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Vorarlberger Rohdiamant in spanischer Hand

04.10.2023 • 13:45 Uhr / 10 Minuten Lesezeit
Filip Milojevic klatscht mit Leverkusen-Trainer Xabi Alonso ab. <span class="copyright">Bayer Leverkusen</span>
Filip Milojevic klatscht mit Leverkusen-Trainer Xabi Alonso ab. Bayer Leverkusen

2022 wechselte der Feldkircher Filip Milojevic von der AKA Vorarlberg U18 in den Nachwuchs von Bayer Leverkusen. Inzwischen hat Xabi Alonso ein Auge auf Milojevic geworfen.

Es sind Bilder, die beeindrucken. Der Feldkircher Filip Milojevic steht im Mittelkreis und erhält zusammen mit seinen Mannschaftskameraden eine Ansprache von Welt- und Europameister Xabi Alonso. Oder das Bild, das Milojevic zeigt, wie er mit dem Leverkusen-Trainer abklatscht. „Es ist schon etwas Besonderes, wenn man von so einem großen ehemaligen Spieler gecoacht wird“, betont der 18-jährige Innenverteidiger, der im Vorjahr zur Werkself nach Leverkusen gewechselt ist und inzwischen bereits vier Mal in den Trainingskader der Profis befördert wurde.

Großes Lob
Das erste Mal wurde ihm diese Ehre bereits vor einem Jahr nach nur wenigen Wochen bei Bayers U19 zuteil. „Ich habe damals einen Anruf von meinem Trainer Sven Hübscher erhalten. Als ich seine Nummer auf dem Display sah, dachte ich: Oh weh, habe ich was falsch gemacht?“, erinnert sich der hochaufgeschossene Verteidiger und schmunzelt. Denn statt des befürchteten Tadels bekam der damals 17-Jährige ein großes Lob von seinem Trainer: „Er sagte, du bist in guter Form. Die Profis brauchen Defensivspieler, und du hast es verdient, dich zeigen zu können. Schon am nächsten Tag habe ich bei den Profis mittrainiert. Ich war damals schon etwas nervös.“ Er hinterließ dabei aber einen so guten Eindruck, dass er zum Beispiel von Kerem Demirbay ein Lob bekam. Und auch Jonathan Tah klopfte dem Vorarlberger auf die Schultern.

Milojevic im Trainingszweikampf mit dem argentinischen Weltmeister Exequiel Palacios (r.). <span class="copyright">Bayer Leverkusen</span>
Milojevic im Trainingszweikampf mit dem argentinischen Weltmeister Exequiel Palacios (r.). Bayer Leverkusen

Spanische Lehre

Als Milojevic diesen Spätsommer mit der Empfehlung von zwei Toren für die U19 erneut in den Profikader hochgezogen wurde, war der Feldkircher schon deutlich entspannter. Zusammen mit vier anderen Spielern der U19 durfte er während der ersten Länderspielpause der neuen Saison, in der ersten Septemberwoche, bei den Profis mittrainieren. Und spielte dabei beim 4:2-Testspielsieg gegen Aachen 90 Minuten durch. Weil Milojevic seine Sache so gut machte, wurde er in der darauffolgenden Woche wieder in den Trainingskader der Profis nominiert, als nur mehr einer von zwei U19-Spielern.
Es gab jedoch ein kleines Problem: Der einstige Nachwuchsspieler von BW Feldkirch, der gerade in seinem Abitur-Jahr ist, schrieb eine wichtige Arbeit in der Schule: Am Montag stand die Spanisch-Schularbeit an, und die durfte er einfach nicht versäumen. Also musste er das Montagstraining auslassen und stieß erst am Dienstag wieder zu den Profis, die sich auf das anstehende Spiel bei Bayern München vorbereiteten.
Als Milojevic am Dienstag wieder in das Profitraining einstieg, erlebte der Vorarlberger eine Überraschung: Werkself-Trainer Alonso, der kommenden Sommer Trainer bei Real Madrid werden soll, fragte bei Milojevic nach, wie denn seine Schularbeit gelaufen sei. „Ich konnte es kaum glauben, dass ein Mann wie er mich nach meiner Schularbeit fragt. Das war wirklich beeindruckend.“ Leverkusen spielte in München 2:2, dementsprechend hoch war die Trainingsqualität bei Bayer in den Tagen zuvor – und daran hat auch Milojevic durchaus einen kleinen Anteil.

Milojevic bei Bayers Testspiel vom 7. September gegen Alemannia Aachen. Der Feldkircher spielte durch.<span class="copyright">Bayer Leverkusen</span>
Milojevic bei Bayers Testspiel vom 7. September gegen Alemannia Aachen. Der Feldkircher spielte durch.Bayer Leverkusen

Keine Überraschung

Wie sehr der Vorarlberger in Leverkusen im Blickfeld steht, zeigt auch, dass der 18-Jährige in den vergangenen Tagen schon wieder zu den Profis hochgezogen wurde. Milojevic durfte vergangene Woche wieder mit den Bayer-Profis mittrainieren, die inzwischen Tabellenführer in der deutschen Bundesliga sind.
„Für mich ist die Entwicklung von Filip keine Überraschung“, offenbart sein ehemaliger AKA-U18-Trainer Heinz Fuchsbichler. „Filip gehörte in der Saison 2021/22 dem jüngeren Jahrgang an und hätte noch eine weitere Saison für uns spielen können, aber das wäre ein verschenktes Jahr gewesen, weil er völlig unterfordert war.“ Fuchsbichler gerät regelrecht ins Schwärmen, wenn er von Milojevic erzählt. Besonders die Einstellung des Innenverteidigers lobt der AKA-Vorarlberg-Trainer: „Filip ist einer dieser seltenen Spieler, die in jedem Training den Fokus haben. Er lebt Fußball. Als er mal verletzt war, kam er danach zum Zuschauen auf den Platz und ging bei strömendem Regen die Bälle holen, die über das Feld hinausgingen. Das sind Kleinigkeiten, aber genau diese Details machen den Unterschied aus. Dass er bei Leverkusen eine gute Figur macht, war für mich absolut klar.“

