Kommentar

Viele Antworten auf eine Befragung

20.11.2023 • 17:33 Uhr / 4 Minuten Lesezeit
Das Ergebnis der Lustenauer Volksbefragung wird von den politischen Parteien höchst unterschiedlich interpretiert. <span class="copyright">michael/apa</span>
Das Ergebnis der Lustenauer Volksbefragung wird von den politischen Parteien höchst unterschiedlich interpretiert. michael/apa

Analyse. Die S 18-Volksbefragung in Lustenau wird von allen Seiten im Sinne der eigenen Meinung interpretiert.

Wahlbeteiligungen sind eine beliebte Projektionsfläche in der Politik. Fallen sie so niedrig aus wie jene am Sonntag in Lustenau, lassen sie genug Platz, um die Legitimität der abgefragten Volksmeinung zu bezweifeln. Und so verwies auch Landeshauptmann Markus Wallner in seiner Reaktion darauf, dass sich „mehr als zwei Drittel der Wahlberechtigten in Lustenau … der Stimme enthalten“ hätten. Schon im Vorfeld hatte die Lustenauer FPÖ das Ergebnis der Volksbefragung zur CP-Variante der S 18 infrage gestellt. Die Gegner hätten Falschmeldungen verbreitet und auch die Fragestellung wurde bemängelt.

Tatsächlich wurden die Lustenauer am Sonntag nicht zur S 18 befragt, sondern nur zu einer Variante. Es ist nicht so, dass es keine Alternative gegeben hätte. Bei der seinerzeitigen Volksbefragung über eine eigene Landeshauptstatt für Niederösterreich, wurde 1984 zunächst eine Ja-Nein-Frage gestellt. Am selben Stimmzettel wurden im Fall der Befürwortung dann Varianten angeboten. Das Ergebnis war unstrittig. In Lustenau gibt es nach nur einer Frage nun aber viele Antworten.

Verschiedene Interpretationsversuche

Landesrat Marco Tittler (ÖVP) versuchte am Montag das Abstimmungsergebnis in seinem Sinne zu deuten. Es sei „nachvollziehbar, dass der Großteil der Bevölkerung sich noch nicht festlegen wollte und gleichzeitig vornehmlich deklarierte Gegner zur Abstimmung gingen. Der Zeitpunkt der Volksbefragung ist sicher zu früh, um das Projekt seriös beurteilen zu können.“Während sich die Landes-ÖVP also sicher ist, dass die Lustenauer mit ihrer überschwänglichen Zustimmung zur CP-Variante nur abwarten, glaubt die SPÖ, dass die Lustenauer Bevölkerung „nicht das Projekt selbst, sondern die Art und Weise der durchgeführten Volksbefragung abgelehnt“ hätten. Die Grünen sind hingegen davon überzeugt, dass die Bevölkerung mit ihrer Ablehnung „der Politik um Jahre voraus ist.“ Volksbefragungen können in Vorarlberg auch mit Unterschriften angestoßen werden.

Alle, die mit dieser nicht zufrieden sind, können also eine eigene initiieren. Vielleicht wird man am Ende doch noch einmal eine zweite Befragung durchführen, um das Ergebnis der ersten tiefer zu ergründen. Der Lustenauer Bürgermeister Kurt Fischer weist aber darauf hin, dass Befragungen nicht bindend sind.

Faktor Veränderung

Die Wahrscheinlichkeit für eine Umsetzung der CP-Variante hat sich unter den gegenwärtigen politischen Verhältnissen damit gegen null reduziert. Die Grünen sehen sich durch das Votum bestätigt. Verkehrsministerin Leonore Gewessler will weiterhin die Variante durch Diepoldsau prüfen, zu der von dort bisher nur Ablehnung gekommen ist. Doch „nach 60 Jahren“ müsse sich nun auch die Schweiz bewegen, glaubt man bei den Grünen.Es ist nicht ausgeschlossen, dass Nationalrats- und Landtagswahlen im kommenden Jahr Konstellationen schaffen, die an der politischen Sackgassensituation zwischen Grün und Schwarz wieder etwas ändern.

Derzeit scheiden sich noch die Geister über die Frage, ob eine vierspurige Straße durch das Ried oder eine Entlastungsvariante, die von der Schweiz bis dato komplett abgelehnt wird, die realistischere Antwort auf die Fragen der Zukunft ist.Die FPÖ hat sich bekanntlich, wie die ÖVP, stets auf Seiten der Straßenbefürworter positioniert. Es ist nicht auszuschließen, dass das politische Gewicht dieser Partei auf Landes- und Bundesebene bald jenes einer Gemeindevolksbefragung mit einer 30,2-Prozent-Wahlbeteiligung übersteigen wird.