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Pflichtschulen ab Herbst im Notbetrieb

09.07.2023 • 23:00 Uhr / 6 Minuten Lesezeit
Die Bildungsdirektion hat sich mit den Schulen auf einen Mindestbedarf verständigt. <span class="copyright">2015 Cherries/Shutterstock</span>
Die Bildungsdirektion hat sich mit den Schulen auf einen Mindestbedarf verständigt. 2015 Cherries/Shutterstock

Für das kommende Schuljahr waren 321 Stellen ausgeschrieben, von denen bislang nur die Hälfte besetzt werden konnten.

Wir stehen ohne Zweifel vor einer schwierigen Situation“, sagte Bildungsdirektorin Evelyn Marte-Stefani Ende Mai in einem Interview mit dieser Zeitung.

Damals war gerade das ernüchternde Ergebnis der Hauptausschreibung bekannt geworden. Für die 321 freien Stellen im Pflichtschulbereich hatten sich nur 192 Lehrkräfte beworben. Ein besonders großes Loch klaffte in den Volks- und Sonderschulen, wo auf 196 ausgeschriebene Stellen nur 107 Bewerber kamen, davon 52 Quereinsteiger.

Eineinhalb Monate und zwei Bewerbungsrunden mit jeweils rund 50 Interessenten (Mehrfachbewerbungen inklusive) später – die Sommerferien haben soeben begonnen – steht nun fest: Nur rund die Hälfte der freien Stellen konnte besetzt werden. Laut Bildungsdirektion haben bislang 161 Bewerber eine Zusage für das nächste Schuljahr erhalten. Das heißt: Es kann nur der Mindestbedarf abgedeckt werden. Darauf habe man sich in Absprache mit den Schulleitungen verständigt, sagt die Sprecherin der Bildungsdirektion, Elisabeth Mettauer-Stubler, auf NEUE-Anfrage.

Dass am Ende deutlich weniger Lehrer übriggeblieben sind, als sich beworben haben, hat laut Mettauer-Stubler mehrere Gründe. Dazu zählen Mehrfachbewerbungen oder Zusagen an einer Bundesschule oder in einem anderen Bundesland. „Es kann auch sein, dass nicht die Stelle an der Wunschschule angeboten wurde und die Alternative abgelehnt wurde. Möglich ist auch, dass die Anstellungserfordernisse nicht erfüllt wurden.“

Aufstockungen und Überstunden

Um Pflichtgegenstände und verpflichtende Angebote wie die Deutschförderung überhaupt abdecken zu können, stocken nun viele Pädagogen ihre Lehrverpflichtung auf, andere wurden zu Überstunden verpflichtet. Zur Erklärung: Im neuen Dienstrecht können Lehrer zu Mehrdienstleistungen im Ausmaß von bis zu drei Stunden verpflichtet werden, im alten Dienstrecht sind es fünf Stunden pro Monat. Es sind aber auch mehr Stunden möglich, sofern die Lehrperson dazu bereit ist.

Bildungsdirektorin Evelyn Marte-Stefani (re.) bedankt sich bei Direktoren und Lehrpersonen für das Verständnis und Entgegenkommen. <span class="copyright">Land Vorarlberg / A. Hagen</span>
Bildungsdirektorin Evelyn Marte-Stefani (re.) bedankt sich bei Direktoren und Lehrpersonen für das Verständnis und Entgegenkommen. Land Vorarlberg / A. Hagen

In manchen Schulen, wie etwa der Volksschule Rankweil-Montfort, konnten die Personallücken trotz aller Anstrengungen nicht geschlossen werden. Aktuell fehlen im Primarbereich (Volks- und Sonderschulen) noch vier klassenführende Lehrpersonen sowie sechs Zweitlehrpersonen. Im Sekundarbereich (Mittel- und Polytechnische Schulen) sind noch zwölf Stellen mit unterschiedlichen Stundenausmaßen vakant. Davon betroffen sind vor allem die Fächer Deutsch, Mathematik, Englisch, Textiles Werken und Integration. Die Stellen wurden nun nochmals ausgeschrieben, zudem befinden sich noch einige Bewerber in Vermittlung. Die Personalsuche werde „so wie schon seit vielen Jahren auch im Sommer fortgesetzt“, sagt Mettauer-Stubler.

„Notlösungen“

Bildungsdirektorin Marte-Stefani bedankt sich bei den Schulleitungen und Lehrpersonen für das Verständnis und Entgegenkommen. „Auch wenn es in einigen Fällen Notlösungen sind und wir an manchen Schulen über den Sommer noch an Lösungen arbeiten müssen, so weiß ich, dass sich alle Lehrpersonen bestmöglich für das Wohl und die Bildung der Schülerinnen und Schüler einsetzen werden, so wie sie es auch bisher getan haben, und wir unseren hohen Qualitätsstandard halten können.“

Aufgrund der großen Personallücken wird es – so wie im vergangenen Schuljahr – Einschränkungen bei den Zusatzfächern (Freifächer, unverbindliche Übungen etc.) geben. Es werde nicht jede Schule gleichermaßen betroffen sein, versichert Mettauer-Stubler. Die Entscheidung, welche Zusatzangebote durchgeführt werden, liege grundsätzlich in der Autonomie der einzelnen Schulen. Genauere Angaben zu den Einschränkungen könne man erst nach Schulbeginn im September machen.

„Mindestbedarf kann nur durch enormen Kraftakt abgedeckt werden“

Auch Willi Witzemann, Personalvertreter der Pflichtschullehrer, war in den vergangenen Wochen intensiv auf Lehrersuche. Nur durch „einen enormen Kraftakt“ sei es heuer noch gelungen, im Herbst die Pflichtgegenstände und die verpflichteten Angebote wie Deutschförderung zu besetzen. Sein Dank gilt den Kollegen, die ihr Stundenausmaß erhöht haben, ihren Pensionsantritt nach hinten verschoben haben oder aus der Pension zurückgekehrt sind.

Willi Witzemann, Personalvertreter der Pflichtschullehrer, hat seine eigene Meinung zum Thema.<span class="copyright"> HARTINGER</span>
Willi Witzemann, Personalvertreter der Pflichtschullehrer, hat seine eigene Meinung zum Thema. HARTINGER

Witzemann spricht von einem „absoluten Notbetrieb“. Die Personaldecke sei „extrem dünn“, Ausfälle könnten nur mit Mehrbelastungen für die verbliebenen Kollegen kompensiert werden. Schon im vergangenen Jahr kamen an den Pflichtschulen jede Menge Überstunden zusammen. Witzemann zufolge waren es wöchentlich knapp 7300, was mehr als 330 Vollzeit-Lehrpersonen entspreche. Spitzenreiterin war eine Schulleiterin mit knapp 20 Überstunden pro Woche. Nach Angaben des Personalvertreters wird im kommenden Schuljahr „überall eingespart“, besonders an den Volksschulen seien Ressourcen zurückgefahren worden. „Vermutlich werden viele Zusatzangebote gestrichen werden müssen. Es gilt, dabei höchstes Augenmerk darauf zu haben, dass die hohe Qualität an den Schulen gehalten werden kann“, mahnt Witzemann. Ein großes Problem ortet er in der Abwanderung. Das Geld locke viele Kollegen nach Liechtenstein oder in die Schweiz. „Zurückkehrende Kollegen bezeugen aber auch, dass nicht alles Gold ist, was glänzt. Die Arbeitsumstände, die Kollegialität und äußere Rahmenbedingungen scheinen dort gänzlich anders zu sein“, schildert Witzemann.