Schwierige Suche nach zukünftigen Fachkräften

Mit September startet in vielen Betrieben wieder die Ausbildung von neuen Lehrlingen.
Ende Juli standen beim Arbeitsmarktservice (AMS) Vorarlberg 295 sofort verfügbaren offenen Lehrstellen 205 Lehrstellensuchende gegenüber. Rein rechnerisch also 90 junge Menschen zu wenig. Eine Lücke, die in den vorangegangenen Monaten noch viel größer war. So suchten Ende Juni 169 Personen nach einer Lehrstelle, offene Stellen gab es 272. Ende Mai standen 173 potentiellen Lehrlinge 315 offene Stellen gegenüber, Ende April waren es 167 Suchende auf 350 Angebote. Auch wenn die Differenz zwischen Suchenden und offenen Stellen zumindest rein rechnerisch kontinuierlich kleiner geworden ist, Betriebe habe sich schon leichter getan, ihren Nachwuchs zu rekrutieren.
Die demographische Entwicklung, dass also weniger Junge nachkommen, ist nur einer der Gründe, warum die Suche nach den Fachkräften der Zukunft für viele Betriebe immer mehr zur Herausforderung wird. Dazu kommt, wie aus einigen Unternehmen zu hören ist, dass auch die Fähigkeiten und Kompetenzen, die die jungen Leute mitbringen, weniger würden.

AMS-Geschäftsführer Bernhard Bereuter geht nicht davon aus, dass sich die Situation in Zukunft großartig ändern wird. „Die Unternehmen wissen, dass sie die Fachkräfte der Zukunft selber ausbilden müssen“ und dafür sei auch eine hohe Bereitschaft da, sagt er – auch dafür, Schwächere aufzunehmen und zu unterstützen. Insgesamt werde die Situation für Lehrstellensuchende auch in Zukunft sehr gut sein, für die Betriebe werde es schwieriger werden, so die Prognose des AMS-Chefs.

Liebherr – Auch die Qualität sinkt
Beim Baumaschinenhersteller Liebherr in Nenzing beginnen heuer 35 Personen eine Lehre – zwei weniger als 2022. Einzelne Berufsbilder seien traditionell schwierig zu besetzen, informiert Marketingleiter Wolfgang Pfister. Im Großen und Ganzen sei die Rekrutierung aber gut verlaufen. Allerdings sei es in den vergangenen Jahren deutlich schwieriger geworden, die offenen Stellen zu besetzen, sagt er. Zur allgemein rückläufigen Bewerberanzahl komme, dass auch die Qualität potenzieller Bewerber „merkbar“ zurückgegangen sei, so die Erfahrung. „Gefühlt“ gebe es laut Pfister auch niedrigere Einstiegskriterien in höhere Schulen – dies zeige sich an der im Steigen begriffenen Anzahl von Schulabbrechern unter den Bewerbern.

i+R-Gruppe – Immer mehr Benefits
Insgesamt 32 neue Lehrlinge gibt es heuer bei der im Baugewerbe tätigen i+R Gruppe mit Sitz in Lauterach in drei ausbildenden Unternehmen: 18 bei Huppenkothen, zehn bei i+R und vier bei Martin – insgesamt um vier weniger als im Vorjahr. Die Schwierigkeit bei der Rekrutierung sei auch abhängig vom Lehrberuf, insgesamt sei es in den vergangenen Jahren aber herausfordernder geworden, heißt es unisono. „Vor allem in unserer Branche merken wir hier eine geringere Nachfrage nach diesen Berufen“, sagt Michele Jaquemoth, Personalerin bei i+R. Die Arbeit auf Baustellen sei ein Thema. Was aus allen drei Unternehmen zu hören ist: Die Anforderungen der Lehrlinge bezüglich Benefits würden ständig steigen.

