Ist die Pandemie vorbei?

Die Pandemie prägte die vergangenen drei Jahre, doch nun werden die letzten Regelungen aufgehoben.
Aus dem Alltag scheint die Covid-19-Pandemie großteils verschwunden zu sein. Waren doch in den vergangenen drei Jahren Desinfektionsmittel, Stäbchen in bisher nicht wahrgenommenen Regionen der Nase und Elefanten als Maßeinheit allgegenwärtig. Mittlerweile wird man höchstens noch durch die Testpflicht als Ankömmling aus China an österreichischen Flughäfen, Besucherregelungen im Krankenhaus oder die Maskenpflicht bei einer Fahrt mit der U-Bahn in Städten wie Wien oder Hamburg daran erinnert. Doch endet eine Pandemie mit den Einschränkungen?
Der deutsche Virologe Christian Drosten meinte vergangenen Dezember gegenüber der Berliner Tageszeitung: „Nach meiner Einschätzung ist die Pandemie vorbei.“ Ein Ende für Geimpfte hatte Altbundeskanzler Sebastian Kurz schon im September 2021 verkündet. Es kam dann aber anders
„Nach meiner Einschätzung ist die Pandemie vorbei.“
Christian Drosten, Virologe
Kein Ende in Sicht
Im Gegensatz dazu sieht Gesundheitslandesrätin Martina Rüscher auch heute noch kein Ende von Corona: „Die Pandemie ist nicht vorbei.“ Der Virus sei gekommen um zu bleiben, beurteilt sie die Lage. Derzeit stuft sie die Situation zwar als nicht bedrohlich ein, betont aber, dass es immer noch schwere und tragische Fälle gebe und Menschen durch die Erkrankung Long Covid auch heute noch mit länger spürbaren Krankheitssymptomen zu kämpfen haben.
Unter den ÖGK-Versicherten wurden zu Beginn des Jahres etwa 3467 Long-Covid-Fälle in Vorarlberg gezählt. Davon sind sowohl genesene, als auch noch laufende Arbeitsunfähigkeits-Fälle erfasst. Rüscher rechnet mit einer ähnlichen Entwicklung bei Covid-19 wie beim Influenza-Virus. Dazu gehört etwa, dass zukünftig in Hochphasen vulnerable Personen besonders betroffen seien. Als Unterschied zur Grippe sieht sie die saisonale Unabhängigkeit, da Corona temperaturunabhängig sei.

Impfschutz wichtig
Derzeit sei das Land Vorarlberg dabei, allgemeine Strukturen wieder aufzubauen und Sonderstrukturen zurückzufahren, heißt es. Rückblickend bewertet Rüscher die damals gesetzten Maßnahmen, wie die Coronaschutzimpfung, immer noch als richtigen Weg. Von dieser wurden bisher 832.106 in Vorarlberg verabreicht.
Am häufigsten wurde dabei das Corona-Vakzin von Biontech/Pfizer (692.599) verimpft. Die Quote der Personen mit aufrechtem Impfschutz beträgt in Vorarlberg aber mittlerweile nur noch 36,1 Prozent (Stand 13.12.).
Als Vergleich dazu führt Rüscher die Lage in China an, wo die Bevölkerung über keine ausreichende Grundimmunität wie in Österreich verfügen würde. Dort schnellten zuteltzt die Infektionszahlen in die Höhe.

Erster Lockdown
Aus heutiger Sicht würde Rüscher jedoch nicht mehr, wie im ersten Lockdown die Spitäler „leerräumen“, um Stationen für Covid-Patienten freizuhalten. Damals stand die Befürchtung im Raum, eine Triage könnte notwendig werden. War diese berechtigt? Insgesamt wurden seit Beginn der Pandemie in den Vorarlberger Landeskrankenhäusern und dem Krankenhaus Dornbirn 5249 an Covid-19 erkrankte Personen stationär und 593 Erkrankte intensivmedizinisch behandelt (Stand 20.1.).
Während die Normalbettenstationen durch Steuerung – wie etwa das Absagen von Operationen – zu keinem Zeitpunkt an die Kapazitätsgrenzen gestoßen sei, sah hingegen die Lage im Intensivbereich anders aus. In der Hochphase im November 2020 wurden insgesamt 223 an Covid-19 erkrankte Personen stationär in den Vorarlberger Krankenhäusern betreut, davon mussten 44 auf der Intensivstation behandelt werden. „Der Intensivbereich war manchmal nahe an der Belastungsgrenze“, so Rüscher, die auf vermehrte Beschaffung von Beatmungsgeräten, Umschulungen zu Intensivpflegekräften und den Umbau von Stationen in der Zeit hinweist. Die Pandemie war auch kostspielig: Für Schutzbekleidung wurden etwa 9.000.000 Euro ausgegeben.

Belastung für Pflegepersonal
Diese intensive Pandemiephase hat vor allem das Pflegepersonal belastet. Von den Landeskrankenhäusern heißt es: „Nach drei Jahren Pandemie ist unser Personal erschöpft.“ Allerdings hat aber das Ansehen der Pflegekräfte und die Bewusstheit für Gesundheit profitiert. Was Tendenzen zu Einsparungen in dem Bereich und der Verbesserungsmaßnahmen der Arbeitsbedingungen zugutekomme, erzählt Rüscher.
„Nach drei Jahren Pandemie ist unser Personal erschöpft.“
Landeskrankenhäuser
Herausforderung für Exekutive
Auch für die Exekutive war die Zeit der Quarantäneregelungen, Grenzkontrollen und Begleitung von Demonstrationen eine Herausforderung, wie Rainer Fitz, Leiter der Pressestelle der Landespolizeidirektion erzählt. Während der Bildungsbereich oder der Gesundheitsbereich auf positive Auswirkungen, wie die Online-Lehre in Bildungseinrichtungen und Errungenschaften wie E-Rezepte durch den pandemiebedingten Digitalisierungsschub hinweisen, zeigt die Polizei eine negative Seite auf: „Es ist feststellbar, dass sich die Kriminalität während und nach Corona ins Internet verlagert hat, wie etwa Bestellbetrug.“ Bei persönlichen Begegnungen beobachtet die Polizei eine spürbare gestiegene Sensibilität der Menschen und vermehrte verbale Angriffe.

Vor allem Junge als Verlierer
Der Lehrerberuf soll laut Bildungsdirektion in der Pandemie hingegen durchaus an Image gewonnen haben. Rückblickend würde aber auch Gesundheitslandesrätin Martina Rüscher nicht mehr so stark in den Lebensbereich Schule eingreifen. Dabei weist sie auf Folgen mancher Einschränkungen hin: „Wir haben gelernt, dass Kinder und Jugendliche besonders geschützt werden sollen“, sagt sie. Der schon vorher herrschende psychische Druck durch fehlende Bewegung bei Kinder und Jugendlichen habe sich durch die Coronamaßnahmen noch verschärft.
Von der Bildungsdirektion heißt es, dass vermehrt Verhaltensauffälligkeiten wie Aggressivität, Konzentrationsprobleme, Ängste, sozialer Rückzug oder Antriebslosigkeit bei einzelnen Schülern beobachtbar seien. Bei Erstklässlern gebe es teilweise Defizite bei der Motorik oder Sprache. Durch Einschränkungen und Distance Learning habe sich der Bedarf von Schulleitungen, Lehrpersonal und Schüler nach psychosozialer Unterstützung verstärkt. Dadurch sei das Tabuthema auch enttabuisiert worden.
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