Das kurze Ende eines langen Abschieds

Ablösegerüchte gab es seit Monaten. Jetzt wurde der Druck zu groß.
Schon bei dem Rückzug von Ex-ÖVP-Chef Sebastian Kurz im Dezember sei für sie festgestanden, dass sich auch ihr 13-jähriges politisches Kapitel schließen würde, sagte Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) am Montag. Vor einem halben Jahr sei die Zeit aber noch nicht reif gewesen, „weil vieles noch nicht fertig war“.

Die Kärntnerin ist mit dem Ex-Kanzler politisch so eng verbunden, wie sonst kaum jemand. Nach acht Jahren im EU-Parlament holte Kurz sie 2017 als Generalsekretärin seiner „Neuen Volkspartei“ nach Wien. Mit der Landwirtstochter aus St. Paul wechselte die Partei ihre Farbe und erreichte bei der Nationalratswahl im Herbst nach einer enormen Überschreitung der Wahlkampfobergrenze klar den ersten Platz. Die Parteistrategin wurde prompt zur Nationalratspräsidentin gewählt. Das zweithöchste Amt im Staat führte sie – trotz anderslautender Beteuerungen – nur ein Monat lang aus.
Denn Köstinger folgte Kurz auch in die Regierung. Als Nachhaltigkeitsministerin stand sie in der steten Kritik, zu wenig Ambitionen zu zeigen. Das wurde sie unter Türkis-Grün los, da Umwelt- und Nachhaltigkeit zu Leonore Gewessler (Grüne) wanderten. Als „Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus“ war die Kärntnerin fortan auch für Telekommunikation und den Zivildienst zuständig. Die Suche der Regierung nach Flüssiggas in Katar begleitete sie als „Rohstoff-Ministerin“, öffentlich bot sich die Bauernbündlerin regelmäßigen Schlagabtausch mit der roten Stadtregierung in Wien. Nach und nach verlor Köstinger das Vertrauen der Bevölkerung, im letzten APA/OGM-Vertrauensindex von März erreichte sie den letzten Platz in der Regierung.
In der Agrarpolitik waren bei Kurz’ Rücktritt im Dezember tatsächlich noch einige Eier ungelegt: Die Neuordnung der Agrarförderungen bis 2027 ist nun weitgehend auf Schiene, die Herkunftskennzeichnung bei Lebensmitteln in Begutachtung. Der, Zitat Köstinger, „endlose Kampf“ gegen die Preispolitik großer Handelsketten endete vorerst mit einem „Fairnessbüro“ gegen unlautere Geschäftspraktiken. In einer Zeit, in der sowohl Bauern (hohe Kosten, niedrige Preise) als auch Tourismus (Corona) wirtschaftliche Extremsituationen erleben, könnte man Köstingers Amtszeit so zusammenfassen: Wenige Minister vor ihr haben mehr Geld für ihr Klientel heraus geholt, aber auch kaum ein Minister vor ihr wurde stärker von den „eigenen Leuten“ kritisiert. Stete Begleiter bei ihren Auftritten waren auch Tierschutz-Organisationen, die gegen Vollspaltenböden protestierten. Letzte Woche wurde mit dem zuständigen Minister Johannes Rauch (Grüne) ein neues Tierschutz-Gesetz präsentiert. Ein Vollspaltenverbot kommt nicht, stattdessen werden Tierwohlställe gefördert. Den letzten politischen Schritt setzte Köstinger gestern selbst und appellierte an Mädchen und Frauen: „Lasst euch nicht unterkriegen, geht euren Weg, ihr könnt alles schaffen, wenn ihr es wollt.“
Von Max Miller und Ulrich Dunst
Schramböcks Abschied folgte kurz danach
Nur wenige Stunden nach dem Rücktritt von Kollegin Köstinger trat Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck die Flucht nach vorne an. Nach monatelangen Ablösegerüchten um die Tirolerin gab sie ihren Rücktritt bekannt – digital. In einem Video auf ihren Kanälen in den Sozialen Medien beteuerte sie, den Schritt in die Politik „nie bereut“ zu haben, zählte errungene Erfolge auf. Bei ihren Mitstreiterinnen und Mitstreitern – „und ganz besonders bei Sebastian Kurz, der mich in die Regierung geholt hat“ – bedankte sie sich. Es sei „eine Ehre gewesen, für Österreich zu arbeiten.“

Eben diese Arbeit war jedoch nicht immer von Erfolg gekrönt. Als die „streitbare Telekom-Managerin“, wie Schramböck damals beschrieben wurde, wechselte die frisch abgetretene A 1-Chefin in die türkis-blaue Regierung. Der 1970 in St. Johann in Tirol geborenen IT-Expertin wurde insbesondere in Digitalagenden einiges zugetraut. In beiden Amtszeiten hatte Schramböck jedoch spürbar mit Akzeptanzproblemen zu kämpfen. Hinzu kam eine gewisse Diskrepanz zwischen Ankündigungen und tatsächlicher Umsetzung. Den heimischen Start-ups etwa versprach sie für den Herbst 2021 ein umfassendes „Gründerpaket“, das unter anderem eine neue, flexiblere Gesellschaftsform bringen sollte. Bis heute warten die Jungunternehmen auf die Umsetzung.
Spott brachte Schramböck die E-Commerce-Plattform „Kaufhaus Österreich“ ein, die zwar teuer war, aber aufgrund zahlreicher Mängel nie ihrer eigentlichen Aufgabe zugeführt werden konnte, ein Umstand, der für viele Beobachter das Bild der Pannen-Ministerin prägte. In einigen Feldern, vor allem bei der Modernisierung und Aufwertung von Lehrberufen und der beruflichen Ausbildung sowie auch rund um die Investitionsprämie als milliardenschwere Corona-Hilfe, konnte die Tirolerin aber durchaus punkten.
Dank fehlender Hausmacht in ihrer Partei hatte sich Schramböck in den vergangenen Monaten aber wohl nur halten können, weil die Tiroler ÖVP so schnell keinen Ersatz aufstellen konnte, hieß es. Zuletzt wurde über eine Personalrochade spekuliert, die Nehammer vor dem ÖVP-Parteitag am kommenden Wochenende plane und der Schramböck zum Opfer fallen könnte. Nehammer soll den Fokus künftig stärker auf Wirtschaftsagenden legen wollen, wofür die Ministerin als wenig geeignet galt. Mit ihrem Rücktritt kam Schramböck einer solchen Entscheidung nun zuvor.
Von Manfred Neuper, Christina Traar und Markus Zottler