Blum – Spätere Bewerbungen
Beim Beschlägehersteller Blum mit Sitz in Höchst beginnen heuer gleich viele Personen eine Lehre wie 2022, nämlich 93 – 21 davon Mädchen, im Vorjahr waren es 26. Probleme bei der Rekrutierung gab es laut Ausbildungsleiter Robert Kaufmann nicht: Man merke aber, „dass sich die Bewerbungen für eine Lehre im Zeitrahmen nach hinten schieben“. Daher gebe es seit zwei Jahren ein „Nachschnuppern“. Insgesamt sei „der Wert der Bewerbungen über die letzten zehn Jahre hinweg konstant geblieben“, so Kaufmann. „Wir merken auch, dass die zukünftigen Fachkräfte hart umkämpft sind. Damit bekommen auch Kommunikationsmaßnahmen mehr Bedeutung“, so seine Erfahrung.

Zumtobel – Stetig mehr Interessenten
Heuer sind es 18 junge Menschen, die beim Leuchtenhersteller Zumtobel mit Sitz in Dornbirn ihre Lehre beginnen – einer mehr als im Vorjahr. Probleme bei der Rekturierung gab es laut Ausbildungsleiter Thomas Kresser nicht. Es hätten sich 25 Personen mehr beworben haben als im Vorjahr. Insgesamt habe die Anzahl der Interessierten in den vergangenen fünf Jahren meist zugenommen, so die Erfahrungen bei Zumtobel. Einen der Gründe dafür sieht Kresser auch in einer breiteren Zielgruppe. „Dennoch merken wir, dass es nicht leicht ist, an die Fachkräfte von morgen zu kommen“, sagt er. So seien speziell bei Mathematik, aber auch beim sinnerfassendem Lesen „große Herausforderungen erkennbar“.

Meusburger – Schwieriger geworden
Beim Normalienhersteller und Werkzeugbauer Meusburger mit Sitz in Wolfurt starten in diesem Jahr 25 neue Lehrlinge. Das sind um drei weniger als im vergangenen Jahr. Da waren es noch 28. Auf die Frage, wie leicht oder schwer es war, diese zu bekommen, meint Ausbildungsbereichsleiter Dominik Köb: „Es ist generell schwieriger geworden, da die Anzahl der Jugendlichen gesunken ist und das Angebot an Ausbildungsmöglichkeiten immer größer wird.“ Bei Meusburger wird in den Lehrberufen Zerspanungstechnik, Maschinenbautechnik, Elektrotechnik und Mechatronik ausgebildet. Dazu gibt es wie auch in anderen Betrieben die Duale Akademie, die sich an Maturanten, Studienabbrecher oder Umsteiger wendet.

Grass – Sehr viele Mitbewerber
Beim Beschlägehersteller Grass mit Sitz in Höchst werden heuer in Vorarlberg 23 Lehrlinge starten, im Vorjahr waren es 25. „Im Vergleich zu vergangenen Jahren ist es spürbar schwerer, neue motivierte Lehrlinge zu finden“, sagt Ausbildungsleiter Thomas Witzgall. Gründe dafür gibt es für ihn einige: „Einer davon ist bestimmt auch unsere aktuelle Wegwerfgesellschaft“, sagt er. Jugendliche hätten zudem heute oft weniger technische Erfahrung und Verständnis dafür als noch vor ein paar Jahren. Und noch etwas sagt auch er: „Der Bildungsstand, gerade in Mathematik, ist stark gesunken.“ Zudem komme auch, dass es in Vorarlberg sehr viele Mitbewerber in der Industrie gebe.

Doppelmayr – Vielzahl an Möglichkeiten
Rund 30 junge Menschen sind es, die heuer beim Seilbahn Doppelmayr mit Sitz in Wolfurt ihre Lehre beginnen, 28 waren es im Vorjahr. Zur Lehrlingssituation sagt Ausbildungsleiter Richard Kohler: „In Vorarlberg gibt es sehr viele hervorragende Ausbildungsbetriebe. Die Konkurrenz ist also sehr stark – nicht nur zwischen Lehrbetrieben, die dieselben Berufe ausbilden wie wir, sondern auch mit anderen Branchen.“ Den angehenden Lehrlingen stehe eine Vielzahl an Möglichkeiten zur Verfügung. Für Doppelmayr seien daher „die persönlichen Gespräche sehr wertvoll“.