Sport

„Jetzt sind wir die Buhmänner“

15.11.2020 • 17:19 Uhr / 13 Minuten Lesezeit
„Jetzt sind wir die Buhmänner“
Stefan Jochum erklärt im Interview im Detail, wie es zu den Anzeigen kam. Stiplovsek

Lecher Bürgermeister Stefan Jochum nimmt Stellung zu den Anzeigen.

Nach den Anzeigen gegen die Sportstätte Lech Zürs GmbH als Betreiberin der „Flexen­arena“ bezüglich der Bauarbeiten für die Weltcupstrecke in Zürs ist die Stimmung in Vorarlberg gekippt. Die Vorfreude auf das Weltcuprennen ist bei vielen dahin, der Ärger vielerorts groß. Was sagen Sie als betroffener Geschäftsführer dazu?
Stefan Jochum: Ich muss sagen, dass ich enttäuscht bin, weil der gesamte Sachverhalt in der Öffentlichkeit sehr verkürzt dargestellt wird und aus dem Projekt ein Politikum geworden ist. Für uns stand und steht immer der Sport im Vordergrund. Ich kann auch als Vizepräsident vom Vorarlberger Skiverband sagen, dass wir jahrelang, um nicht zu sagen jahrzehntelang um eine permanente Trainingsstrecke in Vorarlberg gekämpft haben und uns die Rückkehr des Skiweltcups wünschten. Jetzt sind wir vom OK-Team die Buhmänner, obwohl wir es geschafft haben, diese beiden Ziele in einem Projekt umzusetzen. Was wir ja nicht für uns machen, wir sind eigentlich auch keine Firma, sondern ein Verein. Uns geht es um den Nachwuchs und den Skisport. Die auf Anraten vom Land Vorarlberg gegründete Sportstättengesellschaft dient nur zur Betreibung und ist eine hundertprozentige Tochtergesellschaft vom Skiclub Arlberg. Keiner der Funktionäre bekommt einen Cent. Auch darum tun uns manche Reaktionen weh.

Welche Reaktionen meinen Sie?
Jochum: Wir werden als die skrupellosen Arlberger dargestellt, die bauen, was sie wollen, und die dafür die Strafe in Kauf nehmen. Das stimmt nicht.

Was stimmt denn?
Jochum: Unsere oberste Prämisse war seit vielen Jahren, in Vorarlberg eine Trainingsstrecke für unseren Nachwuchs, aber auch unsere Kaderläufer zu bekommen, damit sie im Herbst nicht ständig zu den Gletschern fahren müssen. Im Idealfall sollte die Strecke auch außerhalb der Liftzeiten benutzbar sein, was schwierig ist, weil das Sonnenlicht dafür weder am Morgen noch am Abend ausreicht. Im Sommer 2019 haben VSV-Präsident Walter Hlebayna und Patrick Ortlieb erfahren, dass die FIS plant, die Lücke zwischen dem Sölden-Rennen und den Torläufen in Levi mit einem Parallelrennen zu schließen. Die beiden hatten dann die Idee, dass Zürs im Bereich der Flexenbahn ideal als Ausrichter geeignet wäre. Daraufhin haben wir den FIS-Racedirektor nach Zürs eingeladen, damit er den Hang begutachtet – und er war begeistert, der Hang sei perfekt. Wir haben uns beworben, am 23. November 2019 den Zuschlag bekommen und parallel Gespräche mit dem Land geführt: dem Sportreferat, der Sportlandesrätin und mit Landeshauptmann Markus Wallner. Bei den Gesprächen haben wir aufgezeigt, dass wir nicht nur das Weltcuprennen veranstalten, sondern auch eine Trainingsstrecke installieren könnten. Für diesen Fall wurde uns vom Land eine Unterstützung zugesagt, mit der Auflage, dass wir eine schriftliche Zusage für die Trainingsmöglichkeiten vorlegen müssen.

„Jetzt sind wir die Buhmänner“
Auf diesem Hang in Zürs sollen am 26. und 27. November je ein Parallel-Riesentorlauf der Herren und Damen stattfinden – wenn es das Wetter erlaubt. Stiplovsek

