Auftragsmörder im Darknet gesucht: Geschworene in Beratung
Im Wiener Neustädter Prozess gegen einen IT-Experten, der im Darknet einen Auftragsmörder für seine Ex-Partnerin gesucht und dafür Geld überwiesen haben soll, haben sich die Geschworenen Dienstagabend zur Urteilsberatung zurückgezogen. Dem 53-Jährigen wurde Bestimmung zum versuchten Mord vorgeworfen. Er hatte sich zunächst nicht schuldig bekannt und von “blöder Spielerei” gesprochen. Schließlich gestand er aber: “Es war totaler Blödsinn, es tut mir fürchterlich leid.”
Der Angeklagte aus dem Bezirk Baden soll heuer Ende Februar unter dem Pseudonym “Sunnyboy” auf einer Darknet-Seite ein Inserat geschalten haben, in dem ein Auftragsmörder für seine ehemalige Lebensgefährtin gesucht wurde. Die Frau sollte so von einem Auto überfahren werden, dass es wie ein Unfall aussieht. In dem Inserat wurden auch persönliche Daten und eine Beschreibung der Frau, deren Gewohnheiten, deren Lebensgefährten sowie deren Wohnadresse angegeben und Fotos übermittelt.
Der Niederösterreicher soll in Folge Bitcoins im Gegenwert von 9.000 US-Dollar (rund 8.220 Euro) überwiesen haben. Zur Tatausführung soll er konkrete Zeiträume vorgegeben haben. Entsprechende Chats, darunter der finale Auftrag, konnten laut dem Staatsanwalt gesichert werden. Als ein Interessent mehr Geld forderte, fand sich ein anderer Nutzer, der zusagte, den Auftrag um 10.000 US-Dollar (rund 9.133 Euro) innerhalb von fünf Tagen auszuführen.
Der Hinweis an die österreichischen Behörden war Anfang März von Interpol Manchester gekommen, in Folge wurde die Frau überwacht und unter Polizeischutz gestellt. Die Niederösterreicherin wurde von der Exekutive mit dem Mordplan konfrontiert und nannte ihren früheren Partner als möglichen Auftraggeber. Nach umfassenden Ermittlungen u.a. im Darknet und Observationen klickten Ende April für den Angeklagten die Handschellen.
Die Staatsanwaltschaft ortete das Motiv in einem Obsorgestreit über den gemeinsamen Sohn zwischen dem Beschuldigten und seiner früheren Lebensgefährtin. Der Angeklagte meinte anfangs, er habe im Darknet eine Fantasie ausgelebt, um Ballast loszuwerden und Frust abzubauen, “das hat nichts mit der Realität zu tun”. Im Laufe der Verhandlung änderte er jedoch seine Verantwortung und bekannte sich schuldig.
Bei der Festnahme und der ersten Befragung habe der 53-Jährige “gelassen” gewirkt, berichtete ein Ermittler im Zeugenstand. Laut Einvernahmeprotokoll sprach der Beschuldigte von einer “Affekthandlung, um ausschließlich mein Kind zu schützen”. Im Zuge einer Befragung wurde eine Nachricht an den Auftragnehmer verfasst, um den Mord zu stoppen.
“Ich bin der Meinung, dass es ihm definitiv ernst war”, meinte die Ex-Lebensgefährtin des Angeklagten, die von “Psychoterror” durch den Beschuldigten mit “Erniedrigungen und Schikanen” sowie Überwachung berichtete. Die Frau hatte “Todesangst” und “leidet bis heute an den psychischen Folgen”, sagte der Privatbeteiligtenvertreter. Die Schadenersatz-Forderung von mindestens rund 29.000 Euro wurde vom Angeklagten anerkannt.
“Wieso wir uns heute den ganzen Tag damit beschäftigt haben, dass das alles nur ein Spiel sein soll, weiß nur der Angeklagte”, meinte der Staatsanwalt im Schlussvortrag. Er sah einen “heimtückischen Mordauftragsversuch”, der aus Sicht des Beschuldigten “die Lösung familiärer Probleme bewirken sollte”. Die erfolgte Überweisung drücke einen enormen Umsetzungswillen aus. Die Tat sei vor dem Hintergrund einer Reihe von Frauenmorden zu sehen.
Rechtsanwalt Rudolf Mayer sah ein umfassendes Geständnis seines Mandanten, den er gemeinsam mit Manfred Arbacher-Stöger verteidigt. Es tue dem Angeklagten leid, “dass er alles zerstört hat”. Der 53-Jährige habe es nicht wahrhaben wollen, dass er zu so einer Tat fähig gewesen sei, hieß es von einer Verteidigung. Mayer sprach von einer “erdrückenden Beweislage”. “Es tut mir sehr leid. Ich wollte das wirklich nicht”, sagte der 53-Jährige in seinen Schlussworten.
Laut einem Gutachten ist der 53-Jährige zurechnungsfähig. Im Fall eines Schuldspruchs droht dem Angeklagten eine Freiheitsstrafe von zehn bis zu 20 Jahren oder lebenslang. Ein Urteil wurde für die Abendstunden erwartet.
(S E R V I C E – In Österreich finden Frauen, die Gewalt erleben, u.a. Hilfe und Informationen bei der Frauen-Helpline unter: 0800-222-555, ; beim Verein Autonome Österreichische Frauenhäuser (AÖF) unter ; der Wiener Interventionsstelle gegen Gewalt in der Familie/Gewaltschutzzentrum Wien: und beim 24-Stunden Frauennotruf der Stadt Wien: 01-71719 sowie beim Frauenhaus-Notruf unter 057722 und den Österreichischen Gewaltschutzzentren: 0800/700-217; Polizei-Notruf: 133)