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Dunkle Materie – gibt es sie wirklich?

29.10.2023 • 01:43 Uhr / 4 Minuten Lesezeit
Dunkle Materie – gibt es sie wirklich?
Das Universum ist so riesig, dass es die Vorstellungskraft der meisten Menschen sprengt. apa

Die Bewegungsmuster von Galaxien, Sternen oder Planeten sind durch die Schwerkraft nicht zur Gänze erklärbar.

Hört man Astrophysiker über die Zusammensetzung des Universums reden, so kommt man aus dem Staunen nicht heraus. Alles, was wir mit freiem Auge am Nachthimmel sehen und alles, was die größten Teleskope an Licht einfangen, soll zusammen nur etwa fünf Prozent der Gesamtmasse des Universums ausmachen. Den großen Rest nennen Fachleute Dunkle Materie und Dunkle Energie. Das sind geheimnisvolle Wortkreationen, die fast an Science Fiction erinnern. Sortieren wir die Bestandteile des Universums ein bisschen und versuchen uns zumindest der Dunklen Materie anzunähern.

Sichtbare Materie

Die Sonne ist ein leuchtender Ball aus Wasserstoff und Helium. Ihre Masse beträgt 333.000 Erdmassen. Die Erde selbst hat eine Masse von knapp sechs Trilliarden Tonnen. Also eine 6 mit 21 angehängten Nullen. Tausend, Millionen, Milliarden, Billionen, Billiarden, Trillionen, Trilliarden – jede Stufe bedeutet das Tausendfache beziehungsweise drei Nullen angehängt. Mein Vorstellungsvermögen, wie jenes der meisten Menschen, hört viel früher auf. Mit den Zehnerpotenzen, der Zahl der Nullen, lässt es sich wenigstens recht einfach rechnen.
Gehen wir weiter ins Universum hinaus. Unsere Sonne ist ein Stern von etwa 200 Milliarden (200.000.000.000) in der Milchstraße. Zwischen den Sternen gibt es Gas- und Staubwolken in enormer Menge. Und die Milchstraße selbst ist wieder nur eine von 100 bis 200 Milliarden Galaxien. So stellen wir uns heute das Universum vor. Das sind zwar keine exakten Zahlen, aber aus vielen Beobachtungen abgeleitete gute Werte.

Alle Materie unterliegt der Schwerkraft

Die Bewegung der leuchtenden Materie ist immer exakter vermessen worden. Seit Isaac Newton 1687 sein Schwerkraftgesetz veröffentlicht hat, können wir die Bahnen zum Beispiel der Planeten genau bestimmen. Johannes Kepler hat seine Planetengesetze 70 Jahre davor empirisch ermittelt, sie passen perfekt mit der Theorie Newtons zusammen. Die Legende sagt Newton nach, dass er einen Apfel vom Baum fallen sah, gleichzeitig den Mond beobachtete und die unterschiedlichen Dinge verknüpfte. Alle Materie unterliegt der Schwerkraft. Zwei Massen ziehen sich umso stärker an, je schwerer sie sind. Die Anziehungskraft nimmt sehr stark mit der Entfernung ab.

Wie Neptun entdeckt wurde

Mit diesem Erfolgskonzept wurde aus Bahnabweichungen des Planeten Uranus ein weiterer Planet, nämlich Neptun, entdeckt. Es gab keinen Grund daran zu zweifeln, dass die Schwerkraft im gesamten Universum gleichermaßen gültig ist. Nun dreht sich unsere Milchstraße in 250 Millionen Jahren einmal um die eigene Achse. Erwartungsgemäß müssten sich nach Keplers Gesetz die äußeren Teile der Milchstraße langsamer bewegen als die inneren. Doch Messungen zeigen, dass außen die Geschwindigkeit sogar zunimmt. Auch die Bewegungen in Galaxienhaufen weichen vom Schwerkraftgesetz ab. Da gibt es nur zwei Auswege: Entweder gibt es viel mehr Masse, die so wenig leuchtkräftig ist, dass wir sie nicht sehen. Das können Elementarteilchen oder jupiterähnliche Objekte sein. Diese fehlende Masse heißt Dunkle Materie, nach der seit Jahrzehnten fieberhaft gesucht wird.

Völlig offen

Oder das Schwerkraftgesetz muss bei großen Distanzen verändert werden. Der israelische Physiker Mordehai Milgrom hat dazu schon 1983 eine Formel vorgeschlagen. Kürzlich hat der koreanische Astronom Kyu-Hyun Chae die Beschleunigungen von 26.500 Doppelsternen aus den Daten des ESA Weltraumteleskops Gaia untersucht. Die Sternbewegungen passen eher in ein abweichendes Schwerkraft-Modell als zur Existenz Dunkler Materie. Geänderte Krafttheorie oder Dunkle Materie: die Frage ist wieder völlig offen.

Robert Seeberger