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Ist die Austria nun aus dem Schneider?

14.11.2023 • 05:50 Uhr / 8 Minuten Lesezeit
Ein Bild aus besseren Zeiten: Austrias Sportkoordinator Alexander Schneider (l.) und der nunmehrige Ex-Trainer Markus Mader. <span class="copyright">GEPA/Lerch</span>
Ein Bild aus besseren Zeiten: Austrias Sportkoordinator Alexander Schneider (l.) und der nunmehrige Ex-Trainer Markus Mader. GEPA/Lerch

Austria Lustenau hat Trainer Markus Mader freigestellt. Bis zur Winterpause übernehmen Sportkoordinator Schneider und Amateur-Trainer Gerdi. Eine Einordnung.

So schnell geht es im Fußball. Im Sommer hätte Markus Mader die Austria beinahe in den Europacup geführt, jetzt gab es für die Austria kaum mehr eine vernünftige Alternative zur Trainerfreistellung. Weil man sich eben nicht vom halben Kader trennen kann, was ob der überschaubaren Qualität eigentlich notwendig wäre – und weil schlichtweg fast keine Entwicklung erkennbar war. Die Grün-Weißen pendelten zwischen desaströsen und bemühten Auftritten hin und her.

Spezielle Lösung
Der letzte Biss war nie erkennbar, was jedoch eher der Mannschaft als dem Trainer ein schlechtes Zeugnis ausstellt. Schon deutlich mehr anlasten konnte man Mader, dass die Lustenauer in der Liga vor der Pause noch ohne Torerfolg waren, viele Spiele bereits in der ersten Hälfte verloren wurden und die Leistungen erst nach Umstellungen besser wurden. Was im Umkehrschluss den Schluss nahelegte, dass Mader oft auf die falsche Startelf setzte.
Wer aber dachte, dass die Lustenauer ein Trainer-Talent wie Philipp Semlic als Nachfolger präsentieren, wurde eines Besseren belehrt. Dass vielmehr der 30-jährige Kader-Architekt Alexander Schneider und Amateur-Trainer Momo Gerdi, der zuletzt acht Niederlagen in Folge einstecken musste, bis zur Winterpause die erste Mannschaft übernehmen, ist dann doch eine eher spezielle Lösung.
Dabei werden nämlich Erinnerungen an zwei Schachzüge von Hubert Nagel wach: In der Bundesliga-Abstiegssaison 1999/2000 entließ der Austria-Präsident in der Winterpause Trainer Klaus Scheer und berief Goran Stanisavljevic zum Trainer, den Nagel eigentlich als Spieler verpflichtet hatte, aber weil der Serbe für das gesamte Frühjahr verletzt ausfiel, sollte er die Grün-Weißen als Trainer zum Klassenerhalt führen.
Zudem erinnert die aktuelle Situation an die Beförderung von Amateur-Trainer Mladen Posavec zum Chef im Oktober 2014, der zu diesem Zeitpunkt in der Vorarlbergliga mit der zweiten Mannschaft der Grün-Weißen auf Rang elf lag. Gerdi liegt aktuell mit Austrias Amateuren in der Eliteliga auf Rang zwölf. Ob man mit dieser Entscheidung die Köpfe der Profis freikriegt, wird sich weisen.

Ist die Austria nun aus dem Schneider?
Im Jänner 2000 beförderte der damalige Austria-Boss Hubert Nagel den verletzten Mittelfeldspieler Goran Stanisavljevic zum Cheftrainer. Die Austria gewann kein Spiel mehr und stieg nach drei Punkten im Frühjahr aus der Bundesliga ab. Stiplovsek

Wende gelang nicht
Menschlich ist Lustenaus Trennung von Mader eine harte, aber nachvollziehbare Entscheidung, denn es war zwar Mader, der es schaffte, die Unaufsteigbaren in der Saison 2021/22 in die Bundesliga zu führen – nachdem die Grün-Weißen bei 21 Versuchen, in die Bundesliga zurückzukehren, gescheitert waren. Doch im Fußball zählt letztendlich nur das Hier und Jetzt. Und die Momentaufnahme spricht eine klare Sprache: Drei Punkte nach 14 Spielen, immer noch sieglos in der Bundeliga, Tabellenletzter mit inzwischen bereits fünf Punkten Rückstand auf Tirol. Zudem ging man im ÖFB-Cup bei Zweitligist St. Pölten unter. Bei so einer Bilanz bleibt eigentlich nur mehr die Trennung vom Trainer.
Mader hat sogar mehr Zeit bekommen als im Fußball üblich, um die Wende zu schaffen. Selbst nach einer Krisensitzung am Sonntagabend konnten sich viele bei der Austria nicht endgültig zum Trainerwechsel durchdringen. Bis man gestern doch Gefallen an der Interimslösung Schneider/Gerdi fand, der man mehr zutraute als Mader.
Zum nun vollzogenen Trainerwechsel bei der Austria gehört aber auch, dass Mader eine Demontage auf Raten erlebte. Die Bekenntnisse des Vereins zum Trainer kamen in den vergangenen Wochen zwar, klangen aber nie überzeugend. Vielmehr brachte Sportkoordinator Schneider mit seinen Wortmeldungen Mader schon Mitte September unter Druck – mit Ausführungen, wonach der aktuelle Kader eigentlich sogar stärker wäre als der in der Vorsaison. Danach war Mader in der Defensive und die Spieler auf dem Fahrersitz. Denn umgemünzt hieß das: Nicht die Spieler versagten, sondern Mader bei der Aufgabe eine Mannschaft zu formen. Anders gesagt: Nicht die Spieler mussten sich steigern, sondern der Trainer beim Coaching. Das mag nicht so gemeint gewesen sein, aber mehr Alibi für die Spieler ging nicht. Da jedenfalls die Wende ausblieb und die Lustenauer über Stückwerk nie hinauskamen, musste die Austria schlichtweg reagieren. Zumal ein Abstieg während des Neubaus des Reichshofstadions den Verein vor massive Herausforderungen stellen würde.

