Diese neue Sex-Serie einer Vorarlbergerin soll aufklären

Sex polarisiert zwar als emotionales Thema, Aufklärung geht aber oft nicht über biologische Fakten hinaus.
Das Leben ist zu kurz für schlechten Sex. Also reden wir darüber, wie es besser geht“, bringt es Moderatorin und Host Franziska Lindenthaler in der neuen Filmserie Sexplanation auf den Punkt.
Allgegenwärtig und doch tabu
Sexuelle Aufklärung sieht die Vorarlberger Regisseurin und Konzepterstellerin Hanna Mathis als essenziell für ein selbstbestimmtes Leben an. Aufgeklärt sind wir doch eigentlich eh alle, denn das Grundlegende rund um das Thema Sex lernen wir im Biologieunterricht, denkt sich womöglich der eine oder andere dabei im ersten Moment. Außerdem begegnet uns Sex täglich in Filmen, auf Werbeplakaten und in den Medien. Denn Sex polarisiert.

Simone Hart
Die meisten tun es, und doch ist es eines der größten Tabuthemen in unserer Gesellschaft. Sexuelle Aufklärung betrifft darüber hinaus nicht nur trockene biologische und medizinische Fakten wie etwa zu den Themen Menstruation, Fortpflanzung, Geschlechtskrankheiten und Verhütung. Sex ist individuell und dreht sich zusätzlich um das Auseinandersetzen mit Grenzen, Identität, sexueller Orientierung und das Kennen der eigenen Wünsche. Doch von wem lernen wir, dass es auch andere Beziehungsformen als die, die unsere Eltern uns vorleben, gibt? Woher wissen wir, wann Konsens beim Sex herrscht und ob wir Mann oder doch Frau sind?
Authentische Geschichten
Ihr Wissen für ihre persönlichen Antworten auf diese Fragen bezog Mathis aus eigener Initiative von der Videoplattform YouTube und aus Gesprächen mit Freunden. Die 27-Jährige hat sich also großteils selbst um ihre Aufklärung gekümmert. Jahre später hat sie nun an der neuen Serie mitgewirkt, woraus Zuseher und Zuseherinnen derartige Informationen rund um das Thema Sex einfacher als sie damals beziehen können sollen. Durch Sexplanation erhofft sich die Absolventin des Bachelorstudiengangs Journalismus und digitale Medien, dass sexuelle Aufklärung kein mit Scham behaftetes Thema mehr sein wird.

Enttabuisierung geht für sie nämlich meist Hand in Hand mit dem Offen-darüber-Sprechen und einem Angebot von Aufklärung. „Unwissenheit und falsche Infos bringen oft Scham über den eigenen Körper und Sex mit sich“, erklärt die Wahlwienerin.
Nach einer zweijährigen Konzeptentwicklung und dem neuntägigen Dreh im November 2023 ist nun am 19. Mai auf der Streamingapp Canal+ die sechsteilige Serie Sexplanation erschienen. Seit dem 20. Mai sind die Folgen außerdem wöchentlich Samstagabends auf dem TV-Sender Canal+ First zu sehen. Gedreht wurde die Serie in einer Studentenwohnung im fünften Wiener Gemeindebezirk, in einer Bar und im „Haus des Meers“.
Fokus auf den Menschen
Sexplanation ist nicht das erste Filmprojekt, bei dem Mathis mitwirkte. Die 27-Jährige hat diverse Werbefilme, Dokus, Musikvideos und Kurzfilme im Portfolio. Eines vereint alle: „Es geht bei mir immer um Menschen, authentische Geschichten und emotionale Themen.“

Um das Menschliche dreht es sich auch in Sexplanation, genauer um eine fiktive WG, bestehend aus vier Mittzwanzigern namens Laura, Muharrem, Marco und Kati. Die erste Staffel thematisiert in einem Mix aus Dokumentation und fiktionaler Story den zwischenmenschlichen Kontext rund um das Thema Sex. Moderatorin Franzi Lindenthaler führt dabei durch die sechs 15-minütigen Folgen, die jeweils einen Themenschwerpunkt behandeln.
Eines der Themen ist Konsens. In dieser Folge wird mit veralterten Ansichten wie, dass ein Mann erobert und sich holt, was er will, aufgeräumt. Untermauert wird die fiktive Story mit Experteninterviews mit Fachärzten, Gesundheitspsychologen und Sexologen. Durch das Einblenden von Grafiken und Animationen werden die Zuseher mit Zahlen aus Studien informiert. Etwa, dass laut einer Studie von Dalia-Research aus dem Jahr 2016 6,2 Prozent der Menschen in Österreich Teil der queeren Community sind. „Das sind sehr viele. Wir müssen uns bewusst sein, dass es nicht nur eine Minderheit ist“, so Mathis.
Aufklärung hängt von Lehrenden ab
Selbst hat die gebürtige Dornbirnerin während ihrer Schulzeit Themen wie Diversität oder Homosexualität im Aufklärungsunterricht kläglich vermisst. An den zwei Workshoptagen im Bildungshaus St. Arbogast wurden ihr nur die Basics vermittelt. Das Zwischenmenschliche war dort kein Thema, wie sie erzählt. „Ich hätte gerne alles über die queere Community in der Schule gelernt“, blickt sie zurück. Sie habe außerdem während ihrer Kindheit und Jugend keine homosexuellen Personen in Vorarlberg gekannt. „Als ich dann nach Wien gekommen bin, war es alltäglich“, erinnert sie sich zurück.

Sie sieht zwar eine Entwicklung seit damals, dass auch im Ländle das Thema Homosexualität angekommen sei. Und es wisse heute jeder, was „schwul“ oder „lesbisch“ bedeute, dies werde aber immer noch in keinem Biologiebuch erwähnt, betont sie. Es gebe kein Unterrichtsmaterial zum Thema Diversität, welches vom Bildungsministerium zur Verfügung gestellt werde, fasst sie die Telefonate mit Lehrern und Lehrerinnen im Rahmen der Vorbereitung der Serie zusammen. Deswegen hänge es letztendlich von den Lehrpersonen ab, ob sie Homosexualität in den Unterricht einbringen.
Friedliche Bilderbuch-WG
In der Sexplanation-WG ist Diversität hingegen bereits komplett im Alltag angekommen. „Hi, ich bin Laura, meine Pronomen sind sie/ihr“, stellt sich Laura, gespielt von Schauspielerin und Transfrau Thea Ehre, in der ersten Folge beim WG-Casting vor. Sie wird von den drei anderen mit Offenheit empfangen. Alle stellen sich selbstverständlich mit eigenem Pronomen vor. Eine idealisierte Darstellung, denn derart harmonisch läuft es im realen Leben eher selten ab. Die friedliche WG bildet wohl nicht die Realität ab, sondern soll vielmehr ein Vorbild darstellen. „Es zeigt, wie es sein könnte, und gibt Tipps“, so Mathis.

Sensibilisierung
Außerdem regt es zum Reflektieren an. Sexualität ist ein individuelles Thema und verändert sich im Laufe eines Lebens. Deswegen richten sich die Folgen auch nicht nur an junge Menschen. Die eigenen Bedürfnisse und Grenzen kann eine Serie nicht auf dem silbernen Tablett servieren. Die muss jeder für sich selbst herausfinden. Sensibilisierung kann dafür ein erster Schritt sein.