Kultur

Ein Rückblick und ein Ausblick ins Festspielfinale

11.08.2022 • 19:45 Uhr / 7 Minuten Lesezeit
Die Pressekonferenz in der Werkstattbühne zu „Melencolia“.<span class="copyright">Stiplovsek </span>
Die Pressekonferenz in der Werkstattbühne zu „Melencolia“.Stiplovsek 

Junge Musiker und ein zukunftsorientiertes Programm: Am Festspielgelände herrscht Aufbruchsstimmung.

Die 76. Bregenzer Festspiele nähern sich dem Ende und dennoch erwartet die Besucher ein „vielfältiges und buntes“ Finale, freut sich Intendantin Elisabeth Sobotka. Mit einem „starken Blick in die Zukunft“ gerichtet, werden bei den noch kommenden Produktionen sehr viele junge Künstler mitwirken.

Mit dem bisherigen Verlauf der Festspiele scheint Sobotka mehr als zufrieden. So sei mit dem Spiel am See „Madame Butterfly“ „genau das realisiert worden, was wir uns vorgestellt haben“, sagt die Intendantin beim zweiten Pressetag und freut sich, dass dieses „unglaublich ästhetische und ruhige Stück, obwohl es weniger spektakulär aufgezogen und von der Konzeption aus der Musik heraus inszeniert wurde, beim Publikum so gut ankommt und bereits ausverkauft ist. Für das Musiktheaterstück „Melencolia“, das am 18. August Weltpremiere feiert, gibt es aber noch Karten, ebenso wie für die zweite Opernstudioproduktion dieser Saison „Armida“ und das Abschlusskonzert der ersten Orchesterakademie, welches beim Pressetag einen Einblick in die durchaus herausfordernden Proben der jungen Musiker gewährte.

Dirigent Daniel Cohen bei den Proben.<span class="copyright">Stiplovsek </span>
Dirigent Daniel Cohen bei den Proben.Stiplovsek 

Nur Vorwärtsschritte

Letzten Sonntag sind die jungen Musikerinnen und Musiker vor allem aus dem deutschsprachigen Raum, aber auch aus Kolumbien, Spanien und Italien in Bregenz zusammengekommen, um unter der Leitung des Dirigenten Daniel Cohen und mit Mitgliedern der Wiener Symphoniker zusammen ein Konzertprogramm zu proben.

Von insgesamt 360 Bewerbungen wurden 85 junge Talente in einem von Lehrkräften der Wiener Symphoniker durchgeführten Auswahlprozess gefunden. Mit den jungen Musikern sei auch mehr Lebendigkeit und eine „Aufbruchsstimmung“ im Festspielgelände angekommen, beschreibt Sobotka. Wie Cohen sagt, sei es besonders, dass die Gemeinschaft über die subtile und komplexe Musik erschaffen wird. So wird im Entwicklungsprozess der Proben nicht nur ein Programm, sondern auch eine eigene Orchesteridentität geschaffen.
Der 1984 geborene Cohen dirigierte bereits 2019 die Oper im Festspielhaus „Don Quichotte“ und letztes Jahr neben Julia Jones das Spiel auf dem See „Rigoletto“. Mit den anspruchsvollen Kompositionen von dem Vorarlberger Herbert Willi, Joseph Haydn und Dmitri Schostakowitsch, soll die „ganze Bandbreite“ der Festspielproduktionen abgebildet werden, sagt Sobotka. Am Sonntag werden die jungen Musiker zwischen 17 und 27 Jahren das Abschlusskonzert der ersten Orchesterakademie der Bregenzer Festspiele präsentieren.

