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Brauchen wir noch Zoos oder haben sie sich überlebt?

17.09.2023 • 20:28 Uhr / 6 Minuten Lesezeit
Panda im Zoo von Adelaide
Panda im Zoo von Adelaide (c) EPA (BRYAN CHARLTON /ADELAIDE ZOO / HO)

Im Salzburger Zoo wurde eine Tierpflegerin von einer Nashornkuh angegriffen und getötet. Das Unglück lässt die Debatte um Zoos aufleben.

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JA, wir brauchen Zoos:

Die Wissenschaft spricht aktuell von 150 Arten, die wir täglich verlieren! Wir fokussieren uns vielleicht zu sehr auf die sogenannten Flaggschiffarten, die dem durchschnittlichen Besucher über einen emotionalen Weg Themen wie Arten-, Umwelt- und Tierschutz näherbringen. Ein Großteil wichtiger Arbeiten spielt sich hinter den Kulissen der wissenschaftlich geführten Zoos ab und dabei dreht sich nicht alles um Panda, Tiger, Nashorn und Co.

Die Zoos der heutigen Zeit kämpfen aktiv für den Erhalt unserer Biodiversität. Durch Erhaltungszuchtprogramme wird dafür gesorgt, die genetische Vielfalt zu bewahren, um genetisch gesunde Tiere als „Back-up“ zu erhalten. Stichwort „Arche Noah“. Zugleich aber setzen sich Zoos aktiv für die Tiere in freier Wildbahn und den Erhalt der Lebensräume ein.

Wir leiten die größte Erhaltungszucht seltener Mexikanischer Hochlandkärpflinge. Zugleich setzen wir uns für die Renaturierung der Flüsse ein, um bereits zerstörte Lebensräume wiederherzustellen.
Der Großteil des Wissens über die artspezifischen Bedürfnisse stammt aus Ex-situ- Beobachtungen, also jenen außerhalb des natürlichen Lebensraums. Hier gibt es eine entsprechend enge Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern. Wenn wir Tieren wirklich helfen wollen, müssen wir sie verstehen. Wir neigen dazu, menschliche Freiheitsgefühle in Tiere hineinzuprojizieren. Sicherheit überwiegt ausnahmslos das Freiheitsgefühl.

In menschlicher Obhut können ideale Rahmenbedingungen geschaffen werden, die viele Tiere so nicht mehr in der Wildbahn erleben könnten. Sie werden gefüttert, medizinisch versorgt und vor Konkurrenten oder Fressfeinden geschützt.
Schaut man sich die Arbeit der Zoos in den letzten Jahrzehnten an, so wird einem der Wandel erst richtig bewusst: Sie sind längst viel mehr als ein Unterhaltungsprogramm und entsprechend steigt auch die Beliebtheit. Schaut man sich die Besucherzahlen der vergangenen Jahre an, so steigen diese geradezu exponentiell. Zoos sind Teil der Gesellschaft und spiegeln den Status quo unserer Gesellschaft wieder. Und diese – Gott sei Dank – entwickelt sich stetig weiter.

Hinsichtlich der aktuellen Situation leisten Zoos einen unglaublich wertvollen und positiven Impakt. Gäbe es keine Zoos, wäre spätestens JETZT der Zeitpunkt gekommen, wo wir sie erfinden müssten! Wenn ich durch unser Tropenhaus gehe und unseren Krallenaffen zuschaue, wie sie sich in der riesigen, begehbaren Anlage vergnügen, so wäre ich lieber ein Springtamarin bei uns im Zoo als im Amazonas, wo ihnen der Lebensraum im wahrsten Sinne des Wortes unter den Füßen abgeholzt wird und sie für den Schwarzmarkt gewildert werden. Wir brauchen also Zoos. Mehr denn je!

(Jeff Schreiner)

Brauchen wir noch Zoos oder haben sie sich überlebt?
Sonstiges

NEIN, wir brauchen keine Zoos:

Zoos reden nicht gerne von Tieren in Gefangenschaft. Aber es ist und bleibt in vielen Fällen, insbesondere bei großen Wildtieren, eine „Gefangenschaft“. Denn die Bedürfnisse der Tiere hinsichtlich eines artgerechten Lebens können in Zoos meist nicht hinreichend erfüllt werden. Viele Tiere erkranken, sie entwickeln aufgrund der artwidrigen Haltung psychische Erkrankungen und sterben verfrüht.
Zoos geben vor, diese drastische Maßnahme sei für den Artenschutz und die Vermittlung von Wissen über die Tiere notwendig.

In Wahrheit verfolgen die Betreiber jedoch vor allem wirtschaftliche Ziele und kommerzialisieren das Zurschaustellen von empfindungsfähigen Lebewesen. Das Problem mit dem Artenschutz ist, dass in Gefangenschaft geborene Tiger, Bären, Menschenaffen, Löwen, Giraffen, Eisbären und viele weitere Tierarten grundsätzlich nicht ausgewildert werden können. Denn die Tiere haben wichtige Verhaltensweisen für ein Überleben in der Natur nicht erlernt.

Artenschutz bedeutet vor allem, Tiere in ihrem natürlichen Lebensraum zu schützen. In der Natur kann sich das Revier eines Tigers über mehrere Hundert Quadratkilometer erstrecken. Elefanten wandern am Tag im Schnitt eine Strecke von 25 Kilometern. Schimpansen leben in Waldgebieten von bis zu 70 Quadratkilometern. Kein Zoo der Welt kann diesen Tieren auch nur annähernd artgerechte Lebensverhältnisse bieten.

Und auch in Zukunft werden Zoos nicht ohne Wildfänge auskommen können, denn insbesondere sensible Tierarten vermehren sich unter den mangelhaften Haltungsbedingungen in Zoos kaum. Die Haltung in Gefangenschaft wird oft auch mit dem Bildungsanspruch gerechtfertigt. Aber es gibt bessere Alternativen, nämlich tierfreundliche Möglichkeiten für Kinder und Erwachsene, die natürlichen Bedürfnisse und Lebensweisen von Tieren kennenzulernen – zum Beispiel auf einer Entdeckungstour durch die heimische Natur oder in Form von Mithilfe auf einem Lebenshof – oder aber auch hervorragende, lehrreiche Dokumentarfilme.

Das spricht nicht grundsätzlich gegen die Haltung von Tieren, die in freier Wildbahn – zum Beispiel aufgrund der Zerstörung von Wildhabitaten – gar nicht oder jedenfalls nicht gut leben können. Denen können wir zum Beispiel – als zweitbeste Lösung – in Wildparks Schutz bieten. Jedenfalls sollten wir solche Tiere ohne die Absicht und auch die realistische Chance späteren Auswilderns nicht weiter züchten. Natürlich mag es auch positive Aspekte von Zoos geben, aber das erspart uns nicht die kritische Auseinandersetzung mit all den genannten Fakten, die gegen eine Haltung von großen Wildtieren in Gefangenschaft sprechen.

(Rudolf Winkelmayer)