Politik

Die viel gefragte Nummer des Thomas Schmid

24.10.2022 • 17:37 Uhr / 5 Minuten Lesezeit
Bald gibt es neue Fotos von Thomas Schmid
Bald gibt es neue Fotos von Thomas Schmid Georg Wilke

Als Generalsekretär stand Schmid über allen Beamten im Finanzministerium.

Als die Ermittler am 12. November 2019 in aller Früh an der Türe des damaligen Öbag-Chefs Thomas Schmid klingelten, konnten sie nicht wissen, was sie erwartet: Das Handy hatte der frühere Generalsekretär des Finanzministeriums zurückgesetzt, auf einem Cloud-Speicher waren aber mehr als 300.000 Chatnachrichten gespeichert. Viele davon waren strafrechtlich relevant, wie sich schon bald herausstellen sollte.

>>> Interaktives Dossier: Das Handy des Thomas Schmid

Denn dass Schmid als Generalsekretär über allen Beamten des Finanzministeriums stand, ließ ihn zur ersten Wahl für Wünsche aus Politik, Wirtschaft und Kultur werden. So dürfte Schmid neben René Benko und Siegfried Wolf etwa auch bei Steuerproblemen des Fürsten von Liechtenstein sowie des Künstlers Hermann Nitsch interveniert haben, zeigen Chats.

Viel Einfluss

„Vergiss nicht, du bist die Hure für die Reichen“, erinnerte Schmid 2017 einen seiner Kabinettsmitarbeiter. Auch für seine Parteifreunde wurde der frühere Vertraute von Sebastian Kurz tätig: So habe er 2016 etwa den Wunsch von ÖVP-Klubchef August Wöginger erfüllen lassen, dass ein ÖAAB-Freund Vorstand des Finanzamtes Braunau wird, bestätigte Schmid einen entsprechenden Verdacht der WKStA.

Für Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka will Schmid Steuerprüfungen bei Vereinen verhindert haben – die es allerdings laut ÖVP niemals geben hätte können. Das Finanzministerium soll auch neben dem Beinschab-Tool regelmäßig für die Partei statt für den Staat gearbeitet haben. Und Ex-Kanzler Kurz soll bei Schmid 2016 für eine Gehaltserhöhung für seine Lebensgefährtin Susanne Thier interveniert haben.

Die ÖVP ist bemüht, die Aussagen als falsch darzustellen. So habe Thier 2016 keine Gehaltserhöhung bekommen, richtete das Finanzministerium am Freitag aus. Akten aus dem U-Ausschuss zeigen aber, dass ein Gehaltsplus um rund 68 Euro monatlich Ende 2018 auf Auftrag des damaligen Generalsekretärs Schmid „mega-dringend“ zu erledigen war – und der Antrag vom Beamtenministerium vorgezogen wurde, da es sich bei Thier „um die Lebensgefährtin des Herrn Bundeskanzlers handeln soll“.

Eine Intervention weist Kurz zurück und verweist auf eine Karenzvertretung, die Thier 2019 antrat: Ihre Vorgesetzte hatte bereits im November 2018 von ihrer Schwangerschaft erfahren. Bereits mit 1. Jänner 2019 soll Thier daher ihre Aufgaben übernommen haben, die Gehaltserhöhung trat am 1. Februar in Kraft, die Karenz der Kollegin im Mai.

Der Hauptbelastungszeuge im U-Ausschuss

Um Schmid öffentlich der Lüge zu überführen, lud die ÖVP ihren früheren Parteifreund und -günstling in den U-Ausschuss. Überraschenderweise sagte Schmid, nachdem er dem Ausschuss ein Dreivierteljahr ferngeblieben war, am Montag zu. Am Donnerstag den 3. November wird er sich den Fragen unter Wahrheitspflicht stellen, kann sich aber unter Berufung auf laufende Verfahren zu fast allen Punkten entschlagen.

Auch der Vortag, Mittwoch, 2. November, wird ganz im Zeichen des türkisen Hauptbelastungszeugen stehen: Der Nationalrat kommt auf Verlangen von SPÖ und FPÖ zu einer Sondersitzung zusammen. Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) soll den Abgeordneten Schmids Aussagen erklären. Durch die Sondersitzung entfällt die Befragung von René Benko und für ihn zuständige Finanzbeamte im U-Ausschuss.

Inzwischen beginnt die ÖVP mit der Aufarbeitung: Der ÖVP-Ethikrat wird zu Schmids Aussagen tätig, wie dessen Vorsitzende, die frühere steirische Landeshauptfrau Waltraud Klasnic, bestätigte. Im November soll es eine Sitzung geben, man werde sich „nicht nach außen, sondern nach innen“ mit der Sache beschäftigen. In einem Rechtsstaat würden allein Gerichte entscheiden, „wer sich etwas zuschulden hat kommen lassen und wer nicht“, findet hingegen Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner. Hier hilft ÖVP auch: Seit 2020 übernimmt die Partei Verfahrens- und Vertretungskosten von „hochrangigen Funktionsträgern“. Ob neben Kurz auch dessen Vertraute davon profitieren, wollte die ÖVP ebenso wenig beantworten, wie die Frage der entstandenen Kosten.