Komponistin und Regisseurin Brigitta Muntendorf im Interview. <span class="copyright">Stiplovsek </span>
Komponistin und Regisseurin Brigitta Muntendorf im Interview. Stiplovsek 

Heutiges Musiktheater

Die Entstehungsphasen von „Melencolia“ waren etwas anders als üblicherweise, beschreibt Sobotka, es sei kein „zeitgenössisches Musiktheater“, mit dem man „sehr klare Strukturen und sehr klare musikalische Ausrichtungen verbindet“, sondern ein „heutiges Musiktheater“, das einen sehr weiten Blick „auf alles, was die Welt im Moment zu bieten hat“ wirft. Das Stück habe „eine unglaublich künstlerische Kraft, Energie und Überzeugung“, ist Sobotka begeistert.
„Im Zusammenhang mit der Trauer“, dem eigentlich geplanten Thema, sei die Regisseurin und Komponistin Brigitta Muntendorf „über die Melancholie gestolpert“. Der Begriff der Melancholie sei einerseits verbunden mit dem „Geniekult“ und gleichzeitig in unserer westlichen Kultur mit Depression. „Wir sehen in der Melancholie ein Potenzial, das eine starke Kraft für die Gesellschaft hätte, wenn wir der mehr Raum geben würden“, sagt Muntendorf und beschreibt die Melancholie als „ein Abgetrenntsein von dem Hier und Jetzt“, aber auch als Möglichkeit, Widerstände und Konflikte aushalten zu können.

Mehr Live-Kunst

In „Melencolia“ wird die reale Welt mit der virtuellen verknüpft, etwas, das für Muntendorf „selbstverständlich“ war, „weil wir uns ja auch in beiden Welten alltäglich bewegen“. Dennoch versteht der Regisseur Moritz Lobeck die Skepsis am Einsatz von Digitalität, wenn im Bezug auf Corona wieder mehr „Live-Kunst“ gewünscht werde und erklärt: „Live ist das mehr als alles andere.“ Die Technik erlaube mehr Nähe, Intimität und könne auch die Verletzlichkeit ganz anders zeigen, wodurch ein Gefühl der Entfremdung entstehe.
Im Auftragswerk der Bregenzer Festspiele und des Ensembles Modern gibt es künstliche Intelligenz, aber keinen Dirigenten. Stattdessen haben die Musiker „Click Tracks“ in den Ohren, die Tonsignale senden. Ohne Dirigent stehe auch die Gruppe des Ensembles Modern als Hauptdarsteller auf der Bühne, freut sich Lobeck und findet das sehr authentisch.

Ein Blick in die Proben der Orchesterakademie.<span class="copyright">Stiplovsek </span>
Ein Blick in die Proben der Orchesterakademie.Stiplovsek 

Verzweifeltes Scheitern

Am 15. August ist die Premiere der siebten Opernstudio-Produktion „Armida“ von Joseph Haydn. Ein Stück, dass „extrem anspruchsvoll“ sei, sagt Sobtoka. Regisseur Jörg Lichtenstein spricht von einer erfundenen Welt, in der Armida zur Zauberin gemacht wird, indem aus der Verzweiflung heraus Kräfte wachsen. In der Oper geht’s um „Antihelden“, die scheitern und darum, „männliche Verhaltensweisen in ihrer Gefährlichkeit aufzuzeigen“. Das Werk sei eine „verblüffende Mischung aus Fantasy-Oper, Historiendrama und Liebesgemetzel“.

Der musikalische Leiter Jonathan Brandani, der diesen Festspielsommer bereits die „Italienierin in Algier“ dirigierte, spricht von zwei sehr unterschiedlichen Opern. So sei „die Italienierin ganz leicht und lus­tig“ während die Musik von „Armida“ „eine unglaubliche Tiefe“ habe und „sehr reich an Nuancen und Details sei.“ „Jede Arie ist quasi eine Mini-Sinfonie“ und alle möglichen Emotionen wie Freude, Verzweiflung, ­Traurigkeit oder Wut würden durch die Töne dargestellt, sagt Brandani.

Zusammen mit den Opernstudiomitgliedern habe er versucht, die Oper für das heutige Publikum zum Leben zu erwecken und einen gemeinsamen Zugang zu finden. So seien unterschiedliche Optionen probiert und in das Stück eingearbeitet worden. Brandani bentont die Modernität der kontrastreichen Musik und wie Haydn seiner Zeit voraus war und „die musikalischen Mittel findet, um die extremen Gefühlszustände zu schildern“. „Diese Musik könnte auch 1820 geschrieben sein.“

Infos und Tickets: www.bregenzerfestspiele.com