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„Das ist fast schon wie in der Formel 1“

06.03.2023 • 16:59 Uhr / 10 Minuten Lesezeit
„Das ist fast schon wie in der Formel 1“
Das Team Vorarlberg der Saison 2023. Klaus Hartinger

Zwillingsbrüder Thomas und Johannes Kofler sind die Macher bei der Radequipe Team Vorarl­berg.

Wie lange dauert die Vorarbeit, bis das Team Vorarlberg, so wie präsentiert, in die Saison starten kann?
Johannes Kofler: Was das Material betrifft, beträgt die Vorlaufzeit als Minimum ein halbes Jahr, für gewöhnlich beginne ich im August mit der Planung. Die übrigen Planungen wie die Teamzusammenstellung liegt in der Verantwortung von Thomas.

Thomas Kofler: Zu einer Saisonplanung gehört natürlich viel mehr als die Kader- und Materialplanung, diese Punkte sind klarerweise schon seit längerer Zeit abgeschlossen. Mit anderen Planungen sind wir im Grunde selbst jetzt noch nicht fertig, ein ganz großer Punkt ist die Fixierung des Rennkalenders sowie die Sponsorensuche, hinzu kommen noch sehr viele organisatorische Aufgaben. Sportlich steht jetzt der Formaufbau im Fokus, in den kommenden drei Wochen sind wir dafür auf Rhodos. Wir nehmen dort an drei Rennen teil, einem Tagesrennen sowie einer zweitägigen und einer dreitägigen Tour. Sechs oder sieben Fahrer starten jeweils bei einem Rennen, die anderen absolvieren ein Trainingslager, beim nächsten Rennen wird neu durchgemischt. Das werden sehr intensive Wochen für uns. Die personelle Planung ist grundsätzlich ein laufender Prozess. Es werden fortwährend Vorgespräche mit Fahrern geführt, nach dem Ende einer Saison werden die Gespräche konkreter.

Unter welchen Kriterien erfolgt die Fahrerauswahl?
Thomas Kofler: Wir haben eine große Erfahrung, das hilft uns, außerdem wissen wir immer sehr genau, in welche Richtung wir uns als Team entwickeln wollen. In diesem Jahr haben wir uns sehr breit aufgestellt, wir wollten nicht nur Bergfahrer, sondern auch Spezialisten für die Klassiker. Einen klassischen Sprinter haben wir nicht verpflichtet, denn dann brauchst du drei, eher vier Fahrer, die nur für den Sprinter arbeiten, und das passt nicht zu unserer Saisonausrichtung. Wir konzentrieren uns in diesem Jahr eher auf die Rundfahrten. Grundsätzlich ist es so, dass viele gute Fahrer uns ansprechen, dabei passiert das, was uns oft passiert: (lacht) Viele verwechseln uns und gehen auf Johannes zu und deponieren bei ihm statt bei mir, dass sie gerne für das Team Vorarlberg fahren würden, diese Eigeninitiative der Fahrer ist eine große Auszeichnung für uns. Es ist auch gar nicht so verkehrt, wenn sich die Fahrer bei Johannes melden, denn er hat eigentlich sogar den noch besseren Marktüberblick als ich.

„Das ist fast schon wie in der Formel 1“
Die Zwillingsbrüder Johannes (.) und Thomas Kofler. Klaus Hartinger

Johannes Kofler: Wir wählen die Fahrer im Sechs-Augenprinzip aus: Sportdirektor Werner Salmen, Thomas und ich treffen diese Entscheidungen gemeinsam. Ein ganz wichtiger Aspekt dabei sind die Charaktere der Fahrer. Im Radsport kannst du keine Einzelkämpfer brauchen, du gewinnst nur als Team, ohne funktionierende Einheit bist du chancenlos bei einer Rundfahrt. Wir wollen bei der Österreich-Rundfahrt unter die Top Drei, dafür muss alles stimmen.

Wie läuft die Planung des Team-Rennkalenders ab?
Thomas Kofler: Auch das ist ein laufender Prozess, der ebenfalls schon im Herbst beginnt. In diesem Jahr ist es so, dass wir schon für Rennen im August unterschrieben haben, ohne für den April alles fixiert zu haben. Wir haben uns einen guten Ruf in der Continental-Liga erarbeitet und sind sehr gut vernetzt, deshalb bekommen wir sehr interessante Angebote. Wir wurden für die renommierte Portugal-Rundfahrt im August eingeladen. Diese Einladung ist eine Ehre, die nimmt man an oder schlägt sie mit Bauchweh aus, wenn sie so gar nicht in die Planungen passt; aber man kann sie nicht wochenlang unbeantwortet lassen. Deshalb steht dieser Termin schon, während andere Entscheidungen noch offen sind.

Johannes Kofler: Die Portugal-Rundfahrt passt perfekt zu unserer Saisonausrichtung. Das ist eine harte, zweiwöchige Tour im Hochsommer, wer zu diesem Zeitpunkt gut in Form ist, nimmt die Form in den Herbst mit. Gestern haben wir erstmals seit drei Jahren eine Einladung zu einem Pro-Series-Rennen erhalten. Unser Team wurde als einziges ausländisches Continental-Team zur Tour de Slovenia eingeladen. Da fahren wir ausschließlich gegen die besten Teams der Welt, wie jenes von Tadej Pogacar.

