“Eine Prostatakrebsdiagnose ist kein Todesurteil”

Auch mit Prostatakrebs kann Mann lange weiterleben. Dafür ist Früherkennung essentiell, zeigen drei Geschichten von Betroffenen.
Brustkrebs ist in aller Munde, über Prostatakrebs hingegen wird weniger gesprochen. Im November, auch „Movember“ genannt, sprießen vermehrt Schnurrbärte auf dem einen oder anderen Gesicht und machen darauf aufmerksam. Denn in Österreich leben etwa 70.000 Männer mit der Diagnose Prostatakrebs und davon leben etwa 3500 in Vorarlberg. Jährlich erkranken in Vorarlberg etwa 250 Männer neu und 50 etwa sterben an Prostatakrebs. Doch muss das sein?

„Eine Prostatakrebsdiagnose ist kein Todesurteil“, betont Vorstandsmitglied der Gruppe „Vorarlberger Selbsthilfe Prostatakrebs (VSP)“ Wolfgang Zumtobel. Er bezeichnet die Mitglieder der VSP als „gutes Beispiel, dass man mit guter Vorsorge und Behandlung lang leben kann“.
Er selbst ist Betroffener. „Ich war 61, pumperlgsund und bin mal wieder zur Vorsorge gegangen“, erzählt Zumtobel wie seine Geschichte vor sieben Jahren begann. Aufgrund eines zu hohen PSA-Werts wurde er vom Arzt zum Urologen überwiesen. Auf eine Biopsie folgte die Krebsdiagnose. Dann ging es ganz schnell: Innerhalb von 14 Tagen wurde die radikale Operation durchgeführt. „Das war schon ein Einschnitt“, erinnert er sich zurück. Doch er habe sich danach auch schnell wieder erholt. Nach neun Tagen im Spital folgten zwei Monate Krankenstand. Nach eineinhalb Monaten schnallte er schon wieder die Tourenschi für leichte Routen an seine Füße. Eine spätere Bestrahlung hatte zur Folge, dass ein Implantat zur Wiederherstellung der Kontinenz operativ eingesetzt wurde. Mittlerweile ist er „ziemlich beschwerdefrei“ und kann alles wieder machen. Damit eine Prostatakrebsdiagnose ein derart gutes Ende nimmt, ist laut ihm schnelles Handeln gefragt.
Inkontinenz und Müdigkeit
Die einzelnen Geschichten der Selbsthilfegruppe-Mitglieder sind divers. Einen langwierigerren Weg als Zumtobel hat etwa Kurt Böhm durchgemacht. Der 63-Jährige beschreibt seine Prostatakrebsgeschichte als länger und von mehr Ängsten geprägt als den Herzinfarkt, den er mit 54 Jahren zuvor schon erlitten hat. Damals habe er drei Tage auf der Intensivstation verbracht und vier Wochen Reha gemacht, wonach es ihm wieder „tiptop“ gegangen sei. Nach seiner Krebsoperation mit 60 Jahren begleiteten ihn seine Beschwerden über einen längeren Zeitraum hinweg. Er litt ein halbes Jahr unter Inkontinenz, wodurch er arbeitsunfähig war. Als er wieder für fünf Tage pro Woche zurück im Arbeitsleben war, machte ihm die Müdigkeit am Wochenende zu schaffen.

Er blickt darauf zurück, wie schwierig es war, einen Rehaaufenthalt zu bekommen: „Bei einem Herzinfarkt ist die Organisation ein Selbstläufer und beim Prostatakrebs muss man fast bitten und betteln.“ Zudem war die Botschaft, dass ein Risiko von Schläferzellen vorhanden ist, für ihn weiterhin belastend. Seine Diagnose erhielt er, weil er sich mit dem Anliegen eines verstärkten Harndrangs an den Arzt gewendet hatte. Anschließend wurde vom Urologen fast zwei Jahre lang sein PSA-Wert beobachtet, welcher rapide gestiegen ist, was schließlich zur Biopsie und Operation führte.
Keine frühen Anzeichen
Doch die meisten Betroffenen verspüren nicht derartig frühzeitige Symptome, die auf den Prostatakrebs hinweisen. So hat auch Arno Masal „nichts gespürt“. Denn wenn man Symptome wie Blut im Harn oder Schmerzen im Rücken bemerkt, ist es meist schon zu spät und der Krebs hat bereits gestreut. Masal war erst 45, als der Arzt bei ihm einen erhöhtern PSA-Wert festgestellt hatte, welcher weiterhin stieg. Nach zwei Jahren Beobachtung und regelmäßigen Untersuchungen wurde er dann operiert. „Du fällst in ein Loch“, erzählt er von seinen damaligen Sorgen als Alleinverdiener, der ein Haus gebaut und vier Kinder hat. An der Familie ging dies nicht spurlos vorbei. Das zeigte sich etwa in der Leistung in der Schule. Deswegen sieht er es als wichtig an, dass nicht nur auf den Behandelten, sondern auch auf sein Umfeld geachtet wird.
Ebenso Inkontinenz belastete ihn zu Beginn. Dies hat er mit Beckenbodentraining in den Griff bekommen. „Im Jänner bin ich dann 17 Jahre ohne Krebs“, erzählt der Dornbirner. „Der Arzt hat gesagt, ich wäre ohne Früherkennung sicher nicht 60 geworden, und jetzt bin ich 69.“