Haben Sie diese Zusage?
Jochum: Selbstverständlich. Beim Land rieten sie uns, dass wir eben eine Sportstättengesellschaft gründen und einen Vertrag mit der Ski-Zürs AG als zuständigen Liftbetreiber sowie dem Skiverband abschließen sollten, der den Trainingsbetrieb garantiert. Die Ski-Zürs AG hat auch noch im Winter alle Baupläne eingereicht. Die Bauverhandlung sollte im Mai stattfinden, alles verzögerte sich aber wegen Corona zunächst auf Anfang Juli und dann auf Ende Juli. Bis sie bei der Bezirkshauptmannschaft sagten, dass sie alle Gutachten schon vorab haben möchten, damit sie uns sofort nach der Verhandlung Bescheid geben könnten. Letztlich hat die Bezirkshauptmannschaft die Verhandlung am Dienstag, dem 18. August, vor Ort durchgeführt, bei der auch Naturschutzanwältin Katharina Lins dabei war. Am Ende dieser Verhandlung hat die Bezirkshauptmannschaft anhand der Gutachten entschieden, dass dieses Projekt umsetzbar sei und uns zugesagt, dass der positive Bescheid bis Freitag fertig sei und wir am Montag, dem 24. August, mit den Arbeiten beginnen könnten. Darauf haben wir uns verlassen.

Aber?
Jochum: Wir haben am Montag mit dem Ausmessen begonnen und die Bagger in Stellung gebracht. Bis wir von der BH den Anruf bekamen, dass sie übersehen hatten, dass zwei Stellungnahmen fehlten. Wir haben die Stellungnahmen innerhalb von zwei Tagen nachgereicht, letztlich war der positive Bescheid nicht wie zugesagt mit 22. August, sondern mit 28. August datiert. Diese Verzögerung fällt nicht in unseren Verantwortungsbereich, aber wir stehen dazu, dass wir am Montag mit den Vorarbeiten begonnen haben. Wir haben allerdings die Arbeiten sofort nach dem Anruf gestoppt.

Warum waren eigentlich Geländekorrekturen notwendig, wenn der Hang von der FIS als so ideal eingestuft wurde?
Jochum: Sie sagen es richtig: Geländekorrekturen. Es wurde kein zusätzliches Material verwendet. Diese Korrekturen waren notwendig, weil die Vorgabe der FIS war, dass es für ein Parallelrennen links und rechts zwei Läufe braucht, die gleich schnell sind. In der Mitte des Hangs war rechts ein kleiner Hügel, den haben wir abgetragen und unten auf der Kante wieder aufgeschüttet. Was wir auch gemacht haben, war, die Schneeanlage zu erweitern, wir haben dafür komplett neue Leitungen verlegt sowie die Elektroleitungen für den ORF und die Stromleitungen für die Flutlichtanlage; alles so, wie es in dem positiven Baubescheid angeführt ist. Die Auflage war, dass wir den Großteil der Beleuchtung temporär für die Weltcuprennen aufstellen, danach wieder abbauen und nur die Masten stehenlassen, die es für die Trainingsstätte braucht. Also sechs links und sechs rechts, die wir frühestens im Oktober aufstellen und mit Ende der Wintersaison wieder abmontieren müssen. Wir haben ja sogar Zugeständnisse an Katharina Lins gemacht und für Februar und März andere Nutzungszeiten vereinbart als für November, Dezember und Jänner.

Dennoch gibt es auch eine Anzeige betreffend der Betonfundamente für die Flutlichtmasten.
Jochum: Bei der Bauverhandlung Ende August hat sich herausgestellt, dass die Masten, die über den gesamten Winter stehen bleiben, ein spezielles Betonfundament benötigen. Natürlich haben wir sofort bei der Gemeinde eine Widmung für diese Betonfundamente eingereicht – nur war eben am 13. September die Gemeinderatswahl, und der Raumplanungsausschuss hat nicht mehr getagt. Der neue Raumplanungsausschuss wurde schnellstmöglich nominiert, weil es in Lech eine Stichwahl gab, war das erst per diesen Mittwochabend möglich. Bis dahin gab es kein Gremium, das unseren Antrag behandeln hätte können. Ja, wir vom OK-Team sind da in einen Formalfehler geschlittert – trotzdem haben wir nichts Illegales gemacht.

Das heißt?
Jochum: Die Rennen unterliegen dem Veranstaltungsgesetz, und laut diesem Gesetz braucht es eine Bewilligung der Gemeinde für jene Anlagen, die für die Durchführung der Veranstaltung benötigt werden. Diese Genehmigung haben wir. Wir haben einen Bescheid von der Gemeinde, der uns erlaubt, die Fluchtlichtanlage aufzustellen, in dem Bescheid ist auch angeführt, dass die Betonfundamente aus Sicherheitsgründen notwendig sind. In dem Bescheid steht weiters, dass diese Betonfundamente mit Ende der Skisaison im Frühjahr 2021 entfernt werden müssen. Bis dahin müssen die zwölf Betonfundamente gewidmet sein, dann sind sie auch über das Frühjahr 2021 hinaus rechtens.

