Sport

Und schon wieder ist eine Hoffnung verglüht

01.06.2023 • 01:00 Uhr / 8 Minuten Lesezeit
Georg Festetics wurde erst am ­20. Oktober als neuer SCRA-Sportdirektor vorgestellt.  <span class="copyright">SCRA</span>
Georg Festetics wurde erst am ­20. Oktober als neuer SCRA-Sportdirektor vorgestellt. SCRA

In Altach steht schon wieder ein Neuanfang an, denn schon wieder wird der Misserfolg an einzelnen Köpfen festgemacht. Der SCRA mutiert zum Chaosklub. Eine Einordnung.

Es zeichnet sich seit Wochen ab, dass man beim SCR Altach Sportdirektor Georg Festetics für die akute Abstiegsgefahr im Frühjahr hauptverantwortlich macht und der Tiroler nach nur sieben Monaten seinen Posten wieder räumen muss.

Vorwürfe

Nun steht die Trennung unmittelbar bevor. Wie üblich in solchen Fällen wurden schon vor Wochen Infos lanciert, wonach Festetics auf dem Winter-Transfermarkt versagt hätte und er den Verein bei Interviews nicht gut repräsentiere. Vor der Aufsichtsratssitzung vom Dienstag war dann mehr oder weniger bereits klar, dass Altach zum dritten Mal innert 25 Monate einen Sportdirektor abberuft, nachdem man im März 2021 den Abschied von Christian Möckel verkündete und im September 2022 den anstehenden Abgang von Werner Grabherr ankündigte.

Lange Diskussionen
Wie schon bei der Aufsichtsratssitzung vom Dienstag zogen sich auch gestern die klubinternen Gespräche über das Schicksal von Festetics. Die Tendenz der vergangenen Tage hat sich aber verfestigt: Festetics wird mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit heute freigestellt. Eine harte Entscheidung.
Klar ist: Festetics sind in seiner Amtszeit zweifelsfrei Fehler unterlaufen. Die Leihe von AC-Milan-Talent Marko Lazetic entpuppte sich als Flop, der Serbe hinterließ mit seiner laschen Körpersprache einen geradezu katastrophalen Eindruck; wobei auch zur Wahrheit gehört, dass Lazetic nie auf seiner angestammten Mittelstürmer-Position eine echte Chance bekam, sondern am linken Flügel eingesetzt wurde. Anlasten kann man Festetics auch, dass er bei der Verpflichtung des verletzungsanfälligen Mike Bähre ins Risiko ging – und daher das verletzungsbedingte Saisonaus von Bähre im April nach nur sechs Einsätzen absehbar war. Mit dem Zusatz, dass er davor auf dem Platz sehr wohl funktioniert hat und dem SCRA-Spiel eine Struktur gab. Und sicherlich richtig ist auch der Vorwurf, dass Festetics vor dem Mikrofon keine gute Figur machte.

Wirklich gescheitert?

Die Frage ist aber: Wiegen diese Fehler so schwer, dass sie eine Trennung nach nur sieben Monaten rechtfertigen und einen neuerlichen Neustart auf dieser Position nötig machen? Zumal Festetics mit Andreas Jungdal, David Herold und Husein Balic in der traditionell sehr schwierigen Winter-Transferphase drei starke Verpflichtungen gelungen sind – wie der Kicker gestern berichtet, wird Bayern-Leihgabe Herold inzwischen mit Rapid und dem LASK in Verbindung gebracht. Mit Jurica Jurcec und Simon Nelson gehen dagegen zwei große Winter-Flops auf die Kappe von Miroslav Klose. Bei anderen eigenwilligen Spielervorschlägen von Klose soll Festetics sein Veto durchgesetzt haben: Wie bei Heinz Mörschel, der seit Sommer 2022 vereinslos war und gleich zwei Mal in Altach vorspielen durfte. Festetics und Klose hatten dem Vernehmen nach generell völlig konträre Ansichten bei der Kaderentwicklung, was Festetics Position von Anfang an schwächte, da Klose beim SCRA lange Zeit praktisch über den Dingen stand.

