Kommentar

Ein falsches Neutralitätsverständnis

31.03.2023 • 16:01 Uhr / 4 Minuten Lesezeit
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Bei Verbrechen gibt es Täter und Opfer. Die Ukraine wurde unter Bruch des Völkerrechts angegriffen.

Die FPÖ hat bekanntlich bei der Rede des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj im Nationalrat den Sitzungssaal verlassen, um für Frieden und Echte Neutralität zu demonstrieren. Gleichzeitig war nur etwa die Hälfte der SPÖ-Abgeordneten anwesend. Bei diesen weiß man nicht, ob es dümmliche Absicht oder blanke Faulheit war – die SPÖ hatte regelmäßig den Klub mit der schlechtesten Anwesenheitsrate im Nationalrat, als diese noch gemessen wurde. Die FPÖ wiederum machte aus ihrer Intention keinen Hehl. Nun soll man eine Partei, deren erster Vorsitzender ein verurteilter Hochverräter war, ja keine zu hohen moralischen Ansprüche richten, aber es war wieder einmal ein neuer freiheiticher Tiefpunkt – und das mag etwas heißen.

Selbsternannte Friedensengel, die die Existenz der Ukraine und die Freiheit der Ukrainer opfern würden, um keine schlechten Nachrichten mehr lesen zu müssen, gibt es leider viele. Diese Menschen wünschen sich keinen Frieden, sie wollen nur ihre Ruhe. Diese Ruhe brächte zwar den Krieg aus den Nachrichten, aber nicht aus der Ukraine. Kürzlich veröffentlichte Dokumente des russischen Inlandsgeheimdienstes FSB zeigen, dass der Aggressorstaat nach der geplanten und nie erfolgten Einnahme Kiews umfassende Säuberungen plante. Der Terror gegen die Zivilbevölkerung in Butscha war kein „Ausrutscher“, er war Teil des Planes. Ein Ende der westlichen Unterstützung für die Ukraine wäre zu diesem Zeitpunkt ein Geschenk für eine strauchelnde Diktatur. In Japan, wo man von Verfassungs wegen zum Pazifismus verpflichtet ist, hat man das verstanden. Der japanische Premier Fumio Kishida besuchte jüngst die Ukraine. Und Selenskyj soll nicht im österreichischen Nationalrat sprechen dürfen?

Beim Ungarnaufstand ließ Österreich tausende Flüchtlinge ins Land. Beim Prager Frühling stellte der österreichische Botschafter in Prag, der spätere Bundespräsident Rudolf Kirchschläger, massenweise Sichtvermerke für Ausreisewillige aus. Der ORF warnte die Tschechen vor dem Einmarsch. Und nun unterstützt Österreich die Ukraine mit Spitalsbehandlungen und der Lieferung ziviler Güter. Haben wir die Niederschlagung der Demokratiebewegungen in Ungarn und der Tschechoslowakei mit Freundlichkeiten gegenüber der Sowjetunion ergänzt? Hätten wir auch deren Soldaten zum Ausgleich ins Land lassen sollen?

Bei Verbrechen gibt es Täter und Opfer. Die Ukraine wurde von der Russischen Föderation unter Bruch des Völkerrechts angegriffen. Österreich hat keinen Anlass dazu, das durch Stillschweigen oder ein falsches Neutralitätsverständnis zu unterstützen. Der prononcierte Außenpolitiker Bruno Kreisky hätte Angesichts des SPÖ-Verhaltens Deutliches zu sagen gehabt.

Die andere Partei, in deren Geburtswiege bereits der Landesverrat lag, sollte es sich genauer überlegen, ob sie sich glaubwürdig als Wahrerin der österreichischen Identität aufspielen kann. Am Ende geht es ihr nicht um die Neutralität, sondern nur um das politische Guthaben, das dieser anhaftet.

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