rechtsgutachten des ehemaligen Verfassungsrichters Siegbert Morscher. Ihm zufolge wurden der AAA im seinerzeitigen Regulierungs- und Hauptteilungsverfahren rechtswidrig Gemeindegutsflächen im Ausmaß von 1300 Hektar zugeordnet, weitere 15 Hektar soll der AAA aus dem unbelasteten Gemeindevermögen der Stadt übertragen worden sein.  Morscher hatte bereits Ende der 1970er-Jahre ein Gutachten für die Stadt Feldkirch erstellt, auch damals ging es um die Agrargemeinschaft Altenstadt. Die Expertise war Basis für eine Beschwerde, aufgrund derer im Jahr 1982 die Grundübertragungen an die Agrargemeinschaften zum ersten Mal für verfassungswidrig erklärt wurden. Die Entscheidung zog jedoch in der Praxis kaum Konsequenzen nach sich.

Agrar-Obmann: "Lassen uns von der Stadt ganz sicher nicht enteignen"
Das private Gutachten der Stadt Feldkirch stammt vom ehemeligen Richter des Verfassungsgerichtshofes, Siegbert Morscher (84). VFGH

Blum: “Rechtlich glasklar”

Rechtsanwalt Wolfgang Blum – Sohn des früheren Feldkircher Stadtamtsdirektors Otto Blum – sprach in seinem Vortrag von einer “glasklaren” rechtlichen Situation: “Die betroffenen Liegenschaften standen schon vor der Eröffnung des Hauptteilungsverfahrens im Eigentum der Agrargemeinschaft. Im Verfahren selbst sind die bereits bestehenden Eigentumsverhältnisse dann ausdrücklich von der Stadt Feldkirch anerkannt worden. Es gibt einen rechtskräftigen Bescheid der Agrarbezirksbehörde und rechtskräftige Grundbuchseinträge. Was soll gelten in diesem Land, wenn das nicht mehr gilt?”. Er sei gespannt darauf, was die Stadt überhaupt festellen lassen wolle, so Blum. “Da tun sich nämlich tausend juristische Probleme auf.”

Vorrecht der Geburt gleichheitswidrig?

Im Kern wird es im Feststellungsverfahren um die Frage gehen, ob im 1960 durchgeführten Regulierungsverfahren tatsächlich eine vermögensrechtliche Auseinandersetzung (Hauptteilung) zwischen der Stadt und der Agrargemeinschaft erfolgte. Sollte die Agrarbehörde dies verneinen und – im Falle eines Rechtsmittels – vom Höchstgericht bestätigt werden, würden der Stadt Feldkirch und somit der Allgemeinheit sämtliche Substanzerlöse zustehen. Das sind eben jene Einnahmen, die über die Wald- und Weidenutzung hinausgehen.

Dem Vernehmen nach will die Stadt Feldkirch im Rahmen des Verfahrens aber auch prüfen lassen, ob das Vorrecht der Geburt bei der Mitgliedschaft in den Agrargemeinschaften gleichheitswidrig sein könnte. Agrarbürger, und in weiterer Folge Holzlosbezieher, wird man nämlich nur dann, wenn man direkt von einem Mitglied abstammt. Würde die Stadt Feldkirch hier vor dem Verfassungsgerichtshof Recht bekommen, hätte dies wohl die Auflösung sämtlicher Agrargemeinschaften zur Folge.

LAbg. Daniel Allgäuer, Vizebürgermeister in Feldkirch und selbst Agrarmitglied, spricht sich eindeutig für ein Feststellungsverfahren aus. <span class="copyright">hartinger</span>
LAbg. Daniel Allgäuer, Vizebürgermeister in Feldkirch und selbst Agrarmitglied, spricht sich eindeutig für ein Feststellungsverfahren aus. hartinger

Ich habe dazu eine klare Grundhaltung. Es muss Rechtssicherheit geschaffen werden. An einem Feststellungsverfahre führt kein Weg vorbei.

Daniel Allgäuer, Vizebürgermeister in Feldkirch und selbst Mitglied der Agrargemeinschaft Altenstadt.

Allgäuer für Feststellungsverfahren

Doch zurück zur Vollversammlung: Dass sich das Verhältnis zwischen der AAA und der Stadt Feldkirch merklich abgekühlt hat, war am Freitag auch daran zu erkennen, dass anders als sonst keine politischen Vertreter eingeladen war. Einzig Vizebürgermeister Daniel Allgäuer (FPÖ) war vor Ort, er kam allerdings ohne Einladung – als einfaches Agrarmitglied. 