Alexander Schneider brachte Mader mit seinen Aussagen früh unter Druck. <span class="copyright">Hartinger </span>
Alexander Schneider brachte Mader mit seinen Aussagen früh unter Druck. Hartinger

Spieler in der Pflicht
Klar ist auch, dass Spieler wie Lukas Fridrikas oder Yadaly Diaby mit ihren zur Schau getragenen Mentalitätsproblemen eine erhebliche Mitschuld an den Entwicklungen tragen. Der eine, Fridrikas, wollte im Sommer weg und beschwerte sich öffentlich über die Ablöseforderung der Austria. Der andere, Diaby, scheint sich inzwischen zu schade für Lustenau. Solche Starallüren sind Gift für eine Mannschaft, die nur als Kollektiv funktionieren kann. Bei Diaby zeigte die Formkurve zuletzt etwas nach oben, Fridrikas wird nach überstandener Verletzung beweisen müssen, dass er auch unter einem anderen Trainer als Mader überzeugen kann. Denn der Stürmer setzte sich weder bei Wiener Neustadt noch Inns-bruck oder Klagenfurt durch und wurde jeweils von Mader in Form gebracht: Erst beim FC Dornbirn, dann bei der Austria.

Schneider, zum Zweiten
Die Trennung von Mader setzt aber vor allem auch den Sportkoordinator und nunmehrigen Interimstrainer Schneider unter Druck. Der Kader-Planer hat im Sommer keine gute Arbeit geleistet. Was zuerst am plakativsten auf dem Mannschaftsfoto erkennbar war, auf das es sieben Betreuer schafften, um die lichten Reihen zu füllen. Öffentliche und interne Kritik an der schleppenden Kaderplanung tat Schneider damals damit ab, dass man er den Kader nicht für die ersten paar Spieltage, sondern die ganze Saison zusammenstelle. Doch keiner der danach präsentierten Neuverpflichtungen hat die Grün-Weißen bislang nachhaltig verstärkt. So stellt sich zum Beispiel die Frage, wie genau sie bei der Austria bei Ex-Freiburg-Legionär Jonathan Schmid hingeschaut haben, der sich im wahrsten Sinne des Wortes über den Platz schleppt.
Sicher: Schneider entscheidet bei der Austria nicht alleine über die Transfer. Aber so, wie ein Trainer letztendlich für die Leistungen seiner Spieler verantwortlich gemacht wird und wie jetzt Mader die Konsequenzen tragen muss, so wird ein Sportdirektor, auch wenn sein Posten eine andere Bezeichnung trägt, letztendlich an der Qualität der Transfers bewertet. Zumal sich Schneider mit der Übernahme des Trainersamts nun selbst das zweifelhafte und bei Trainern nicht beliebte Image verpasst, als Verantwortlicher auch ohne den erforderlichen Trainerschein jederzeit als Interimstrainer bereitzustehen. Denn schon nach der Freistellung von Alexander Kiene im Mai 2021 übernahm der Sportkoordinator interimistisch das Traineramt. Schneider, dem in der Vergangenheit so vieles gelungen ist in Lustenau, tut sich damit selbst keinen Gefallen.

Alexander Schneider, der Trainer - das gab es schon im Mai 2021 nach der Freistellung von Alexander Kiene. <span class="copyright">GEPA/Lerch</span>
Alexander Schneider, der Trainer - das gab es schon im Mai 2021 nach der Freistellung von Alexander Kiene. GEPA/Lerch

Baustelle
So nachvollziehbar die Mader-Freistellung also ist: Die Austria hat sich mit der Entscheidung, Schneider und Gerdi als Interimstrainer zu installieren, angreifbar gemacht. Auch wenn dahinter nur steckt, dass man aus Respekt vor Mader bislang nicht mit Nachfolgekandidaten verhandeln wollte. Letztendlich passt das abgegebene Bild zu den gestern begonnenen Abbrucharbeiten im Reichshofstadion. Die Austria gleicht im Herbst 2023 einer Baustelle.