Vorarlberger Rohdiamant in spanischer Hand
Milojevic im Einsatz für die AKA Vorarlberg U18 gegen Burgenland. Philipp Steurer

Ein Terrier

Die spielerischen Qualitäten von Milojevic beschreibt Fuchsbichler so: „Er bringt eine enorme physische Stärke mit und verbeißt sich regelrecht in die Zweikämpfe, da ist er wie ein Terrier.“ Das Bild des Terriers ist in Fußball-Deutschland mit dem legendären Verteidiger Berti Vogts sehr positiv besetzt, Vogts gab bei der deutschen Nationalmannschaft den Adjutanten von Franz Beckenbauer. Obwohl Vogts der Mann fürs wirklich Grobe war, wurde er in den 1970er-Jahren trotz der so großen Konkurrenz zwei Mal zu Deutschlands Fußballer des Jahres gewählt. Das heißt also: Spielertypen, die so wie Milojevic keinen Zweikampf aufgeben, stehen in unserem Nachbarland immer noch im Kurs.
Fuchsbichler erklärt, was Milojevic von so vielen unterscheidet: „Filip gibt in jedem Training alles. Er grätscht auch im Training mit einer Härte und einer Konsequenz, als würde das Saisonziel auf dem Spiel stehen. Als Trainer geht einem da das Herz auf, als Gegenspieler rutscht einem das Herz dagegen eher in die Hose.“
Passend dazu wurde Milojevic vor seiner ersten Beförderung in den Profi-Trainingskader von Bayer Leverkusen gesagt, dass er bei den Profis etwas weniger intensiv in die Zweikämpfe gehen soll – damit sich ja keiner verletzt.
Ein Markenzeichen von Milojevic ist auch das gute Aufbauspiel sowie sein Kopfballspiel. Fuchsbichler ist sich sicher: „Filip wird seinen Weg machen und Profi werden. Das wusste ich schon nach wenigen Trainingseinheiten. Von ihm werden wir noch viel hören.“

Xabi Alonso hält eine Ansprache, Milojevic hört gebannt zu. <span class="copyright">Bayer Leverkusen</span>
Xabi Alonso hält eine Ansprache, Milojevic hört gebannt zu. Bayer Leverkusen

Dichter Tagesablauf

Milojevic wohnt in Leverkusen zusammen mit zwei weiteren Nachwuchsspielern bei einer Gastfamilie. Die drei bewohnen gemeinsam eine Etage, jeder hat ein eigenes Zimmer, gelebt, gegessen und gewaschen wird aber gemeinsam. „Als ich vor einem Jahr nach Leverkusen gezogen bin, waren die ersten drei Tage meine Eltern dabei. Als sie sich dann verabschiedet haben, war das ein wirklich schwerer Moment für mich“, erinnert sich der Feldkircher. Viel Zeit für Heimweh blieb dem damals 17-Jährigen nicht, da der Tagesablauf dicht gestaffelt ist.
Montag, Mittwoch und Freitag hat Milojevic von 8 bis 13 Uhr und von 14.10 bis 15.40 Uhr Schule – er besucht das Landrat-Lucas-Gymnasium in Leverkusen. Um 16 Uhr muss er dann bei der BayArena sein, wo von 17 bis 18.30 Uhr das Training und danach noch Behandlungen anstehen. Dienstags und donnerstags hat Milojevic bis 10 Uhr Schule, dann steht ein zusätzliches Vormittagstraining bis 12.30 Uhr an, ehe es ab 14.10 Uhr wieder in der Schule weitergeht und danach das reguläre Training wartet. Was für ein Pensum.
Bei den Profis wiederum treffen sie sich um 9.30 Uhr zum gemeinsamen Frühstück, um 11 Uhr beginnt die Trainingseinheit. Und ob Milojevic bei den Bayer-Profis mittrainiert oder nicht – in der Schule gibt es natürlich keine Sonderbehandlung, das heißt, der Innenverteidiger muss sich auch schulisch mächtig reinknien. „Es wird hier von uns Jugendlichen schon viel verlangt. Aber ich bin bereit, jeden Tag alles aus mir rauszuholen“, betont Milojevic und schickt die Begründung gleich hinterher: „Ich weiß, dass ich in meinen Leben schon viele Privilegen genießen durfte. Ich bin meinen Eltern sehr dankbar, dass sie die Privatschule in der Mehrerau für mich bezahlt haben. Mich treibt auch das Ziel an, meinen Eltern etwas zurückzugeben. Darum kommt Nachlassen für mich nicht infrage. Ich sehe es als meine Pflicht an, aus meinen Möglichkeiten das Beste zu machen. Denn es ist alles andere als selbstverständlich, dass ich diesen Weg einschlagen durfte.“
Leverkusens U19 führte Milojevic zuletzt gar als Kapitän an, zudem ist der Feldkircher auch für die EM-Qualifikationsspiele der österreichischen U19-Nationalmannschaft Mitte Oktober nominiert. Kommenden Sommer läuft der Vertrag von Milojevic in Leverkusen aus. Wie es danach für ihn weitergeht, wird sich weisen. Der Vorarlberger bringt jedenfalls alles für eine Profikarriere mit. Vielleicht sogar bei Bayer Leverkusen.