Allgäuer, einst Funktionär und stellvertretender Obmann der AAA, meldete sich nach dem Vortrag des Rechtsanwalts zu Wort – und das, was er zu sagen hatte, gefiel dem Vorsitzenden Robert Ess gar nicht. “Es muss das Ziel sein, immerwährenden Rechtsfrieden zu schaffen”, so Allgäuer.  An einem Feststellungsverfahren und einem Zug durch die Instanzen führe deshalb kein Weg vorbei.

Beispielhaft führte Allgäuer die Agrargemeinschaft Nenzing an, die mit der Marktgemeinde vor rund zehn Jahren einen Kompromiss geschlossen hatte. (Teile der Substanzerlöse werden an die Gemeinde abgetreten). Allgäuer bekundete, dass dies kein Garant für immerwährenden Rechtsfrieden sei. Diese Position habe man ihm im Land im Beisein verschiedener Experten und Juristen glasklar artikuliert. Er verstehe nicht, warum sich die Agrargemeinschaft angesichts der guten Argumente dermaßen gegen ein Festellungsverfaren verwehre, so Allgäuer.

Ganz grundsätzlich wünschte sich der Vizebürgermeister eine Diskussion auf Augenhöhe, “da die Stadt Feldkirch und die Agrargemeinschaft wahrscheinlich auch in Zukunft noch öfters miteinander zu tun haben werden”. Zu einer sachlichen Diskussion mahnten auch Rechtsanwalt Blum und Agrarmitglied Matthias Nägele.

“Werde mich Zähnen und Krallen wehren”

Sehr emotional anstatt sachlich reagierte allerdings Obmann Robert Ess auf die Stellungnahme Allgäuers. Zunächst erinnerte Ess daran, dass es im Laufe der Jahrhunderte immer wieder Verhandlungen mit der Stadt Feldkirch gegeben habe und dabei mehrmals ewiger Rechtsfrieden vereinbart worden sei, zuletzt im Rahmen des Hauptteilungsverfahrens im Jahr 1960. “Und du erwartest dir Rechtssicherheit? Was braucht es denn noch?”, so Ess zu Allgäuer.  Der Obmann stellte zudem klar, dass sich die Agrargemeinschaft “ganz sicher nicht” von der Stadt enteignen lasse. “Solange ich Zähne und Krallen habe, werde ich mich dagegen wehren.”

Auch für Verhandlungen bestehe derzeit keine Notwendigkeit, so Ess. “Mit Personen die sich nicht an bestehende Verträge halten, können wir auch keine neuen abschließen.”

Robert Ess, Obmann der Agrargemeinschaft Altenstadt, fühlt sich "persönlich angegriffen", wie er sagt. <span class="copyright">NEUE</span>
Robert Ess, Obmann der Agrargemeinschaft Altenstadt, fühlt sich "persönlich angegriffen", wie er sagt. NEUE

Wir lassen uns von der Stadt Feldkirch ganz sicher nicht enteignen. Solange ich Zähne und Krallen habe, werde ich mich dagegen wehren.

Robert Ess, Obmann Agrargemeinschaft Altgemeinde Altenstadt

Rechtsanwalt Blum wies abschließend darauf hin, dass die Agrargemeinschaft ihre Überschüsse nicht an die Mitglieder ausschütte, sondern nur für die Zwecke der Agrargemeinschaft verwenden dürfe. Dazu sei die Agrargemeinschaft gemäß ihren Statuten verpflichtet, was die Vollversammlung und die Aufsichtsbehörde auch überwache. Die Verwendung erfolgt laut Blum für öffentliche Zwecke, etwa für die Erhaltung des heimischen Waldes. Was der Rechtsanwalt allerdings nicht erwähnte, war, dass die AAA auch Wälder in Süddeutschland besitzt, um ihre Mitglieder mit Brenn- und Bauholz zu versorgen. Ein Faktum, das von Kritikern der Agrargemeinschaften immer wieder thematisiert wird.

Beschluss frühestens im Juli

Die Arbeitsgruppe der Stadt Feldkirch, in der Vertreter aller Fraktionen sitzen, trifft sich Mitte Mai, um die weitere Vorgehensweise zu besprechen. Bis dahin sollen auch die Schriftsätze für den Feststellungsantrag fertiggestellt sein. Formale Schritte zur Einleitung des Verfahrens sind nicht vor der Stadtvertretungssitzung im Juli zu erwarten. Zuvor muss der Antrag noch dem Finanzausschuss vorgelegt werden.