Zumtobels Empfehlung für Betroffene, die aktuell mit einer Diagnose konfrontiert sind, ist: „Suche einen Urologen deines Vertrauens und folge seinen Empfehlungen.“ Er versteht, dass man zu Beginn geschockt ist und sich übers Internet informiert und dort viele Angebote und Versprechungen findet. Doch er warnt vor langem Zögern. Er erzählt von einem Bekannten, der erst Alternativen ausprobierte, was Metastasen als Konsequenz hatte. In Sachen Vorsorge kritisiert er, dass die Ärztekammer auf der Bremse stünde. Zumtobel würde sich wünschen, dass „Männer bei jeder Vorsorgeuntersuchung proaktiv vom Arzt auf das Prostatathema angesprochen und darüber informiert werden“. „Wenn jemand nicht weiß, dass es das gibt, wie soll er auf die Idee kommen, sich untersuchen zu lassen.“
Kontrovers
Dies sieht Ärztekammerpräsident Burkhard Walla anders: Er spricht sich für die aktuell umgesetzte Kompromisslösung eines bezahlten Screenings bei informierten Männern ab 45 Jahren aus. Dieses Programm wurde von der Ärztekammer mit der Österreichische Gesundheitskrankenkassa ausgearbeitet und orientiert sich an der S3-Leitlinie und Empfehlungen des Iqwig-Insitiuts. Die Vorsorge sei generell ein Thema mit diversen Meinungen, doch ein Massenscreening würde nirgends auf der Welt umgesetzt werden.
In Hinsicht auf Kosten-Nutzen spricht Walla davon, dass anders als etwa beim Darmkrebs beim Prostatakrebs eine sehr große Zahl von Männern gescreent werden müsse, um schlussendlich einen Erkrankten zu finden, um dessen Leben zu verlängern. Er zeigt Verständnis dafür, dass für Betroffene die Vorsorge wichtig ist. Doch für ein großflächiges Screeningprogramm seien die Zahlen eine Voraussetzung und nicht persönliche Betroffenheit.

Der Präsident der Krebshilfe zum Thema Vorsorge
Ab welchem Alter sollten Männer zur Vorsorge gehen?
Bernd Hartmann: Prostatakrebsvorsorge ist ab dem Alter von 45 Jahren sinnvoll. Sollte in der Familie etwa der Bruder oder der Vater an Prostatakrebs erkrankt sein, ist eine frühere Vorsorge sinnvoll. Sie sollte dann zehn Jahre vor dem Diagnosealter des Verwandten beginnen, oder zumindest ab dem 40. Lebensjahr.
Welche Untersuchungsmethoden gibt es?
Hartmann: Zur Vorsorgeuntersuchung gehört ein Arztgespräch zur Beurteilung des Risikos und ein Aufklärungsgespräch über Vorteile und möglich Konsequenzen. Zur Untersuchung gehört die Tastuntersuchung der Prostata, die Bestimmung eines Eiweißes im Blut namens prostataspezifisches Antigen (PSA) und die Ultraschalluntersuchung von Nieren, Blase und Prostata. Wenn der PSA Wert bestimmt wird kann, dann kann eine Risiko adaptierte Vorsorge betrieben werden. PSA wird von allen Prostatazellen gebildet. Krebszellen geben deutlich mehr PSA an das Blut ab, weshalb es zur Früherkennung verwendet wird.
Was ist Ihre Meinung zur Aussage von Kritikern, dass das PSA-Screening mehr Männern durch Überdiagnosen schadet als nutzt?
Hartmann: Tatsache ist, dass zu spät diagnostizierter, nicht mehr heilbarer Prostatakrebs eine langwierig verlaufende Erkrankung, mit vielen möglichen Komplikationen und hohen Kosten für das Gesundheitssystem darstellt. Diese Leidenswege kann individuelle PSA basierte Früherkennung verhindern. Keine Früherkennung stellt meiner Meinung nach keine Option da, da es sonst zu einem deutlichen Anstieg von Spätstadien mit negativen Folgen kommt. Krebs im Frühstadium ist besser behandelbar und heilbar. Hat der Kerbs Metastasen gebildet, kann meist keine Heilung mehr erreicht werden.
Werden die Kosten für die Vorsorge von der Krankenkassa übernommen?
Hartmann: Die Vorsorgeuntersuchung wird von der Krankenkassa für Männer ab dem Alter von 45 Jahren bezahlt.
Welche Symptome weisen auf Prostatakrebs hin?
Hartmann: Es gibt leider keine Frühsymptome. Aber Symptome, die auf einen Prostatakrebs hinweisen können, sind beispielsweise: Schwierigkeiten beim Wasser lassen, vermehrter Harndrang besonders Nachts, Blut im Urin oder in der Samenflüssigkeit, Schmerzen beim urinieren.
Welche Ursachen gibt es?
Hartmann: Das Alter und eine familiäre Belastung sind die wichtigsten Risikofaktoren. Prostatakrebs nimmt mit dem Alter zu. Daneben spielen Umwelteinflüsse, Ernährung und Lebensstil eine weitere Rolle. Rauchen, Alkohol und Übergewicht erhöhen generell das Krebsrisiko.
Kann Mann eine Prostatakrebserkrankung vorbeugen?
Hartmann: Man sollte versuchen das Normalgewicht zu erreichen, sich körperlich aktiv zu bewegen, Sport zu betreiben und sich gesund ernähren. Das bedeutet viel pflanzliche Produkte zu essen, den Fleischkonsum zu reduzieren, sowie nur moderat Alkohol zu sich zu nehmen.
Kann Mann eine Prostatakrebserkrankung vorbeugen?
Hartmann: Man sollte versuchen das Normalgewicht zu erreichen, sich körperlich aktiv zu bewegen, Sport zu betreiben und sich gesund ernähren. Das bedeutet viel pflanzliche Produkte zu essen, den Fleischkonsum zu reduzieren, sowie nur moderat Alkohol zu sich zu nehmen.