„In Richtung einer Rezession“

Der neue IV-Präsident Elmar Hartmann spricht über Herausforderungen und drohende Rezession.
Wie fühlt es sich an, neuer IV-Präsident zu sein?
Elmar Hartmann: Als IV-Präsident hat man viele tolle Möglichkeiten, gemeinsam mit einem tollen Team gestaltend tätig zu sein. Man kann anpacken statt abwarten.
Sie sind auch noch Geschäftsführer von Gantner Electronic, einem nicht gerade winzigen Unternehmen. Wie bringen Sie diese Aufgabe mit der IV-Präsidentschaft unter einen Hut?
Gantner Electronic hat mittlerweile eine ordentliche Größe erreicht. Wir sind dort deshalb so erfolgreich, weil ich auch dort ein tolles Team habe, mit dem die Zusammenarbeit funktioniert. Es geht immer nur, wenn man gute Leute hat, die einen unterstützen. Ich habe natürlich nicht unendlich viel Freizeit, aber es macht mir einfach Spaß, Dinge zu gestalten.
Sie bringen aus Ihrer Unternehmenserfahrung sicher auch Themen mit, um die sich die IV Ihrer Ansicht nach kümmern sollte.
Wichtig sind mir vor allem jene Themen, die dazu führen, dass der Standort Vorarlberg attraktiv bleibt und noch attraktiver wird. Dazu gehören die Bereiche Infrastruktur, Bildung und hier vor allem die Fachkräfteausbildung. Wenn ich mit Vertretern aus der Industrie spreche, sagen sie mir, dass für sie der Fachkräftemangel ein besonders dringendes Thema ist. Es gibt zwei Möglichkeiten, in diesem Bereich etwas zu tun: Einmal versuchen wir, in Vorarlberg mehr auszubilden, was sich aber als schwierig erwiesen hat und womit man den Bedarf nicht decken kann. Und dann gibt es die Möglichkeit, den qualifizierten Zuzug zu fördern. Wir haben daher eine Umfrage in Auftrag gegeben, die ergeben hat, dass drei Viertel der Vorarlberger qualifizierten Zuzug unterstützen. Das ist ein sehr hoher Wert und beinahe ein Auftrag. Auch deshalb haben wir uns gesagt, dass wir in diesem Bereich etwas tun müssen.
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Wo will man hier ansetzen?
Wir müssen uns einerseits bemühen, dass qualifizierte Menschen zu uns kommen wollen, und uns andererseits dafür einsetzen, dass der Prozess so einfach wie möglich gestaltet wird. Die Rot-Weiß-Rot-Karte war sicher eine gute Idee, aber so kompliziert und bürokratisch, wie die Erteilung abläuft, schreckt man bereits die Ersten wieder ab. Wir haben daher auch den Expat-Service gegründet, der die Fachkräfte unterstützen soll. Das fängt bei kleinen Dingen wie einer Kontoeröffnung an, die auch eine Herausforderung sein kann, wenn man die deutsche Sprache nicht beherrscht.
In Deutschland sind die Auftragsbücher besonders bei den Maschinenbauern derzeit relativ leer. Wie wird das Vorarlberg betreffen?
Es ist so, dass wir uns in Richtung einer Rezession bewegen. Ich bin überzeugt davon, dass man den Menschen diese Wahrheit auch zumuten kann. Man sieht das an den Auftragsbüchern in der deutschen Industrie, und nachdem Deutschland der wichtigste Handelspartner Österreichs ist, wird das natürlich auch Auswirkungen auf uns haben. Auch hier haben wir aktuell Handlungsbedarf.
Fachkräfte, Inflation und Rezession: Das klingt nicht unbedingt nach einem angenehmen Start in Ihre IV-Präsidentschaft.
Es gibt definitiv Herausforderungen, und ich würde mich natürlich freuen, wenn wir andere Themen hätten. Aber wenn wir zurückblicken, sehen wir auch große Herausforderungen wie die Pandemie oder den noch andauernden Krieg zwischen Russland und der Ukraine und die damit einhergehenden Probleme bei den Lieferketten. Schon die letzten Jahre waren eine extreme Herausforderung für alle von uns. Aber jede Veränderung ist auch eine Chance für Unternehmen.
ZUR PERSON
Elmar Hartmann (geb. 1969) studierte Wirtschaftspädagogik, trat 1996 bei der Firma Gantner Electronic ein und ist seit 2003 deren Alleingeschäftsführer. Das Unternehmen stellt elektronische Zutritts- und Abrechnungssysteme, etwa für Arbeitsplätze, Bibliotheken oder Fitnessstudios her. Hartmann ist verheiratet und hat drei Kinder.
Es gibt scharfe Kritik aus der Wirtschaft an der geplanten Lieferketten-Richtlinie der EU, diese sei ein bürokratisches Monstrum. Wie wird das Vorarlberg betreffen?
Es wird uns alle betreffen und ist, wie Sie angesprochen haben, ein Monster, das einen extremen bürokratischen Aufwand mit sich bringt. Es geht hier auch um Haftungen. Wir müssen seitens der Industrie vehement dagegen auftreten. Es braucht einige sinnvolle Adaptierungen dieser Richtlinie, damit sie auch für die Industrie umsetzbar ist.
Welche Pläne hat die IV sonst noch für die Zukunft?
Wir möchten offener werden. Es ist uns ein Anliegen, nicht nur online aufzutreten, sondern eine Industrie zum Anfassen zu sein. Wir wollen die Distanz zwischen Industrie und Gesellschaft verringern und haben daher ein Gebäude in der Bregenzer Fußgängerzone erworben, das wir zum „Haus der Zukunft“ umgestalten werden.