Als Rückkehrer auf dem Weg an die Spitze

Thomas Steu steht kurz vor dem Gewinn der Weltcupwertung der Doppelsitzer.
Ein Triumph bei einem Weltcuprennen darf als großer Erfolg verbucht werden. Keine Frage. Ist dieser Sieg noch dazu zum Weltcup-Auftakt und auf der Heimbahn erfolgt, schmückt sich der Erfolg mit noch größerem Glanz. Doch wenn der Sieg im ersten Rennen nach einer schweren Verletzung erfolgte und damit jeglicher Erwartungshaltung auf die vordersten Plätze entbehrt, dann wird er für immer seinen Platz im Herzen finden. Deshalb ordnet auch Thomas Steu den Sieg in Innsbruck Ende November zum Start der Kunstbahnrodler für sich klar ein: „Es war sicher der emotionalste Sieg, den wir bis jetzt hatten, und der schönste.“
Es sollte nicht der letzte in dieser Saison bleiben. Der 26-jährige Bludenzer schickt sich nämlich an, mit seinem Tiroler Partner im Doppelsitzer Lorenz Koller den Gesamtweltcup zu holen. Zudem steht noch die Weltmeisterschaft in einer Woche in Königssee auf dem Programm. Auch dafür rechnet sich das Duo Chancen aus. Bis es soweit kommen konnte, musste Steu einen langen Weg bei der Rückkehr nach schwerer Verletzung hinnehmen.

Sturz als Therapie
Es war ziemlich genau vor einem Jahr, als Steu im lettischen Sigulda bei einem Trainingssturz einen komplizierten Schien- und Wadenbeinbruch sowie einen Kahnbeinbruch in der Hand erlitt. Noch immer halten 25 Schrauben das Bein zusammen. Doch bereits im NEUE-Interview im März versicherte der Rodler, beim Auftakt wieder am Start zu stehen. Ab Mai arbeitete der Sportler intensiv an seinem Oberkörper, nahm zudem Therapien im Olympiazentrum in Anspruch und kehrte zu den ersten Trainings Anfang Oktober in den Eiskanal zurück. Und die Rückkehr auf das Sportgerät fand just an jenem Ort statt, an dem er sich so schwer verletzt hatte.
„Beim ersten Doppellauf war ich schon angespannter als sonst. Ich hatte keine Angst, aber ich war nervös“, blickt der Athlet auf den ersten Trainingsstart zurück. Ein neuerliches Unglück sollte auf dem Fuß folgen. Beim ersten Versuch stürzte das Duo exakt an derselben Stelle wie einige Monate zuvor. Der zweite Anlauf resultierte im gleichen Ergebnis, neuerlicher Sturz an dieser Stelle. Glücklicherweise blieben die beiden Missgeschicke in diesem Fall ohne körperliche Folgen. Doch wo bei den meisten Sportlern der Kopf anfängt zu rattern, das Selbstvertrauen ins Bodenlose abfällt und die Knie weich werden, holte sich ein Steu Sicherheit. „Von dort weg war es wieder ganz normal. Ich habe gesehen, dass schwere Verletzungen sehr selten passieren. Damit habe ich eigentlich abgeschlossen“, erklärt er es simpel. Der Vorarlberger ist eben keiner, der lamentiert. Keiner, der sich lange mit Vergangenem aufhält. Keiner, der über Was-wäre-wenn-Szenarien grübelt. Die Stürze dienten vielmehr der eigenen Therapie.

