Gekommen, um hoffentlich zu bleiben

Mit dem neuen Sportdirektor Roland Kirchler sollen in Altach bessere Zeiten anbrechen. Die Verpflichtung des Tirolers hat Charme – aber das hatten frühere Lösungen auch.
Seit dem Beginn der Saison 2018/19 präsentieren die Altacher im Schnitt alle 180 Tage entweder einen neuen Trainer oder einen neuen Sportdirektor. Nachdem im März mit Klaus Schmidt ein neuer Trainer vorgestellt wurde, ist jetzt ein neuer Sportdirektor dran. Roland Kirchler wird Nachfolger von Georg Festetics, dessen Abberufung wie berichtet seit Wochen mehr oder minder beschlossene Sache war und gestern fixiert wurde. Wie üblich in solchen Fällen spuckt nun die Gerüchteküche rund ums Schnabelholz ein geradezu verheerendes Bild vom Abberufenen aus. Doch so dramatisch viel falsch hat Festetics in seinen 212 Amtstagen nicht gemacht. Zumal auch, anders als gestern eingeordnet, der Risikotransfer des verletzungsanfälligen, aber spielerisch starken Mike Bähre ein Wunsch von Miro Klose war. Somit kann Festetics auch nicht der Ausfall des zentralen Mittelfeldspielers angekreidet werden.
Nur Netzer bleibt
Die Altacher haben mit Festetics letztendlich genau das bekommen, wofür sie sich im Herbst 2022 entschieden haben: Einen jungen Sportdirektor, der ob seiner Vita international denkt, international vernetzt ist und internationale Transfers im Fokus hat. Das kann die falsche Philosophie für Altach sein, aber darüber hätten sie sich beim SCRA idealerweise vorher Gedanken machen sollen, was auch vor der Verpflichtung von Klose viele Irritationen erspart hätte.
Mit der Freistellung von Festetics ist es jedenfalls so wie erwartet gekommen: Da sich die Rheindörfler auch von Scout Wolfgang Meier getrennt haben, und zwar bereits Anfang Mai „nach juristischer Prüfung“ per Kündigung, ist nun also tatsächlich von der im November präsentierten neuen sportlichen Leitung nur mehr Ex-Kapitän Philipp Netzer an Bord. Anstelle von Meier wird ab sofort der Deutsche Marc-Andre Kriegl das Scouting übernehmen. Ob sich Kirchler und Kriegl kennen, ist unklar.

Alphaville lässt grüßen
Roland Kirchler jedenfalls ist in vielen Belangen ein Gegenentwurf zu Festetics. Der hemdsärmlige Tiroler hat zuletzt fünf Jahre lang als Sportlicher Leiter der AKA Tirol gearbeitet und kennt daher vor allem den Markt an österreichischen Talenten und Jungprofis sehr genau. VFV-Akademieleiter Didi Berchtold betont: „Ich kenne Roland seit vielen Jahren und freue mich für ihn, dass er diese Chance bekommt. Für uns als Akademie ist seine Berufung positiv, weil wir sicher einen sehr guten Kontakt miteinander haben werden und Rolli den Akademiealltag genauestens kennt.“ Im Profifußball arbeitete der 52-jährige Kirchler zuletzt von März bis Dezember 2013 beim FC Wacker. Als Profi hat der Ex-Nationalspieler bekanntlich einst auch in Altach gespielt, von Jänner 2007 bis Sommer 2008; er bringt sicherlich vieles mit, um beim SCRA zum Sympathieträger zu werden. Und ja, das mit Kirchler kann klappen, weil die Entscheidung zugunsten des kernigen Tirolers Charme hat. Aber vor dieser Ausgangslage standen sie in Altach in den vergangenen Jahren eben viel zu oft, dass ein neuer Heilsbringer verpflichtet wurde, der nicht zuletzt ob der Gegebenheiten beim SCRA letztlich scheiterte.
Darum seien an dieser Stelle die Lobpreisungen der SCRA-Verantwortlichen über den Neuen außen vor gelassen, denn diese Huldigungen gab es Ende Oktober für Festetics, vor einem Jahr für Klose und in Summe für zehn neue sportlichen Schlüsselkräfte, die Altach seit Sommer 2018 geholt hat. Deshalb haben die Altacher viel an Glaubhaftigkeit und Seriosität verloren, wer nach all diesen Neuanfängen noch in der Lage dazu ist, eine Euphorie über den neuerlichen, jetzt aber wirklichen Neuanfang zu verbreiten, der ist mit einem unerschütterlichen Glauben gesegnet oder eben ein ganz eingefleischter Fan. Als Außenstehender muss man es da eher mit der Kultpopband Alphaville halten, die einst sang: „Hoping for the best but expecting the worst“ – also auf das Beste hoffen, aber das Schlimmste erwarten.