Miroslav Klose wurde am 20. März als Altach-Trainer freigestellt. GEPA/Lerch
Miroslav Klose wurde am 20. März als Altach-Trainer freigestellt. GEPA/Lerch

Unkritisch mit sich selbst

Man kann bei Festetics freilich die Fehlgriffe schwerer bewerten als die gelungenen Transfers und so wie wohl nun die SCRA-Klubbosse zum Schluss kommen, dass er schlichtweg nicht der richtige Mann ist. Vielleicht auch, weil ihm so ein bisschen die Nahbarkeit fehlt. Aber die Trennung von Festetics würde zwangsläufig zu zwei möglichen Schlussfolgerungen führen, die einander auch nicht gegenseitig ausschließen: Dass der Altacher Vereinsführung bei der Bestellung von Festetics erneut ein Fehler bei der Besetzung einer Schlüsselposition unterlaufen ist. Und, dass das Triumvirat um Geschäftsführer Christoph Längle, Vizepräsident Werner Gunz und Präsident Peter Pfanner bei der Bewertung von Festetics deutlich kritischer ist als bei der Bewertung der eigenen Arbeit. Denn wer in weniger als vier Jahren drei Sportdirektoren verpflichtet und zwischen März 2019 und März 2023 fünf Mal den Trainer wechselt, der ist eigentlich selbst massiv in Erklärungsnot. Zumal man sich offenbar auch von Scout Wolfgang Meier schon getrennt hat. Somit dürfte von der neuen dreiköpfigen sportlichen Leitung, die man im November installiert hat, wohl schon sehr bald nur mehr Ex-Profi Philipp Netzer im Amt sein.

Am 2. November 2022 wurden Philipp Netzer, Georg Festetics und Wolfgang Meier bei einer Pressekonferenz als neue Macher im sportlichen Bereich vorgestellt. Wohl schon bald ist aus diesem Trio nur mehr Langzeitkapitän Netzer übrig geblieben. <span class="copyright">GEPA/Lerch</span>
Am 2. November 2022 wurden Philipp Netzer, Georg Festetics und Wolfgang Meier bei einer Pressekonferenz als neue Macher im sportlichen Bereich vorgestellt. Wohl schon bald ist aus diesem Trio nur mehr Langzeitkapitän Netzer übrig geblieben. GEPA/Lerch

Neuanfang um Neuanfang

Altach steht demnach also mal wieder vor einem Neuanfang. Doch wenn regelmäßig Neubeginne ausgerufen werden – ist dann ein Neubeginn noch was Neues? Vor allem, wenn immer die Köpfe auf denselben Positionen ausgetauscht werden? Zu oft schon waren sie bei den Rheindörflern in den vergangenen Jahren in einer Situation wie der jetzigen, zu oft schon hat man nach dem immer selbem Muster den Misserfolg an einzelnen Köpfen festgemacht – ohne, dass sich auch nur irgendwas zum Positiven verändert hätte. Alle neuen Hoffnungsträger verglühten. Am 20. Oktober 2022 noch hat Geschäftsführer Christoph Längle die Festetics-Verpflichtung wie folgt bejubelt: „Georg Festetics passt genau in das Profilbild, welches wir für die Position des sportlich Verantwortlichen erstellt haben. Er konnte sich in seiner Zeit bei der AS Monaco ein globales Netzwerk aufbauen und an der Seite renommierter Sportdirektoren viel Erfahrung sammeln. Gemeinsam mit Wolfgang Meier und Philipp Netzer sehen wir uns gut aufgestellt, um die sportliche Weiterentwicklung des SCR Altach nachhaltig voranzutreiben.“

SCRA-Geschäftsführer Christoph Längle war vor sieben Monaten noch voll des Lobes über Festetics. <span class="copyright">Stiplovsek</span>
SCRA-Geschäftsführer Christoph Längle war vor sieben Monaten noch voll des Lobes über Festetics. Stiplovsek

Schleudersitz
Bleibt die Frage, wer sich unter den gegebenen Umständen zutrauen würde, Sportdirektor in Altach zu werden, wo Sportdirektoren, deren Arbeit eigentlich mittel- und langfristig ausgelegt ist, zuletzt durchschnittlich nur 14 Monate im Amt waren und de facto vom ersten Tag auf einem Schleudersitz saßen. Dieser Tage sorgte für Aufsehen, dass Ex-Sportdirektor Georg Zellhofer in Altach gesichtet wurde und nach bestätigten Informationen den SCRA-Campus besichtigte. Nach NEUE-Informationen hat der 62-Jährige jedoch mit seiner Zeit beim SCR Altach abgeschlossen.
Auch die gehandelte Klub-Legende Hannes Aigner hat kein Interesse an einer Rückkehr. Mit Didi Berchtold kursiert ein weiterer Name eines potenziellen Kandidaten – der VFV-Akademieleiter würde sicherlich das Rüstzeug für den Posten mitbringen, aber wer Berchtold kennt, der weiß, dass sich der Bludenzer auf keine Kompromisse einlässt und er sich nur bei einer klaren Kompetenztrennung auf das Wagnis Altach einlassen würde.
Denn so ungern sie das in Altach auch hören mögen: Der SCR Altach ist kein Vorzeigeklub mehr. Die Rheindörfler würden zwar vieles für dieses Gütesiegel mitbringen, aber inzwischen fehlt die Kontinuität und der Weitblick. Stattdessen ist der SCRA zum Chaosklub mutiert. Und das ist unfassbar.