Konstanz
Daher stellte auch die Weltcup-Rückkehr nach Lettland keine mentale Hürde mehr dar. Bei den auf Sicherheit bedachten Fahrten reichte es für das beste österreichische Duo immerhin zu Rang fünf. Dabei war es das bisher zweitschwächste Ergebnis in diesem Winter. Doch das liegt vielmehr an den sonstigen Ergebnissen des westösterreichischen Duos. Bereits zum Saison-Auftakt gab es den Doppelerfolg auf der Bahn in der Tiroler Landeshauptstadt. Es folgte der dritte Sieg in ebensovielen Auftritten in Altenberg. „Dass es so aufgeht, hätte ich mir nicht gedacht. Ich hätte auch nicht gedacht, dass wir auf jeder Bahn so eine Konstanz zeigen. Bis auf einen Lauf in Winterberg war jedes Rennen gut“, fasst Steu den bisherigen Winter zusammen.
Wie stark die beiden derzeit unterwegs sind, zeigte nicht zuletzt der Auftritt in Oberhof vom vergangenen Wochenende. Mit neuem Streckenrekord sorgten sie für den vierten Saisonerfolg. „Ich glaube, da hat das letzte österreichische Doppel vor etwa 40 Jahren gewonnen. Einen Bahnrekord hat es glaube ich, noch nie von Österreichern gegeben“, ordnet der Steuermann dieses Resultat ein. Zumeist können die Deutschen ihren Heimvorteil auf dieser technisch anspruchsvollen Strecke besonders ausspielen.

Gesamtführung ausgebaut
All die positiven Ergebnisse resultieren nun in der Führung der Gesamtwertung der Doppelsitzer. Mit dem gestrigen Rennen beim zweiten Auftritt in Innsbruck konnte der Vorsprung auf 111 Punkte ausgebaut werden. Und es stehen nur mehr zwei Rennen, bei denen ein Maximum von 200 Punkten erreicht werden kann, auf dem Programm, wobei heute der Sprint wartet. Da trübten auch die drei Tausendstel Rückstand auf die Zweiplatzieren Andris und Juris Sics die Stimmung nicht. „Das Rennen war nicht herausragend. In beiden Läufen hatten wir kleinere Fehler. Mit dem Ergebnis sind wir aber grundsätzlich zufrieden, weil wir vor ihnen sind“, rückte der Rodler das Ganze ins rechte Licht.
Und mit „ihnen“ waren die ärgsten Konkurrenten Toni Eggert und Sascha Benecken aus Deutschland gemeint, für die es nur zu Rang fünf reichte. Damit wurde das Minimalziel, vor der Konkurrenz zu bleiben, erreicht. Es wäre seit neun Jahren der erste Doppelsitzer-Gesamtweltcupsieg für Österreich. Wohl nur mehr ein kleines Wunder könnte das noch verhindern. Der Stellenwert eines solchen Triumphs wäre für Steu kaum hoch genug einzuschätzen: „Es ist eigentlich das Größte für uns nach Olympia. Weil es einfach die Konstanz über die gesamte Saison braucht und man Rennen gewinnen muss.“ Dennoch bleibt er im Hier und Jetzt und weiß, dass das große Ziel noch nicht erreicht ist. Er ist eben keiner, der sich mit Was-wäre-wenn-Szenarien beschäftigt.

Ziel für WM
Bei all den erfreulichen Ergebnissen mag das lädierte Bein fast in Vergessenheit geraten. Denn aufgrund der ständigen Belastung und der geringeren Zeit für Therapien melden sich auch Schmerzen wieder zurück. Doch diese sind auszuhalten, wie der Rodler versichert. Nach der Saison sollen auch die Schrauben im Bein entfernt werden, wie er erklärt: „Ich kann keine Kniebeugen machen, noch nicht einmal joggen, weil die Beweglichkeit im Fuß so schlecht ist. Die wird aber hoffentlich besser, wenn die Schrauben herauskommen. So bin ich schon ziemlich eingeschränkt.“
Doch bevor es so weit ist, steht neben dem wahrscheinlichen Gewinn der Gesamtwertung zudem noch eine Weltmeisterschaft auf dem Plan. Am kommenden Wochenende geht es zum zweiten Mal in dieser Saison nach Königssee. Und Steu formuliert Mindestambitionen für das Ereignis in Bayern: „Das Ziel ist eine Medaille. Wenn alles perfekt läuft, kann auch mehr herausschauen.“ Es wäre der nächste Triumph in der Vita des Alpenstädters in einer unnachahmlichen Saison.