Die Planung des Team-Rennkalenders ist das eine – wie läuft die Rennkalender-Planung der einzelnen Fahrer ab?
Thomas Kofler: Da entwickeln sich mitunter sehr intensive Diskussionen, in die vom Sportlichen Leiter bis zum Physio alle eingebunden sind. Weil es schon sein kann, dass ein Fahrer ein Unverständnis hat, dass er ein bestimmtes Rennen nicht fahren darf. Unser Ansatz ist, dass jeder auf seine Rennen kommt – auch die jungen Fahrer. Diskussionen über die Renneinsätze gibt es also, Streit nie, weil sich letztlich jeder über Leistung aufdrängen kann. Auch im Training. Wenn wir sehen, dass ein Fahrer starke Wattwerte bringt über längere Phasen, wird er zum Einsatz kommen. Wir sind sehr transparent bei unseren Entscheidungen – und ehrlich.

Johannes Kofler: Gerade im Frühjahr geht es auch darum, die Fahrer nicht mit zu vielen Renntagen zu überfordern, damit sie zur ­Jahresmitte noch frisch genug sind.

Gibt es eigentlich beim Material noch Geheimnisse?
Johannes Kofler: Es ist natürlich bekannt, welche Materialien der Markt hergibt, ein Geheimnis ist aber, welche Materialien miteinander kombiniert werden. Bei der Materialauswahl geht es um jedes Gramm, jede Gewichtseinsparung löst einen Leistungssprung aus, das ist fast schon wie in der Formel 1. Aber es gilt abzuwägen. Eine Aluminium­schraube als Vorbauschraube zu verwenden, würde zwar Gewicht sparen, aber die würde zu leicht brechen. Das heißt also, man geht ans absolute Limit, muss aber jedes Materialrisiko vermeiden.
Thomas Kofler: Die Materialwahl ist längst eine echte Wissenschaft, und wir sind froh, dass wir mit Johannes so einen Spezialisten auf dem Gebiet haben.

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Johannes Kofler: Auf dem Materialsektor hat sich in den vergangenen Jahren sehr viel getan. Die elektronische Schaltung, die Scheibenbremsen, die hydraulische Bremse, die Kabel am Cockpit sind verschwunden. Alles wird der Aerodynamik untergeordnet, das Gesamtkonzept Rad beinhaltet längst auch die Schuhe, den Helm, die Bekleidung. Wir sind aktuell bei unseren BMC-Rädern bei einem Radgewicht von 7,1 Kilogramm, damit sind wir im Spitzenfeld, 200 Gramm dürften wir noch leichter werden, aber diese 200 Gramm zu finden, ist sehr aufwendig und vor allem sehr teuer.

Ein wichtiger Faktor bei der Materialauswahl ist natürlich auch, wie schnell während eines Rennens eine Reparatur möglich ist?
Johannes Kofler: Natürlich, ein Laufradwechsel dauert nur noch etwa fünf bis zehn Sekunden. Auch das kann man sich wie einen Boxenstopp in der Formel 1 vorstellen. In nicht so stressigen Rennsituationen wird das Laufrad gewechselt, in der Endphase ziehen wir einen Radwechsel vor, um kein Risiko einzugehen.

Thomas Kofler: Bei einem Laufradwechsel kann immer was passieren, wie in der Formel 1 beim Reifenwechsel. 99 Mal sitzt jeder Handgriff, beim 100. Mal passiert eine Panne – oft genau dann, wenn sie der Fahrer am wenigsten kompensieren kann. Wenn in der Endphase des Rennens der Konvoi weg ist, ist das Rennen vorbei. Ein Umstieg auf ein neues Rad dauert ebenfalls etwa zehn Sekunden.

Wie groß ist der Team-Tross bei einem Rennen?
Thomas Kofler: Im Normalfall sind sechs bis sieben Fahrer am Start, das Betreuerteam umfasst fünf, manchmal sechs Personen. Physio, Mechaniker, Sportliche Leitung, Helfer, Pressebetreuer, manchmal ein zweiter Physio. Wir haben einen Mannschaftsbus für die Fahrer, den Arlberg Express, das ist ein echter VIP-Bus, und dann haben wir einen Bus für die Betreuer und das Material. Wir haben Platz für sieben Kompletträder und viele Kleinteile. Außerdem sind wir mit ein bis zwei Teamfahrzeugen vor Ort.

Bleibt noch: Ihr Teamname beinhaltet das Wort Vorarlberg. Inwieweit ist das auch eine selbstgewählte Mission, unser Bundesland zu repräsentieren?
Thomas Kofler: Ja, wir verstehen uns als eine Art Vorarlberger Nationalmannschaft, darum ist auch ein Laurin Nenning in unserem Team. Sportlich hätte er dafür vielleicht noch nicht die Berechtigung, aber als Vorarlberger mit Potenzial setzen wir auf ihn, er kann sich wie Dominik Amann, Linus Stari oder der Wahl-Vorarlberger Nikolaus Riegler entwickeln. Wir sind natürlich ein Botschafter des Landes Vorarlberg und tragen unsere Werte ebenso wie unsere Sponsoren nach ganz Europa hinaus.

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