„Jetzt sind wir die Buhmänner“
Eine Gegenhang-Ansicht der Weltcup- und Trainingsstätte in Zürs. Stipllovsek

Ihre Kritiker werden ins Feld führen: Natürlich wird die Gemeinde Lech diese Betonfundamente widmen, Sie sind ja der Bürgermeister.
Jochum: Wir beim Skiclub Arlberg haben im November 2019 die Funktionen für die Durchführung der Rennen festgelegt. Patrick Ortlieb erklärte sich bereit, OK-Präsident zu werden, und ich sollte als OK-Geschäftsführer die Verantwortung für die Umsetzung der Rennen übernehmen. Damals dachte ich nicht im Traum daran, Bürgermeister von Lech zu werden. Ich habe mich erst im Juni 2020 entschieden, für das Amt zu kandidieren. Weil ich nach einem polarisierenden Wahlkampf Bürgermeister wurde, denken jetzt wohl tatsächlich manche, dass ich es für uns richte. Aber ich habe nur deshalb nicht sofort die Funktion des OK-Geschäftsführers zurückgelegt, um einen reibungslosen Ablauf zu garantieren. Das sehr engagierte OK-Team entlastet mich, und auch Patrick Ortlieb übernimmt viel vom operativen Geschäft; dafür hätte ich keine Zeit mehr. Und nein: Ich werde nichts richten.

Weiters wird Ihnen vorgeworfen, zu früh beschneit zu haben.
Jochum: Wir haben die Schneeanlage runderneuert, alle alten Rohre durch neue ersetzt. Von den Behörden ist vorgeschrieben, dass eine neue Schneeanlage getestet werden muss, bevor sie in Betrieb darf; es geht darum, ob die Rohre halten. Diesen Test macht die Firma, die alles installiert hat, gemeinsam mit der Liftgesellschaft. Wir haben den Test bei der BH angemeldet. Als die BH aber Fotos bekommen hat, legte sie uns den Test als Beschneiung aus, und weil eine Beschneiung erst vier Tage später erlaubt war, bekamen wir eine Anzeige. Wir müssen das akzeptieren.


Wie verhält es sich mit dem zur Anzeige gebrachten Schneedepot?

Jochum: Die Ski-Zürs AG hat im Frühling Schnee in eine Mulde zusammengeschoben und diesen Schnee mit Hackschnitzel abgedeckt. Bei der Bauverhandlung wurden wir sogar von Katharina Lins gelobt dafür, dass wir keine Plane benutzt hatten. Das Schneedepot wurde genehmigt, aber weil der Schnee mit Hackschnitzel zugedeckt war, hätte es sofort eine Genehmigung gebraucht, die hatten wir von April bis August nicht. Diesen Vorwurf müssen wir uns gefallen lassen.

Es heißt auch, Sie hätten unerlaubt einen Zufahrtsweg errichtet.
Jochum: Der Zufahrtsweg zur Bergstation bestand schon als Alp­weg. Als es bei der Verhandlung um die Transporte des Schnees vom Depot ging, kam seitens der Naturschützer die Idee auf, es wäre effizienter, wenn der Schnee nicht in den Ort hinuntergebracht würde. Sondern wir den Weg zur Bergstation nützen. So könnten wir viele Transport-Kilometer einsparen. Im Zuge der Bauarbeiten an der Strecke wurde deshalb der Weg verbreitert. Es gab dann eine zweite Bauverhandlung. Da wurde uns bescheinigt, alles gut umgesetzt zu haben, aber es hieß, dass wir ein Ansuchen stellen hätten müssen – obwohl wir den Weg auf Empfehlung der Naturschützer verbreitert hatten. Das sind die ganzen Vorwürfe, das ist die ganze Geschichte.

Bleibt noch: Kritiker behaupten, der Hang wäre als Trainingsstätte ungeeignet, weil er zu kurz und zu flach wäre. Was sagen Sie dazu?
Jochum: FIS-Renndirektor Markus Waldner sagt, wenn er den perfekten Hang für ein Weltcup-Parallelrennen entwerfen könnte, käme unser Hang heraus, weil er oben steil ist, in der Mitte flach und zum Ziel hin wieder steil wird. Und als Trainingsstätte soll der Hang unpassend sein? Natürlich können keine Abfahrtsläufe gefahren werden, aber für Slalom- und Riesentorläufe und Materialtests ist der Hang mehr als ausreichend lang. Ich wünsche mir in der Diskussion mehr Sachlichkeit und weniger Politikum.

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