Warum die Ski-WM für Österreich bitter werden könnte

Heute werden Ski-Weltmeisterschaften in Méribel und Courchevel eröffnet.
Das letzte Rennen vor der WM in den französischen Skiorten Méribel (hier fahren die Damen um Medaillen) und Courchevel (hier sind die Männer im Einsatz) in Chamonix war Sinnbild der derzeitigen Kräfteverhältnisse im internationalen Skisport. Österreich fand sich “unter ferner liefen”, an der Spitze stand ein Schweizer, wie so oft in diesem Jahr. Ein Bild, wie es auch der Nationencup, in dem die jahrzehntelange Dominanz wie weggeblasen ist, wiedergibt: Österreich rangiert bei Damen wie Herren nur noch auf Rang drei – was zusammengezählt zwar noch immer Platz zwei hinter der Schweiz ergibt, aber nachdenklich machen sollte.
Eines hat sich jedenfalls geändert: “Sechs bis acht” war über Jahre die immer gleiche Antwort von Peter Schröcksnadel auf die Frage nach der “Medaillenvorgabe” bei einer Alpinen WM. 2023 heißt es da vom alpinen Sportdirektor Herbert Mandl schon “vier bis sechs” – und selbst dafür muss viel zusammenpassen. Und davon, dass im Skigebiet der “Trois Vallées” Rekorde wie 1967 in Chamonix eingefahren werden, ist man ganz weit entfernt.
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Da liegt die Sorge näher, wie 1937, ebenfalls in Chamonix, mit nur einer Medaille das Auslangen finden zu müssen. Denn: Mit Vincent Kriechmayr, der immerhin als Doppelweltmeister anreist und auch bei der WM-Generalprobe in Courchevel im Vorjahr gleich zwei Siege in den Speed-Disziplinen einfuhr (damals übrigens zweimal vor dem heurigen Saisondominator Marco Odermatt), gibt es nur einen einzigen Saisonsieger. Das ist ungewohnt für die “beste Skination der Welt”.
So schnell der Absturz in dieser Saison erfolgte, ganz – und so ehrlich muss man sein – unerwartet kam er nicht. Denn so, wie sich das Klima wandelt, kündigte sich auch die Wachablöse im Skisport an allen Ecken und Enden an, auch wenn er durch Verletzungen, Rücktritte und andere unglückliche Umstände verschärft wurde. Nur “Skiklima-Leugner” sahen den Wandel nicht und hielten sich verzweifelt an einzelnen Phänomenen fest – genau wie jene, die die aktuellen Schneefälle in Österreich als Beweis nehmen, dass der Klimawandel Hirngespinst sei.
Multimediales Dossier
Es gibt eine Krise im Österreichischen Skiverband
Die Ergebniskrise ist aber auch eine des Österreichischen Skiverbandes – und sie beginnt selbstverständlich dort, wo auch der große Erfolg in den Jahrzehnten davor seinen Ausgangspunkt nahm: beim über 30 Jahre allmächtigen Präsidenten Peter Schröcksnadel, der zwar den Verband über lange Jahre zum erfolgreichsten der Welt formte, aber dann übersah, sich um eine geordnete Nachfolge zu kümmern.
Und so wurde aus einer Evolution eine (mehrfache) Revolution: Die neue Spitze mit Roswitha Stadlober als Ersatzlösung für den aus privaten Gründen abgesprungenen Kompromisskandidaten, der einspringen musste, weil sich für die Wunschvorstellungen aller Seiten keine Mehrheit finden ließ, hat alles versucht. Doch scheint die Dreierspitze mit Geschäftsführer Christian Scherer und dem für alpine Agenden zuständigen ÖSV-Finanzreferenten Patrick Ortlieb nicht mehr überall zu harmonieren. Und diese Dissonanzen machen sich auch nach unten bemerkbar.
Der eigene Nachwuchs wurde zuletzt vergessen
Im Bemühen, alles neu zu machen, wurden wohl auch funktionierende Strukturen getauscht und erfolgsbringende Pfade verlassen. Zumindest wurde so schonungslos offengelegt, worauf man zu wenig Wert legte: den eigenen Nachwuchs. Denn im Vertrauen, dass der Strom an jungen Nachwuchstalenten eine Art “Perpetuum mobile” sei, wurde alle Konzentration auf die Spitze gelegt. Doch die dünnt nun aus – und die Basis liefert nicht nach. So inszeniert sich Ortlieb bereits als “Feuerwehr”, die die Brände, ausgelöst durch Versäumnisse in der Vergangenheit, löschen muss. “Dann wäre es aber an der Zeit, dass die Feuerwehr endlich das Blaulicht einschaltet, am Stau vorbeizieht und löscht”, murrt ein Insider – zu vielseitig seien die Probleme. Es geht von fehlenden dauerhaften Trainingspisten auf Weltcup-Niveau über unterfinanzierte Landesverbände, fehlende Grundausbildung in der Kindheit und immer weniger werdenden Klubtrainern mit dem richtigen Gespür bis hin zu explodierenden Kosten, denen sich ambitionierte Nachwuchsathletinnen und -athleten bzw. deren Familien gegenüber sehen.
Es mag ein schwacher Trost sein: Es ist nur ein Jahrzehnt her, da war die Schweiz in einer ähnlichen Lage. 2012/2013 waren die Eidgenossen im Nationencup auf Rang sieben abgestürzt. Heute ist die Schweiz bei Damen wie Herren Vorzeigenation – man hat offenbar an den richtigen Schrauben gedreht. Das muss auch in Österreich passieren. Das “Prinzip Hoffnung” – Doppelweltmeisterin Katharina Liensberger und Co. können das Skifahren nicht verlernt haben – wird kaum reichen. Selbst wenn die Rolle als Jäger wirklich ungeahnte Kräfte freisetzt und ohne Druck Wunder möglich sind. So oder so: Courchevel/Méribel 2023 – das kann für die Skination bitter werden.