Keine klare Trennung
Interessant ist, dass Geschäftsführer Christoph Längle, und diese Aussage ist trotz allem erwähnenswert, in der Aussendung zur Bestellung von Kirchler erklärt: „Roland ist seit über drei Jahrzehnen, erst als Spieler, Trainer und dann als Funktionär, im österreichischen Fußball tätig. Mit der Unterstützung von Marc-Andre Kriegl, Philipp Netzer und von meiner Person haben wir das Ziel, den SCR Altach in ruhigeres Fahrwasser zu bringen.“ Dementsprechend soll Längle bereits mit der Arbeit begonnen haben. Ob eine solche Vermengung der Aufgaben sinnvoll ist, müssen die Altacher selbst wissen, für gewöhnlich werden in Profivereinen die Handlungs- und Verantwortungsbereiche zwischen Geschäftsführung und Sportlicher Leitung klar getrennt. Aus gutem Grund. Was den Kreis wieder schließt: Versöhnlich soll Altachs Trennung von Festetics nicht verlaufen sein – ob und welche Fragen die aktuellen Geschehnisse und die allgemeine Entwicklung der vergangenen Jahre intern weitere, aufwerfen, wird die Zeit weisen.
Saisonplanung
Trainer Schmidt hat verkündet, dass er heute mit Altachs Neo-Sportdirektor Kirchler ein Zukunftsgespräch führen wird. Nach NEUE-Informationen kann sich Schmidt einen Verbleib in Altach grundsätzlich vorstellen, nun gilt es für Kirchler abzuwägen, ob Schmidt über die Feuerwehrmann-Rolle hinaus der Richtige ist. Wobei freilich auffällt, dass Schmidt auf der Trainerposition ebenso der komplette Gegenentwurf zu Vorgänger Klose ist, wie es Kirchler auf der Sportdirektorposition zu Festetics ist. Was zeigt, dass sie in Altach einfach auch nicht wissen, was sie wollen. Klar ist: Die Trainerentscheidung muss bald fallen, damit der Trainer in die Kaderplanung eingebunden ist.
Dass dem im Vorjahr nicht von Beginn an so war, war der Ausgangspunkt für die abermals so schwache SCRA-Saison: Denn als Klose übernahm, war zum Beispiel mit Lukas Gugganig der Abwehrboss bereits verpflichtet, nur passte Gugganig so überhaupt nicht zur Spielphilosophie von Klose. Ein solches Szenario darf sich nicht wiederholen. Weil diese Umstände im Herbst zur Trennung vom Sportlichen Leiter Werner Grabherr führten und letztlich diese Umstände die Altacher und damit Festetics in der Wintertransferphase so unter Druck setzten. Wodurch permanente Unruhe herrschte. Hätten die Altacher im Vorsommer ihre Arbeit gemacht, wäre alles anders gekommen. So hängt eben alles zusammen auf dieser Welt, nichts bleibt ohne Konsequenzen.
Leidenschaft und Demut
Kirchler erklärt: „Leidenschaft, Demut und der unbeugsame Kampfgeist waren stets Schlüsselattribute, die meinen Erfolg als Spieler geprägt haben und die ich nun als Sportdirektor verkörpern will.“ Das klingt schon mal gut. Nächste Woche tritt er seinen Dienst an. Am Abend trifft Altach auswärts auf Wattens, dabei steht für Emanuel Schreiner nach zehn SCRA-Jahren sein Abschied an. So wie das Leben eben ist: Da geht etwas zu Ende, dort beginnt etwas Neues. In diesem Sinne sei Roland Kirchler ein glückliches Händchen und eine erfolgreiche Zeit in Altach gewünscht. Es ist schön, dass ein Typ wie er zurück ist. Er und der SCRA, das kann passen – und es wäre den Rheindörfler auch zu wünschen, wenn sie wieder ihr Potenzial ausschöpfen könnten.
Aber dafür werden sie in Altach aus ihren Fehlern lernen müssen. Denn dass ein bloßes Austauschen der Köpfe auf immer denselben Positionen nicht ausreicht, sollte die Vergangenheit eigentlich eindrücklich bewiesen haben. Oder um es mit Albert Einstein zu sagen: „Die reinste Form des Wahnsinns ist es, alles beim Alten zu lassen und zu hoffen, dass sich etwas ändert.“