Die FPÖ fährt ihre reiche Frust-Ernte ein

Keine Partei konnte sich Unzufriedenheit in Niederösterreich so sehr zunutze machen.
Die niederösterreichische Landtagswahl ist geschlagen, und im ehemals schwarzen Kernland überstrahlt ein beispielloser blauer Wahlsieg alle anderen Parteien. Welche Lektionen lassen sich daraus ableiten?
Erstens: Die FPÖ ist wieder da. Dass Ibiza ursprünglich einmal ein blauer Skandal war, spielt für Wählerinnen und Wähler keine Rolle mehr – auch, weil die Partei sich, anders als die ÖVP, radikal und nachhaltig von ihren damaligen Protagonisten getrennt hat. Vielmehr ernten die Freiheitlichen jetzt die Saat, die sie während Corona- und anderen Krisen kontinuierlich ausgebracht haben: Herbert Kickl hat sich seit Jahren als Kämpfer gegen das Establishment inszeniert und profitiert jetzt von dem allgegenwärtigen Frust, den er auch mit angefacht hat.
Zweitens: Die anderen – alle anderen – Parteien sind derzeit nicht in der Lage, diesen Frust und die manifeste Schwäche der Volkspartei für sich zu transformieren. Weder die SPÖ, die sich in Niederösterreich genauso glaubhaft als Oppositionskraft darstellen hätte können wie die Freiheitlichen, noch die Grünen, denen das Wählern wichtige Klimathema naheliegt, noch die Neos mit ihrer Kernkompetenz Sauberkeit konnten am Sonntag punkten. Die FPÖ hat als einzige verstanden, die Denkzettel für die ÖVP in Wahlzettel für Udo Landbauer zu verwandeln. Liederbücher, Autoritarismus- und Rassismusvorwürfe hielten die Wähler davon genauso wenig ab wie absurde Slogans wie “Festung Österreich”: Wer frustriert ist, wählte FPÖ.
Zwei politische Aufgabenstellungen ergeben sich aus dieser Diagnose für die nächsten Monate und Jahre: Erstens – eine Selbstverständlichkeit, möchte man meinen – müssen die Regierenden auf allen Ebenen danach trachten, diesen Frust abzubauen. Das klingt schwierig, denn Krisen wie der russische Krieg und andere weltweite Verwerfungen werden sich nicht schnell auflösen; andererseits ist Österreich bisher vergleichsweise gut durch diese Krisen gekommen, die Folgen sind bisher mehr wahrgenommener als realer Natur. Mit solider Arbeit und stringenter Kommunikation könnte sich hier mancher Knoten lösen.
Die andere Aufgabe ist komplexer: Weil illusorisch ist, dass sich der gesamtgesellschaftliche Frust komplett auflösen lässt – zuletzt sahen sich vier von zehn Österreichern in der Politik überhaupt nicht repräsentiert – wäre vernünftig, andere Ventile zu finden als eine Putin-nahe Rechtsaußenpartei, die in den vergangenen Jahrzehnten mehrmals bewiesen hat, dass sie sich mit konstruktivem, stabilem Regieren schwertut.
Spätestens in eineinhalb Jahren wird ganz Österreich einen neuen Nationalrat wählen. Der Markt an potenziellen Wählerinnen und Wählern für neue Angebote ist so groß wie nie zuvor, das zeigen die Bundespräsidenten- und die Niederösterreich-Wahl deutlich. Wer davon profitieren will, sollte sich spätestens jetzt überlegen, welche Angebote er machen will.
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